Donnerstag, 25. Dezember 2014

Jahresrückblick (6): Schnelldurchlauf des Jahres

Da war noch so viel, was ich aus 2014 noch loswerden wollte, aber irgendwie komme ich nicht viel zum Schreiben. Und bald steht ja auch schon wieder Neues an, auf das man gründlich vorbereitet sein will (der Hegel-Preis 2014, die Neujahrsansprache der Kanzlerin,…). Also machen wir im 6. Teil des DWüdW-Jahresrückblicks ein bisschen Tempo, sagen, was noch gesagt werden muß - und Schluß!

• 2013 entschieden die Bewohner der Falkland-Inseln in einem Referendum über die politische Zukunft ihrer Inseln. Satte 99.8% der Wahlberechtigten (Wahlbeteiligung 91.9%) stimmten für die Beibehaltung des Status als britisches Überseegebiet und der britische Premierminister David Cameron fand das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung total dufte:
"I think the most important thing about this result is that we believe in self-determination, and the Falkland Islanders have spoken so clearly about their future, and now other countries right across the world, I hope, will respect and revere this very, very clear result." [link]
Klar akzeptieren andere Länder dieses Ergebnis, bis auf z.B. Argentinien (dessen Regierung hält das Referendum auf den Falklandinseln von vornherein für illegal und will es nicht anerkennen).
Beinahe auf den Tag ein Jahr später, am 16. März 2014, wurde auf der Krim ein Referendum über die politische Zukunft der Region abgehalten und eine satte Mehrheit von 96.8% (bei einer Wahlbeteiligung von 83.1%) stimmte für einen Beitritt der Krim zur russischen Föderation. Und David Cameron findet, daß man das mit der Selbstbestimmung andererseits nun auch wieder nicht übertreiben sollte:
"A sham and illegal referendum has taken place at the barrel of a Kalashnikov, and Russia has sought to annex Crimea. This is a flagrant breach of international law, and something we will not recognize."
[link]
Merke: Das Selbstbestimmungsrecht ist ein hohes internationales Rechtsgut, dem höchstens fremdbestimmendes Recht übergeordnet sein kann!

• Im Mai wurde der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einer Veranstaltung auf dem Alexanderplatz seiner Ukraine-Politik wegen mit "Kriegstreiber"-Rufen bedacht. Er reagierte mit einer wütenden Gegenrede, in der er auch leidenschaftlich ausrief:
"Der Sozialdemokratie muß man nicht sagen, warum wir für den Frieden kämpfen! Nicht der deutschen Sozialdemokratie!" [Video]
Was wollte er damit wohl sagen? Zuerst habe ich mich ja schon ein wenig erschreckt, daß die deutsche Sozialdemokratie sich ausgerechnet bei einem Konflikt mit russischer Beteiligung und genau 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf ihre Friedenstradition beruft. Aber keine Sorge, das ist nicht Geschichtsvergessenheit sondern Traditionspflege! So rief Steinmeiers Genosse, der SPD-Vorsitzende Hugo Haase, ganz aktuell (am 4. August 1914) vor dem Deutschen Reichstag aus:
"Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus, der sich mit dem Blute der Besten des eigenen Volkes befleckt hat (Lebhafte Rufe: Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten), viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. (Erneute Zustimmung.)
[…]
Wir hoffen, daß die grausame Schule der Kriegsleiden in neuen Millionen den Abscheu vor dem Kriege wecken und sie für das Ideal des Sozialismus und des Völkerfriedens gewinnen wird. (Lebhaftes Bravo bei den den Sozialdemokraten.) Von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)[Reichstagsprotokolle]
Da muß man der deutschen Sozialdemokratie wahrlich nichts mehr vom "Kampf für den Frieden" erzählen! Die wissen, wie man für den Frieden kämpft, und auch warum: Steinmeier will endlich dem Ideal des Sozialismus den Weg ebnen! Und dieses Mal wird unser sozialdemokratisch geführter Kampf gegen den russischen Despotismus wirklich im Völkerfrieden münden, da bin ich mir ganz, ganz sicher!

• Im August verhafteten ukrainische Truppen zehn russische Fallschirmspringer, die sich illegal auf ukrainischem Territorium aufgehalten hatten. Russland erklärte daraufhin, die Soldaten hätten sich an einem unmarkierten Grenzabschnitt versehentlich auf ukrainisches Staatsgebiet verirrt. Viel Spott wurde über diese Theorie verirrter Soldaten ausgeschüttet! Aber es gab nicht nur Spott. Bernd Großheim vom ARD-Studio Moskau etwa empörte sich leidenschaftlich und rief "Was für eine Dreistigkeit!" und "Wer soll das alles glauben?" Tja, wer? Vielleicht all die Deppen, die eine rund zwei Wochen später aufgetischte Geschichte von sechs in Polen verirrten amerikanischen Militärhubschraubern glauben sollen? Sechs US-Hubschrauber verirren sich im dichten Nebel auf ihrem Flug durch Polen, landen auf einem Feld und fragen in einem kleinen polnischen Dorf nach dem Weg, wo die Bewohner außer sich waren vor Glück über die vom Himmel geschickten Amerikaner. Die hatten offenbar auch genug Zeit, um vor dem Weiterflug auf Sonnenschein zu warten, denn die Dorfbewohner konnten noch Erinnerungsfotos bei offensichtlich gutem Wetter schießen. Die Bilder der Dorfbewohner haben es dann irgendwie sogar geschafft haben, einige Stunden später über die Agenturen AFP und AP in die Welt hinaus verbreitet zu werden. Also, wer diesen dämlichen Propagandamist von verirrten Soldaten abkauft, der könnte doch auch glauben, daß sich zehn russische Fallschirmspringer in die Ukraine verirren, oder nicht?

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Jahresrückblick (5): Weltmeister des Jahres

Als wenig sportbegeisterter Mensch wäre es mir ja fast unter den Tisch gefallen. Aber eines der wichtigsten Ereignisse des endenden Jahres muß natürlich auch von DWüdW gebührend gewürdigt werden: Deutschland ist Weltmeister!
Im Sommer 2014 holte sich Deutschland zum vierten Mal den Weltmeistertitel! Und das allein dank der Frauen! Zählt man auch noch die Männer hinzu, dann war es schon der 14. Weltmeistertitel für Deutschland, den die Frauenmannschaft in einem spannenden 3:1-Finale nach hause brachte! Wir sind Faustball-Weltmeister! Ach, wenn es doch auch mal in anderen Sportarten so gut laufen würde für Deutschland wie im Faustball! Zum Beispiel in diesem, na, wie heißt das noch gleich… Fußball, ja, genau.

Montag, 22. Dezember 2014

Jahresrückblick (4): Worte des Jahres

Als Peer Steinbrück Angela Merkel 2013 frage, wie sie denn dafür sorgen wolle, daß aus dem bayrischen PKW-Maut-Mist jemals etwas Funktionierendes würde, hatte sie noch eine einfache Antwort:
"Mit mir wird es keine PKW-Maut geben!"
2014 ist Merkel Kanzlerin und die Bayern pfuschen in Berlin munter am Gesetzesentwurf für eine solche Maut herum. 2013 erklärte Andrea Nahles:
"Die SPD will keine große Koalition. Unsere Absage an die große Koalition wird in der Partei breit getragen. Wer SPD wählt, entscheidet sich gegen Frau Merkel und nicht für sie. Alles andere ist eine bösartige Unterstellung. Die SPD will Merkels Kanzlerschaft in drei Monaten beenden. Wir wollen den ganzen Regierungswechsel."
2014 haben wir die große Koalition unter Merkels Kanzlerschaft und Frau Nahles werkelt als sozialdemokratische Arbeitsministerin an der Einschränkung des Streikrechts. Irgendwie macht sich doch der Eindruck breit, öffentliche Aussagen sind nicht einfach nur falsch, sondern bestehen von vornherein aus nichts als Heuchelei, strategische Lügen und interessenorientierten Wahrheiten. Da stellt sich die Frage, welche Aussagen 2014 denn wirklich ehrlich und aufrichtig gemeint gewesen sein könnten! Nach intensiver innerer Rückschau finden sich bei mir nur zwei öffentliche Aussagen, an deren tiefer, uneingeschränkter Aufrichtigkeit ich keinerlei Zweifel hege.
Die erste stammt von meiner Tochter. Die rief im Bus plötzlich laut:
"Papa! Muß Pipi! Schnell!"
Da habe ich keine Sekunde daran gezweifelt, daß sie es wirklich genau so gemeinte, wie sie es sagte!
Die zweite stammt von Uli Hoeneß. Im Januar, kurz vor seinem Prozess wegen Steuerhinterziehung, sagte er vor der Kamera:
"Jeder weiß, daß ich einen Riesenfehler gemacht habe, aber ich glaube nicht, daß ich deswegen ein schlechter Mensch geworden bin."
Und ja, auch da bin ich mir sicher, er meinte das wirklich ganz genau so, wie er es gesagte! Gerechtigkeit beginnt schließlich bei einem selbst! Und da endet sie meist auch.

Muß Pipi, schnell! und Ich glaube nicht, daß ich wegen meiner Fehler ein schlechter Mensch bin als die einzigen unzweifelhaft ehrlich gemeinten Aussagen 2014, das ist gar nicht mal so wenig! Descartes hatte mit seiner Einsicht, niemand könne die eigene Existenz sinnvoll bezweifeln, weniger Zuverlässiges in der Hand. Und es reichte ihm, um eine Theorie der ganzen Welt darauf aufzubauen. Da werden die beiden ehrlichen Sätze des Jahres 2014 doch ausreichen, um einen wenigstens bis ins neue Jahr zu tragen!

Samstag, 20. Dezember 2014

Jahresrückblick (3): Verschwörungstheorie des Jahres

2014 war fraglos das Jahr für Verschwörungstheorien und Verschwörungstheoretiker schlechthin. Es ist ja noch gar nicht so lange her, da wusste man kaum, was eine Verschwörungstheorie überhaupt ist. Verschwörungstheoretiker waren noch ein kleiner, im Verborgenen agierender Haufen mit echtem Geheimwissen. Verraten haben sie sich allenfalls durch erhöhten Alufolienverbrauch. Und 2014 dann sind Verschwörungstheoretiker plötzlich überall! Friedensbewegung oder Pegida, Forennutzer oder Linkspartei, das ganze Internet eigentlich sowieso - alles durchzogen und unterwandert von Verschwörungstheoretikern! Jede Meinung, die - egal in welche Richtung (und egal ob man sie nun selbst schätzt oder zum Kotzen findet) - von der Standardeinstellung abweicht, wird gleich in Richtung Spinnertum abgeschoben. Und das, obwohl sich auf der anderen Seite noch nie so viele Verschwörungstheorien in so kurzer Zeit als wahr herausgestellt haben als in unseren Tagen: Unsere e-mails und Telefonate werden wirklich alle aufgezeichnet, die USA haben wirklich Menschen in Geheimgefängnissen totgefoltert, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt haben wirklich Naziterroristen gedeckt, die Elite des deutschen Journalismus ist wirklich allesamt in amerikanische Lobbynetzwerke eingebunden. Und wenn morgen raus kommt, daß die Erde tatsächlich von menschenähnlichen außerirdischen Reptilien mittels Chemtrails kontrolliert wird, es würden alle nur mit den Schultern zucken: Haben wir doch eigentlich schon immer gewusst!
Wahrscheinlich steckt hinter dem ebenso inflationär wie unpassend wachsenden Verschwörungstheorievorwurf einfach ein Verlust der Kommunikationsfähigkeit. Menschen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in Deutschland verstehen sich einfach nicht mehr. So können es sich Mediennutzer einfach nicht vorstellen, daß eine Mischung aus Sparzwang und Blödheit (im Verhältnis von ca. 1:8) schon ausreicht, damit Medien wieder und wieder und wieder und wieder falsche und manipulative Bilder zum Thema Ukraine veröffentlichen. Sie sehen da gleich eine große NATO-Verschwörung am Werk. Umgekehrt glauben die Onlineredakteure, daß ihre Leserkommentare unmöglich wirklich von ihren Lesern stammen können, sondern bezahlte russische Auftragsarbeit sein müssen. Sie können sich einfach nicht vorstellen, daß ihre Leser ihnen plötzlich zu Tausenden die Artikel nicht mehr glauben und ihnen zu widersprechen anfangen.
Um in diesem ganzen Wust aus angeblichem Rumverschwören eine wirklich schöne Verschwörungstheorie herauszuziehen, bedarf es schon einiger Anstrengung. Aber mir fiel ein literarischer Höhepunkt des Jahres 2014 ein, der mich endgültig in meiner eigenen Lieblingsverschwörungenstheorie festigte. Es war im Februar. Stefan Niggemeier hatte dargelegt, wie der bekennende Homophobiker Matthias "The Exorcist" Matussek einen Fragebogen aus dem Sexualkundeunterricht für die siebte Klasse nicht verstanden hat. Und er mußte auch noch sein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, daß ein Mann, dessen Leseverständnis nicht für die siebte Klasse reicht, es einmal zum Kulturchef des Spiegel gebracht hatte. Das war für sich schon ein lesenswerter Text. Doch dann entschloss sich Matussek, auf diesen Text zu antworten. Und er schuf einen der denkwürdigen Artikel des Jahres 2014, vielleicht sogar der Zehnerjahre: Notwendige letzte Worte.
Da er gegen Vorwurf, den besagten Fragebogen nicht verstanden zu haben, eigentlich nichts erwidern konnte (Er hatte ihn nun mal ganz offensichtlich nicht verstanden), verwob er Beschimpfungen des Herrn Niggemeier von eher simpel ("Sie Trottel") bis originell ("aufgeschwemmter Mausepaul") mit dem Heldenepos seines Lebens: Er kennt die Welt von London bis Rio, er war unter Terroristen und ist Bestsellerautor, er publizierte über alle von Goethe bis Heine, nahm sämtliche Drogen, ist Unterrichtsstoff an Schulen und hatte alle Formen des Sex ausprobiert. Dochdoch, das hat Herr Matussek wirklich alles so geschrieben. Nur um Herrn Niggemeier gleich darauf der Eitelkeit zu bezichtigen.  Und so geht das im Text weiter. Wer es verpasst hat, sollte Notwendige letzte Worte unbedingt noch nachholen! Wer sie gelesen hatte, sollte sich den Text ruhig nach dem dritten Glühwein noch mal in Ruhe hernehmen und sich noch einmal vergewissern: Doch, es gibt Schlimmeres als Weihnachten mit der Familie! Nicht, daß viel abzutrennen gewesen wäre, doch eine solch entschlossene intellektuelle Selbstentmannung wie die des Herrn Matussek wird man nicht oft finden. Da sieht man, wohin der Drogenkonsum am Ende führt! Finger weg, Kinder!
Aber nun zur Verschwörungstheorie. Macht dieser Matussek'sche Text denn nicht irgendwie misstrauisch? Kann sich ein Mensch selbst wirklich derart zum Vollidioten machen? Und ja, der Text scheint von einem narzisstisch gestörtem Borderlinepatienten verfasst worden zu sein, der sich sein Hirn schon vor Jahren mit Brennspiritus weggesoffen hat. Aber ist dieses Werk auf der anderen Seite nicht auch erstaunlich gut geschrieben? Es ist ein Text, in dem die Begriffe "Goethe", "Lemuren", "verdinglichte Sexualität" und "Gulag" ganz zwanglos ein gemeinsames Heim finden, ein Text, dessen Rhythmus man beim Lesen geradezu körperlich spürt! Die Erklärung kann eigentlich nur eine ganz andere sein: Matthias Matussek existiert als Person gar nicht! Diese Person ist das längste und brillanteste Projekt einer deutschen Satireredaktion, erdacht von Martin Sonneborn. Sie ist der ultimative experimentelle Beweis, daß man in Deutschland ein ganzes erfolgreiches Leben führen kann, Zeitungen vollschreiben und seine Bücher wehrlosen Päpsten persönlich in die Hände drücken, auch wenn man es konsequent vermeidet, jemals auch nur zwei Sätze so aneinander zu reihen, daß sich ein Sinn ergibt. "Sinn" im allerweitesten Wortsinn. Irgendwann wird die Matussek-Verschwörung enthüllt werden müssen. Und es wäre erstaunlich, würde Sonneborn auf dem Weg dorthin nicht austesten, wie weit er gehen kann. Spätestens am Tag, an dem Matussek behauptet, bei Niggemeiers Geburt schon auf dem Mond gestanden zu haben, werdet Ihr Euch meiner Worte erinnern!

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Jahresrückblick (2): Gewinner des Jahres

Der wahre Gewinner des Jahres 2014 kann nur einer sein: Das Philae-Projekt der Europäischen Weltraumagentur ESA! Und das nicht etwa, weil mit Philae der Mensch zum ersten Mal auf einem Kometen gelandet ist. Sicher, das mag eine gewaltige Herausforderung an die Ingenieurwissenschaft gewesen sein. Aber hey, mit genug Ingenieurskunst hätte das eigentlich jeder gekonnt! Philae dagegen hat sehr viel mehr zustande gebracht! Denn was bei der allgemeinen Begeisterung über die Bilder von der Oberfläche des Kometenkerns immer ein bisschen unterging: Von den drei Landesystemen an Bord der Raumsonde haben drei nicht funktioniert! Und mal einfach so ganz ohne Ingenieurskunst auf einem Kometen landen, das muß man erst einmal schaffen! Da sieht man es auch nach, daß es nicht gerade eine Punktlandung geworden ist. Auf jeden Fall war es eine Leistung, zu der es erheblich mehr Glück als Verstand brauchte. Und Verstand war schon nicht wenig im Spiel. Viel Verstand und noch mehr Glück - mehr kann man sich vom Leben doch eigentlich nicht erhoffen! Applaus für den Gewinner des Jahres!

Dienstag, 9. Dezember 2014

Jahresrückblick (1): Versager des Jahres

DWüdW ist ja inzwischen voll im Mainstream angekommen. Das zeigt ich auch daran, daß DWüdW heute eine der widerlichsten Mainstream-Erscheinungen des Dezembers aufgreift - den Jahresrückblick! In loser Folge will DWüdW im Restjahr 2014 die viel zu wenig gewürdigten Leistungen und Fehlleistungen 2014 noch einmal in den Mittelpunkt rücken. Den Anfang macht die Kategorie "Versager des Jahres"!

Erst scheint es schwierig, sich für einen einzelnen Versager bzw. Versagerin des Jahres zu entscheiden. Dann wurde es auf einmal aber ganz leicht - und vielleicht auch ein bisschen überraschend. Versager des Jahres bei DWüdW ist: Gabriele Baumann! (Hier kleinen Applaus einfügen!)
Frau Baumann ist Leiterin des Auslandsbüros Ukraine der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew. Und in dieser Funktion schrieb sie am 26. Februar, zwei Tage nach Janukowitschs Flucht aus der Ukraine, für die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Analyse der Lage im Land. Das Ergebnis, der Länderbericht : "Die Ukraine vor einem Neuanfang" liest sich im Ganzen beängstigend romantisch verklärt, etwa wenn Frau Baumann von "einer neuen Generation junger engagierter Ukrainer, die sich die europäischen Werte als Grundlage für ihr Zusammenleben wünschen" schreibt, oder von den Rechtsradikalen, "die sich mittlerweile als charismatische Kämpfer mit Anspruch auf Leitungsposten im neu zu schaffenden Innenministerium in Stellung bringen." Frau Baumann äußert sich auch zu der Lage im Osten der Ukraine und auf der Krim:
"Beunruhigt und desorientiert über die neuesten Entwicklungen ist die Bevölkerung im Gebiet Lugansk an der russischen Grenze, teilweise in Charkow und Donezk. Anfängliche Tendenzen hin zu einer Abspaltung von der Ukraine und einer Hinwendung zu Russland wurden hier künstlich angefacht, versiegten aber auch schnell wieder."
Und heute, knapp zehn Monate, 4317 Tote, 9921 Verwundete [1] und mehr als einer Million Flüchtlinge [2] später, wissen wir: Gar nichts ist schnell wieder versiegt. Aus Beunruhigung und Desorientierung entwickelte in den Gebieten von Lugansk und Donezk ein ausgewachsener Bürgerkrieg.
Und was die Krim angeht:
"Sewastopol wird aufgrund seiner Standortproblematik aber auch zukünftig Zankapfel zwischen der Ukraine und Russland bleiben, eine Abspaltung erscheint jedoch momentan unwahrscheinlich."
Ganze 13 Tage nachdem diese Zeilen geschrieben wurden, rief das Regionalparlament der Krim gemeinsam mit dem Stadtrat von Sewastopol einen unabhängigen Staat, die Republik Krim, aus [3]. Weitere 6 Tage und ein Referendum später richtete diese Republik Krim ein Beitrittsgesuch an die Russische Föderation.
Diese spektakulären Fehleinschätzungen durch das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung für sich genommen rechtfertigen vielleicht noch nicht den Titel des "Versagers des Jahres". Aber dieses Versagen steht für das gesamte Vorgehen der deutschen Politik: Der deutschen Regierung nahestehende politische Beobachter in Kiew kriegen auf einer Zeitskala von Tagen im Voraus nicht mit, was eigentlich gerade läuft. Und trotzdem weiß die Regierung ganz klar, wer die Schuld trägt, was zu tun ist. Und sie läßt jede Kritik an ihrer Politik durch eine inzwischen ganz beachtlichen Riege von meist ehemaligen Politikern und Journalisten an sich abperlen. Frau Baumanns Versagen steht für die ganze naive Ahnungslosigkeit, mit der die deutsche Ukrainepolitik uns 2014 in eine europäische Katastrophe gelenkt hat, deren Ende noch lange nicht abzusehen ist.

Dienstag, 18. November 2014

Auf der medialen Isolierstation

"Putin ist isoliert"
Kai Gniffke, Chefredakteur der Tagesschau [1]

"Russlands Präsident Wladimir Putin war dagegen sichtbar isoliert."
Deutschlandradio Kultur [2]

"Der Kreml-Zar ist isoliert."
Bela Anda, Bild [3]

"Russlands Präsident Putin bleibt auf G20-Gipfel isoliert"
NDR 2 [4]

"Putin blieb auf dem G20-Gipfel in Australien isoliert."
WAZ [5]
Ok, ich hab' die Botschaft verstanden. Dachte ich. Bis ich auf diese miese russische Propaganda reingefallen bin:
Offenbar hatte der isolierte Putin am Rande des G20 in Brisbane doch noch Freunde gefunden!
Putin traf sich mit den Vertretern der übrigen BRICS-Staaten, u.a. um über die Organisation der von ihnen gegenwärtig zu gründenden Entwicklungsbank zu sprechen [6, 7]. Das muß in den deutschen Medien irgendwie untergegangen sein (Wie schon mal gesagt, Kiwi-Streicheln und so…).

Und im übrigen repräsentieren die abgebildeten Staats- und Regierungschefs immerhin 3 Milliarden Menschen - gut dreimal so viele wie "Der Westen". Komisch, daß die übersehen werden können…?
In russischenindischen oder brasilianischen Medien gab es dieses Bild übrigens zu sehen, in den deutschen nicht. Doch! (siehe 1. Kommentar)

Montag, 17. November 2014

Georgia on my mind…

SpOn läßt uns heute an Angela Merkels Sorgen angesichts "Putins Annexionspolitik" teilhaben:
"Merkel warnt vor russischem Einfluß in Moldawien, Serbien und Georgien"
Besonders schön finde ich dabei den folgenden Satz:
"Vor allem ein Satz ließ das Publikum im Saal aufhorchen: 'Und es geht ja nicht nur um die Ukraine. Es geht um Moldawien, es geht um Georgien, wenn es so weiter geht, (...) muss man bei Serbien fragen, muss man bei den Westbalkanstaaten fragen.'"
Denn weshalb muß das Publikum bei diesem Satz aufhorchen? Merkel hat nur einmal gesagt, was längst Realität ist: Der Kampf um Einfluß auf die russischen Nachbarstaaten. Über Moldawien hatte ich schon einmal an anderer Stelle geschrieben, daher nur noch ein paar Anmerkungen zu Georgien.
Besonders schön hat es der Think Tank Center for Strategic and International Studies bereits 2012 formuliert [1]:
"Hence, safeguarding Georgia as an independent and successful democracy is in the interests of the United States as it tries to projects its’ power and values towards Russia’s periphery. Moreover, U.S. needs democratic and economically prosperous Georgia as a narrative of success to serve its long term interests in the region. The more stable and successful Georgia becomes, the more it will encourage bordering countries to expose themselves to Western influence. Consequently, Georgia as a “Beacon of success” subtly embedded in U.S. strategic framework can serve its interests best if it becomes a consolidated democracy and a promoter of American power."
Georgien muß unter den Einfluß US-amerikanischer Macht und Werte gebracht werden, verbunden mit der Hoffnung, daß sich in der Folge weitere Staaten an der russischen Peripherie dem Einfluß der USA öffnen. Und es ist nicht davon auszugehen, daß es sich bei dieser Absicht um die reine Phantasie einer regierungsunabhängigen Einrichtung handelt. Denn am 14. Juli feierten konservative US-Politiker gemeinsam mit den Vertretern der Ukraine, Moldawien und Georgien in Washington die Unterzeichnung der Assoziierungsabkommen dieser Länder mit der Europäischen Union. Mit dabei war auch der CDU-Politiker und MbB Andreas Schockenhoff [2], als der US-Senator Ted Cruz die "Bedeutung der Zusammenarbeit" dieser Länder mit den USA betonte. Schockenhoff gehört heute auch zu den Scharfmachern gegen Russland. Auch die Atlantic Treaty Association (ATA), eine Organisation zur politischen Vorbereitung von NATO-Erweiterungen (Eigentlich hätte ich ja hier für mehr Informationen auf die Wikipedia verlinken wollen, aber aus irgendwelchen Gründen ist der Wikipedia-Artikel zu dieser Organisation nahezu identisch mit deren Selbstdarstellung auf ihrer Website), versucht, Einfluß auf Georgien zu nehmen um es in die NATO zu steuern. Dazu arbeitet die ATA mit dem lokalen Partner Atlantic Council of Georgia zusammen ("Atlantic" in Georgien! :). Der gegenwärtige Präsident der ATA ist übrigens der CDU-Politker Karl Lamers. Und der Atlantic Council of Georgia kooperiert mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und veranstaltet das Deutsch-Georgische Strategieforum [3], das u.a. dem NATO-Beitritt Georgiens förderlich sein soll.
Insofern ist es weder neu noch überraschend, wenn Frau Merkel erklärt, es ginge nicht nur um die Ukraine, sondern auch um Moldawien und Georgien. Schon seit etlichen Jahren arbeiten die USA ganz unverhohlen auf das Vordringen amerikanischer Macht an die Grenzen Russlands hin. Und gerade die CDU kämpft mit ihrer personellen Verflechtung in NATO-Lobbyorganisationen und mit der Konrad-Adenauer-Stiftung dabei in der ersten Reihe mit.
Es bleibt nur zu hoffen, daß Frau Merkel irgendwann mit dem Kiwi-Streicheln aufhört, damit in den Politik-Teilen der Medien wieder ein bisschen Platz wird für eine Politik-Berichterstattung. Denn vielleicht wäre es für den Souverän ja interessant, was seine gewählten Vertreter so alles unternehmen, und vor allem, warum…?

Samstag, 15. November 2014

It's gettin' hot in here…

Der Putin hat es ja auch nicht immer leicht. Ständig ist westlich des Dnepr irgendwo einer sauer:
Handelsblatt, 7.8.2013
Merkur Online, 21.7.2014
Berliner Zeitung, 31.8.2014
Tagesspiegel, 21.3.2014
Und heute dann auch noch das!
SpOn, 15.11.2014

Da fragen sich besorgte Leser jetzt sicher, wird es jetzt langsam ernst? Ist es an der Zeit, Konserven zu bunkern? Müssen wir gar mit einem präventiven Atomkrieg gegen Russland rechnen? Damit dieser Putin endlich versteht, daß wir seine menschenverachtende Aggression nicht länger hinnehmen?

Wie immer zeigt sich, die Wahrheit ist noch viel, viel schlimmer! Der DWüdW-Sektion VI (Auslandsaufklärung - Kategorie Mittelguter Freund) ist es gelungen, einen Agenten als Kiwi getarnt auf Kanzlerin Angela Merkel beim G20-Gipfel in Brisbane anzusetzen. Hier zum Beweis und zur Dokumentation der Opferbereitschaft des namenlosen Agenten (nennen wir ihn Agent "K") ein Bild aus dem Einsatz (Unkenntlichmachung von DWüdW):


Und DWüdW zögert natürlich nicht, die brisanten Abhörprotokolle des Agenten "K" an dieser Stelle zu veröffentlichen - auf daß die Welt wisse, wozu der Westen entschlossen ist!


Freitag, 14. November 2014

DWüdW WISSEN ¡! (2)

Es ist mal wieder an der Zeit für eine neue Ausgabe von DWüdW WISSEN ¡!, dem Infotainment-Format bei DWüdW! Überraschende und faszinierende Wissenshäppchen in der einmaligen Ein-Klick-Klickstrecke - Antipasti für's Hirn: bunt, leicht bekömmlich und garantiert nicht belastend. Denn:
"Wissen macht 'Platsch - platsch - platsch - Ah! Einen Lappen, schnell! Scheiße, verdammt!'"

Heute bei DWüdW WISSEN ¡! die spannende Frage:

Woher kommt eigentlich das Domino-Spiel?

1) Benannt wurde das Domino-Spiel nach dem berühmten "Domino-Effekt"!
Entdeckt wurde dieser Effekt, als der Dominikaner Segafredo Domíno den Ausbruch des Ersten Weltkriegs studierte: Österreich greift Serbien an - Russland greift Österreich an - Deutschland greift Russland an - Frankreich greift Deutschland an - Deutschland greift Belgien an - England greift Deutschland an. DWüdW findet: Krass!

2) Das Domino-Spiel verdanken wir der Atomforschung!
Nach der Entdeckung der Uranspaltung wollte Otto Hahn eine Untersuchung möglicher Kettenreaktionen durchführen und beantragte Elitenförderung im Rahmen der 3. Reichsdeutschen Exzellenzinitiative von 1939. Der Forschungsantrag wurde allerdings abgelehnt, offiziell aufgrund mangelnder gesellschaftlicher Relevanz ("Wozu soll das denn gut sein? Anstatt Atome zu spalten, sollten die Wissenschaftler sich lieber mit Dingen beschäftigen, die auch Bedeutung für das Leben der Menschen haben! Schnellere Dampflokomotiven, zum Beispiel!"). Der wahre Grund für die Ablehnung dürfte jedoch ein ganz anderer gewesen sein: In seinem Antragstext verwendete Hahn zweimal das Wort "problems" anstatt "challenges" - ein klares Indiz für mangelnde wissenschaftliche Professionalität! Im Antragstext findet sich jedoch eine bahnbrechende Idee: "Man muß sich die atomare Kettenreaktion so vorstellen, als würde man kleine, flache Holzstückchen hintereinander auf die schmale Seite stellen und eines umstoßen. Dann folgen immer weitere, bis alle gekippt sind." Das Domino-Spiel war geboren!

3) Ein Italiener prägte das Spiel!
Bei seinen abendlichen Domino-Partien mit Freunden vor dem Haus bemerkte der Genueser Umberto Bellucci, daß er schon ab dem dritten Grappa Probleme damit hatte, die Dominosteine sicher aufzubauen - und nicht schon vorzeitig versehentlich alle wieder umzureißen. Für dieses Problem fand er eine ebenso einfache wie geniale Lösung: Anstatt die Steine unsicher auf die schmale Seite zu stellen, legte er sie stabil und sicher auf die flache Seite! Um dem Aufbauen trotzdem einen Anschein von Sinn zu geben, malte er Punkte in verschiedener Zahl auf die Steine. Das Domino-Spiel bekam seine noch heute bekannte Gestalt!

4) James Bond machte Domino in Deutschland bekannt!
Um die James-Bond-typische Exotik zu erzielen, benannte Terrence Young das Bond-Girl im Film "Feuerball" (1965) Domino! Was die Wenigsten wissen: Nachdem er die Welt gerettet, Domino aus den Fängen des fiesen Largo befreit und sie im Mondschein auf einem Karibikstrand gehörig gepimpert hatte, ließ Bond die schwangere Domino eiskalt sitzen! Gezwungen, sich und ihr Balg ganz alleine durchzubringen, wandte sich Domino dem Einzigen zu, daß sie von Mamma gelernt hatte: Pizzabacken! Unter der Namen "Domino's Pizza" gelang es ihr, ein weltweit erfolgreiches Pizza-Liefer-Imperium aufzubauen. DWüdW findet: Eine klassische Erfolgsgeschichte!

5) Stefan Raab scheiterte beim Domino!
Bei einem Brainstorming in Stefan Raabs Produktionsfirma "Brainpool" schlug 1997 der bis dahin und seitdem unbekannte Mitarbeiter Maik Schibulski vor, in einer Halle eine riesige Domino-Umwerf-Aktion zu starten. Stefan Raabs Kommentar: Bauklötze umwerfen als Idee für eine Samstag-Abend-Show? Blöder geht's ja nicht! Wobei... doch! Wenn wir deutsche Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer als Dominosteine verkleidet in einen Wok stellen und vom Zehn-Meter-Brett werfen, wobei sie Basketbälle in Crash-Cars werfen müssen? Das wär's doch! Leider scheiterte Stefan Raabs Show-Konzept an Sicherheitsbedenken der Berufsgenossenschaft. Enttäuscht und unverstanden wendete Maik Schibulski sich von Raab ab, verkaufte seine Idee an Raab's Hasssender RTL - und mit dem Domino-Day kam das Dominospiel in seiner Urform zurück in deutsche Wohnzimmer!

Hinweis: Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit unseren Werbepartnern Segafredo Café, Bellucci Grappa, Domino Pizza Inc. und RTL Deutschland.

Samstag, 8. November 2014

Donezk unter Kontrolle russischer Truppen!

Die russische Invasion der Ukraine geht wieder weiter, das behauptet zumindest die Regierung in Kiew (und die würde uns ja nie anlügen). Und von Bild bis Tagesschau berichteten auch alle davon. Bei SpOn hatte man für den Beitrag sogar ein passendes Archivbild ausgekramt, dieses hier:
Und das macht doch schon neugierig! Was für "Archivbilder" haben die denn von russischen Panzern bei Donezk? Wenn man ein bisschen - nur ein bisschen - nach dem Bild googelt, dann findet man es u.a. auch bei Bild.de. Am 22. August war es dort schon der Beleg für "russische Soldaten und schwere Artillerie 10 km von der Rebellenhochburg Donezk entfernt":
Und das Problem mit dem Bild ist - es klingt so blöd, als könne es gar nicht wahr sein, aber es ist wahr - das Problem ist: Es gibt zwei Donezk. Es gibt die von Separatisten kontrollierte ukrainische Millionenstadt Donezk. Und es gibt die kleine russische Grenzstadt Donezk. In Russland. Wer's nicht glaubt, der guckt bei Google Maps:
Und das Bild der russischer Panzer in der Nähe von Donezk stammt nicht aus der Nähe des ukrainischen Donezk, sondern aus der Nähe des russischen Donezk. Andere Medien behaupten das zumindest, z.B. hier:
Oder hier:
Und der Hinweis auf das russische Donezk ist durchaus glaubwürdig. Denn googelt man mehr als nur ein bisschen, dann findet man dieselbe Pinkelpause russischer Soldaten von einem anderen Fotografen auf eine Speicherkarte gebannt, z.B. bei Polskie Radio, und mit einer genaueren Ortsangabe:
Die Szene soll sich 30 km vor der ukrainischen Grenze, beim russischen Ort Kamensk-Shakhtinsky, dem nächsten größeren Ort hinter dem russischen Donezk, zugetragen haben.

Also russische Soldaten auf russischen Panzern in Russland. Nicht in der Ukraine. Jaja, ich weiß schon. Das ist jetzt wieder einer dieser kleinen, bedauerlichen Fehler, die sich nun mal immer wieder bei der Arbeit auch der besten Redaktionen einschleichen. Keine Propaganda. Schon klar. Nur ein weiterer dummer Fehler in einer endlosen Kette von bedauerlichen Einzelfällen. Aber man hätte ja eigentlich schon langsam mal aus der Kritik lernen können, wenn man denn wollte? Und vielleicht mal etwas kritischer herangehen an vermeintliche "Beweise" für die unsichtbarste Invasion der Kriegsgeschichte? Aber wenn schon nicht aus Kritik lernen, dann doch vielleicht von Focus Online? Dort weiß man nämlich, daß es mit journalistischem Anspruch und Ethik unvereinbar ist, Bilder russischer Soldaten in Russland einfach mal in die Ukraine zu verlegen. Und um dem journalistischen Anspruch gerecht zu werden, schreibt man einfach mal "Symbolbild" dran. Im Dienst der Propaganda - aber richtig!

Sonntag, 2. November 2014

Gottesbezug vs. Realitätsbezug

Der Pfaffe so:
"Der Kieler Landtag hat sich jüngst für eine Landesverfassung ohne einen solchen Gottesbezug entschieden. Es brauche keinen Verweis auf etwas Höheres, hieß es. […] Ich finde das bedenklich. […] Und hat nicht die Geschichte gezeigt, dass das im Letzten fürchterliche Konsequenzen haben kann: Hitler […]."
Pfarrer Gereon Alter im Wort zum Sonntag vom 1. November

Der Hitler so:
"Allmächtiger Gott, segne dereinst unsere Waffen; sei so gerecht, wie du es immer warst; urteile jetzt, ob wir die Freiheit nun verdienen; Herr, segne unseren Kampf!"
Führer Adolf Hitler in Mein Kampf, Teil 2, Kapitel 13

Samstag, 1. November 2014

Rakete, Rakete!

Ja, ich weiß, es ist nix Neues. Aber das gilt ja für alle Beteiligten, insofern möge man es als leider nun einmal notwendige Ergänzung verstehen.
Im letzten April erklärten uns die Medien, wie bedrohlich die Tests russischer Interkontinentalraketen (mitten im Ukrainekonflikt!) seien. Ein halbes Jahr später geht es wieder in dieselbe Richtung. Deutschlandfunk, Focus Online, oder ganz dezent auch SpOn -
- sie berichten uns wieder von neuen russischen Raketentests in den letzten Tagen und daß (irgendwelche nicht näher genannten) Experten darin eine "Machtdemonstration" sähen. Daher noch mal ein Update der hier im April schon einmal gezeigten Abbildung zur Veranschaulichung der längerfristigen Entwicklung bei den Interkontinentalraketentests. Alle Teststarts russischer Interkontinentalraketen, amerikanischer Interkontinentalraketen, sowie Tests für den amerikanischen Raketenabwehrschirm seit 2011:

(Ach ja, und wenn Russland mit der Topol-M sein "Erstschlagsarsenal" testet, dann haben die USA mit den Tests ihrer Trident II - Raketen in diesem Jahr ihr Erstschlagsarsenal auch schon fünf mal getestet…)


Nachtrag (3.11.):
Ok, hier dieselbe Abbildung noch mal, mit den Anmerkungen aus den Kommentaren berücksichtigt: Die drei Teildiagramme haben die gleichen y-Achsen. Außerdem ist die Anzahl der Starts nicht pro Tag eingetragen, sondern pro 10-Tage-Intervall, um die x-Achse ein bisschen zu entzerren (Wobei die Wahl der Intervalle auch wieder willkürlich ist). Tut sich nicht so wahnsinnig viel…

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Wag the dog - reloaded


Dieser Text ist natürlich hypothetisch und jede Ähnlichkeit mit realen Orten und Ereignissen sicherlich rein zufällig. Aber warum nicht mal ein bisschen hypothetisieren? Nehmen wir mal an, wir wollten die Öffentlichkeit im Bewusstsein einer Gefahr durch den Islamischen Staat halten - damit es auch überzeugend wirkt, wenn der Innenminister und mit ihm die Hauptstadtpresse erklärt, daß die Bedrohungslage auch wirklich so gegeben ist und so. Dazu bräuchte es ein schönes medienwirksames Spektakel, eine richtige Show.
Für eine solche Show braucht's als ersten natürlich eine geeignete Location, am besten ein richtiges Stadion. Es bräuchte eine Stadt an der Grenze zu einem sicheren Land, sagen wir mal, der Türkei. Idealerweise müsste man die Zuschauer auf einer Tribüne unterbringen können, damit sie auch gut sehen. Es bräuchte eine Stadt wie, sagen wir mal, Kobanê! Die perfekte Wahl! Direkt an der türkischen Grenze und mit Anhöhen auf der türkischen Seite, von denen aus man das Stadtgebiet super überblicken kann!
Einen besseren Ort kann man sich für eine IS-Show doch gar nicht wünschen! Klar, man muß erst mal Zehntausende Einwohner umsiedeln. Aber Zehntausende für ein Spektakel von Weltrang umsiedeln, das war ja auch schon bei der Fußball-WM in Brasilien kein Problem. Und bei den Millionen Flüchtlingen in Syrien fällt eine Kleinstadt mehr ohnehin nicht auf. Und auch klar, man muß noch ein bisschen Security am Spielfeldrand platzieren, damit nicht am Ende noch Spieler und Zuschauer aneinander geraten. Aber das ist ja kein Problem, die Security stellt die Türkei.
Die Zuschauer können beruhigt ihr Supertele aufbauen und das Spielgeschehen bestens verfolgen. Z.B., wer gerade wo seine Flagge aufzieht, das hat ihnen eine Weile großen Spaß gemacht.
Insgesamt ein praktisches Arrangement, von dem ja auch beide Mannschaften profitieren. Die Kämpfer des IS können sich vor der Weltöffentlichkeit als wilde Desperados inszenieren.

Kommt schon ziemlich geil rüber, oder? Also, wenn man auf sowas steht. Aber die Sympathien sollen ja erst mal der eigenen Seite gelten. Und da können die Unseren ja locker mithalten: Schöne Frauen mit Wummen! Das zeigt, wieviel moderner wir sind. Und außerdem sehen alle, selbst unsere Frauen haben mehr Eier in der Hose als diese Bartfuzis!
Was fehlt ist natürlich noch die ein oder andere gefühlige Hintergrund- und Homestory aus unserer Mannschaft, für die emotionale Bindung der Fans und so. Vielleicht ein Lkw-Fahrer aus dem Saarland:
"15 Jahre lang arbeitete der Kurde Shaqqour als Lkw-Fahrer in Saarlouis. Jetzt kämpft er in seiner Heimatregion in Syrien als Sicherheitschef gegen den IS." [1]
Schön, das schafft einen Anknüpfungspunkt. Oder eine Selbstmordattentäterin. Also, eine von unseren, eine gute Selbstmordattentäterin:
"Die Frau mit dem langen schwarzen Haar und dem offenen Lächeln ist das Gesicht des Widerstands von Kobane geworden. Es ist das Gesicht von Arin Mirkan. Sie hat sich am Sonntag vor den Toren der Stadt neben einer Stellung des "Islamischen Staats" in die Luft gesprengt. Nach Angaben der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die den Kampf gegen den Ansturm der Dschihadisten koordinieren, soll sie angeblich Dutzende IS-Milizionäre getötet haben. […] Nach kurdischen Angaben soll die Attentäterin zwei Kinder zurückgelassen haben." [2]
Perfekt! Aber das reicht alles noch nicht aus. Um die Zuschauer bei der Stange zu halten, braucht's noch ein bisschen Atmosphäre! Maschinengewehrgeknatter in der Ferne ist da zu öde. Maschinengewehre, das sind doch die Vuvuzelas des Schlachtfeldes. Aber jeder weiß, wer so richtig geile Stimmung im Stadion will, der braucht Bengalos! Sicherheitsbedenken hin oder her, wir sind ja nicht beim Frauenfußball! Was die Wahl des Feuerwerks angeht, so müssen wir uns nicht allzu viel Gedanken machen, die Flugzeuge können einfach ein paar Bomben aus dem Lager ins Spielfeld werfen. Für die ästhetische Wirkung sorgen dann schon die Fotografen am Spielfeldrand. Raus kommen dann so Bilder wie dieses:
Und das ist doch nun wirklich hinreißend schön! Diese Farbkontraste von kaltem Blau und warmen Orange! Dieser Kontrast zwischen den strengen Linien der Häuser und dem Chaos des Rauchpilzes! Schöner kann man doch einen Bombenabwurf gar nicht im Bild einfangen! Die einzige Schwierigkeit beim Feuerwerk ist eigentlich, es nicht zu übertreiben. Den Irak militärisch zu zerstören und zu besetzen hat sechs Wochen gedauert. Für einen Pisselstaat wie Grenada hat's damals nicht mal sechs Tage gebraucht. Da muß man schon achtgeben, daß man nicht zu ernsthaft eingreift und die Schlacht um eine einzige Kleinstadt nach nicht mal sechs Stunden schon wieder vorbei ist! Schließlich wollen wir die Story ja über Monate in den Abendnachrichten halten. Gefragt ist Fingerspitzengefühl, um die richtige Balance im Spiel zu wahren!
Was es nun noch braucht, ist einfach ein gutes, ein spannendes, ein abwechslungsreiches Spiel!
"Isamischer Staat in Syrien: Kobane offenbar kurz vor dem Fall" (7.10.
"Kampf um Kobane: Kurden drängen Terrormiliz zurück" (8.10.
"Kampf um Kobane: USA fliegen neue Luftangriffe - Kurden halten die Stadt" (9.10.
"Heftige Gefechte: IS zieht Ring um Kobane immer enger" (12.10.
"Kampf gegen den IS: Kurden melden Erfolge in Kobane"(14.10.
"Kampf um Kobane: Islamischer Staat startet Großoffensive" (23.10.
"Kurden drängen IS-Kämpfer zurück" (25.10.)
U.s.w. u.s.f……. Kann man ja schon gar nicht mehr auflisten, all die Konter und Gegenkonter!
Fouls machen das Spiel noch dramatischer:
"Chemiewaffeneinsatz: IS-Kämpfer sollen Chlorgas verwendet haben" (25.10.)
Und Eigentore auch!
Ein paar Spieler auswechseln kommt beim Fan ebenfalls gut an.
Von unseren Jungs gibt's aber ganz klar die besseren Bilder:

Klasse, was? Coole Typen mit Victory-Zeichen in offenen Wagen! Bejubelt von der Menge auf dem Weg in den Kampf! Das prickelt, das hat Sexappeal! Gut funktionieren tun auch Konvois, das haben wir uns vom Putin abgeguckt:
Allein die Fahrt, eine tägliche Story!
Das ganze Spektakel jetzt noch flankieren mit Hintergrundinfos über die Vereinsmittel des Gegners, seine Flagge, das volle Programm halt!

Hat bislang ja prima geklappt, eine Supershow! Seit anderthalb Monaten trägt die Story vom Kampf um Kobanê schon. Ich bin schon gespannt, wie lange das noch so weiter geht. Und ob es ein Showdown gibt? Oder wird das einfach irgendwie totlaufen? Gewinnen die Guten? Oder werden die Guten vorher selber die Bösen? Finden wir was noch Böseres als den IS? Ich höre lieber auf, bevor die Fantasie vollends mit mir durchgeht! Das kommt ohnehin nur vom vielen Filme gucken. Die falschen Filme, natürlich. Schließlich ist der Gedanke, die Schlacht um Kobanê sei nichts weiter als am Köcheln gehaltenes Futter für die Medien und deren Konsumenten, im Grunde ganz abwegig...

Dienstag, 28. Oktober 2014

Im Wendekreis des Krebses

Es begann wie ein ganz normaler Tag bei Focus Online… Doch dann…

[1]
AHHH!

STOPPT PUTIN JETZT!! EEEEEEELF! 

Ach ne, Moment, das ist vielleicht gar nicht mehr nötig. Denn Focus Online meldet ja ein paar Stunden später:
[2]
"Eine Bestätigung aus Moskau gibt es nicht, aber die Gerüchte häufen sich: Wladimir Putin soll schwer an Krebs erkrankt sein."
Is' wahr?! Die Gerüchte häufen sich?
Vor vier Tagen berichtete jedenfalls die amerikanische Klatsch- und Tratschseite pagesix.com dasselbe:
[3]
"There is an explanation for Vladimir Putin’s hurry to invade Ukraine — it is rumored he has cancer. News outlets from Belarus to Poland have reported for months that the Russian strongman has cancer of the spinal cord."
Endlich wissen wir, deshalb Putin immer noch nicht so richtig aber schon fast in die Ukraine einmarschiert ist: Er hat Rückenmarkkrebs! Das berichten Plapperseiten von Weißrussland bis Polen seit Monaten! (Wobei, Weißrussland und Polen, die liegen doch direkt nebeneinander? Vielleicht eher Weißrussland UND Polen?) Und jetzt auch Focus Online. Wobei - pagesix hat knallharte Insider-Infos:
"But my sources say it’s pancreatic cancer, one of the most lethal forms of the disease."
Bauchspeicheldrüsenkrebs! До свидания, Putin, du Satan! Wobei… Wer weiß. Die polnischen Medien, die von Putins Krebs berichteten, sind z.B. Klatschseiten wie fakt.pl. Da hatte Putin aber keinen Bauchspeicheldrüsenkrebs und keinen Rückenmarkskrebs, sondern einen Hirntumor. Das aber wirklich schon vor Monaten, im März nämlich:
[4]
Als Quelle für die Hirntumor-Meldung wird bei den polnischen Klatschmedien der britische Journalist Edward Lucas angegeben, der hätte das mit dem Hirntumor gesagt. Und tatsächlich hatte der am 3. März gewittert, ein russischer Oligarch hätte ihm gesagt, Putin hätte einen Hirntumor:
[5]
Also, Focus Online sagt, daß pagesix.com sagt, daß Putin Bauchspeicheldrüsenkrebs habe, und keinen Rückenmarkkrebs, weil polnische Klatschseiten sagen, Putin habe einen Hirntumor, weil ein britischer Journalist vor sieben Monaten gesagt habe, ein russischer Oligarch hätte ihm gesagt, daß Putin einen Hirntumor hätte.

Och bitte.

Kann jetzt nicht mal wirklich jemand Putin stoppen? Das ist ja nicht mehr auszuhalten!


PS:
Bild.de war übrigens schneller als Focus Online, und andere machen auch mit beim "Gerüchte häufen"…

Sonntag, 26. Oktober 2014

Soll ich's der Mama sagen?

Daß ihr zweijähriger Sohn das aktuelle Titanic-Cover gesehen hat…


… und sofort begeistert
"Ah, da! MAMA!!"
ausrief?

Freitag, 24. Oktober 2014

Menschen und ihre seltsamen Hobbies...

Dieses Spiel mit den Satellitenbildern, das ich hier vor einiger Zeit begonnen habe, macht mir ja eine gewisse Freude, und ich habe immer mal wieder versucht, die Methoden zu verfeinern. Neulich habe ich ein unverdächtiges Satellitenbild mit umfangreichen Angaben als Test analysiert. Das ist zwar für nichts weiter gut und reine Spielerei, aber die Ergebnisse sind so beeindruckend schön, daß ich es doch mal zur Unterhaltung hier vorzeigen will.
Es geht um dieses Bild aus einer Serie von Aufnahmen von der syrisch-türkischen Grenze bei Kobanê:

Das Bild gab's bei SpOn, eigentlich stammt es aber aus einem Lagebericht der Vereinten Nationen. Und die machen, anders als ai oder der NATO, sorgfältige Angaben zum Bild. Es soll am 6. September 2014 in der Nähe von Kobanê vom Satelliten Worldview 2 aufgenommen worden sein. Die Auflösung soll 50 cm betragen und das Bild in einer UTM 37N Kartenprojektion im Koordinatensystem WGS 1984 dargestellt sein [1]. Das kleine Spiel hier besteht nun in der Lebenszeit vernichtenden Aufgabe, alle diese Angaben unabhängig zu bestätigen.

Zunächst müssen wir den Aufnahmeort bei Google Earth finden. Das ist nicht besonders schwer, denn diese zwei großen Kreise im Bild stellen eine gute Landmarke dar. Man muß nur Kobanê als Ziel bei Google Earth eingeben, dann sieht man sie schon kurz hinter der Grenze auf türkischer Seite.

Jetzt versuchen wir mit derselben Methode wie hier schon mal benutzt, ob man eine Bildverzerrung durch die Aufnahmeperspektive des Satelliten findet. Dazu können wir "Kontrollpunkte" im Bild suchen, d.h. Punkte, die sich im Satellitenbild und auf Google Earth klar identifizieren lassen. Die Google Earth-Aufnahmen sind von 2012 und seitdem hat sich in der Aufnahmegegend eine Menge getan. Daher findet man nicht ganz so viele Punkte, wie man aufgrund der vielen schönen Strukturen im Satellitenbild hoffen würde. Für 10 Kontrollpunkte hat es aber dennoch gereicht. Wir messen die Abstände zwischen allen Kontrollpunkten im Satellitenbild (in Pixeln) und auf der Erdoberfläche (in Metern, mit Google Earth) aus. Zudem bestimmen wir den Winkel zwischen der Verbindungslinie zweier Kontrollpunkte und der Nordrichtung (diesen Winkel nennen wir "Azimut" und messen ihn von Norden (0 Grad) entlang des Horizonts über Osten (90 Grad), Süden (180 Grad), Westen (270 Grad) zurück nach Norden). Teilen wir die Länge der Verbindungslinien am Boden durch die im Bild, dann bekommen wir den Abbildungsmaßstab (in Metern pro Pixel). Diese für die einzelnen Verbindungslinien bestimmten Maßstäbe tragen wir gegen den Azimut der Verbindungslinie (im Bereich von 0 bis 180 Grad) auf. Das sieht dann so aus:
Die Punkte streuen etwas aufgrund der Messungenauigkeit, es gibt aber keine systematische Variation des Maßstabs mit dem Orientierungswinkel der Linie im Bild. D.h., der Abbildungsmaßstab ist entlang aller Richtungen im Bild derselbe. Die rote Linie zeigt ein einfaches Modell für die perspektivische Verzerrung, angepasst an die Meßpunkte. Sie findet auch keine Variation und der mittlere Maßstab ist 0.495 Meter pro Pixel. Das passt gut mit der für das Bild angegebenen "Auflösung" von 50 cm zusammen.
Den selben Maßstab entlang aller Richtungen im Bild erhält man in der Aufnahme dann, wenn sie senkrecht von oben gemacht wurde. Das wurde sie aber offensichtlich nicht: Wenn man sich das Satellitenbild genau ansieht, dann erkennt man etwa die nach Norden weisende Seite des Gebäudes. Die Aufnahme muß also aus leicht nördlicher Richtung, etwas von der Seite aufgenommen worden sein. Daher muß also tatsächlich eine Korrektur der Perspektive, etwa in Form einer Kartenprojektion, für das Bild durchgeführt worden sein.

Ob jetzt tatsächlich die UTM 37N-Projektion, ist eigentlich nicht so spannend, wir wollen diesen Punkt aber trotzdem noch ein bisschen weiter verfolgen. Dazu versuchen wir, die Satellitenaufnahme mit einer Karte der Region (in der UMT 37N) zu überlagern. Denn gelingt dies, dann ist das ein sehr guter Test für die Genauigkeit, mit der die Koordinaten der Kontrollpunkte aus Google Earth abgelesen werden können. Diese Überlagerung machen wir aber nicht mehr per Hand, sondern benutzen eine Geoinformationssoftware, die es leicht macht. In diesem Fall die freie Software QGIS. Wir lesen die Koordinaten der Kontrollpunkte bei Google Earth ab und benutzen den Georeferenzer von QGIS, um die Kontrollpunkte in der Satellitenaufnahme zu markieren und uns die Transformation zwischen Bild und Google-Earth-Koordinaten bestimmen zu lassen. Dann können wir und die Satellitenaufnahme in der Karte darstellen lassen und als Koordinatensystem der Karte WGS 1984 UTM 37N verwenden. Um zu überprüfen, ob die Überlagerung gelungen ist, können wir uns das Straßennetz der Region in die Karte laden. Die Geoinformationen dazu bekommt man leicht und umsonst vom OpenStreetMap-Projekt, z.B. via GeoFabrik. Hier ist eine erstellte Übersichtskarte mit dem eingebetteten Satellitenbild. Die roten Linien sind die Straßen, die blaue Linie ist eine Bahnlinie, die den Grenzverlauf zwischen Syrien und der Türkei markiert:


Hier noch eine Detailabbildung. Man sieht, daß der Straßenverlauf nach OpenStreetView und der im Satellitenbild perfekt übereinstimmen:


Die Georeferenzierung des Satellitenbildes ist also sehr schön gelungen. Die Google Earth-Koordinaten sind also problemlos zur Bildanalyse verwendbar. Zudem ist das Bild in dieser Kartendarstellung, in der WGS 1984 UTM 37N-Projektion, (fast gar) nicht verzerrt. Es gibt also keinen Hinweis, daß die angegebene Kartenprojektion für das Satellitenbild nicht stimmt.

So, und nun, da wir wissen, daß das Bild tatsächlich verzerrungsfrei und korrekt ausgerichtet ist, können wir uns an die spannendere Frage nach dem Ursprungssatelliten machen.
Dazu können wir den Mast am rechten Bildrand, etwas oberhalb der Bildmitte, verwenden. Da sehen wir einen schönen, deutlichen Schatten, der in Richtung Nordwest weist. Alle anderen Schatten im Bild scheinen ganz gut mit der Richtung dieses Schattens übereinzustimmen, daher können wir erst einmal annehmen, daß Bodenunebenheiten beim Schattenwurf keine große Rolle spielen. Da der Schatten dieses Mastes am besten zu Vermessen ist, beschränken wir uns aber (soviel Faulheit muß dann doch sein) auf diesen einen. Im unverzerrten Bild können wir seine Richtung direkt bestimmen: als Azimut bekommt man etwa 335.3 Grad. Die Sonne muß genau gegenüber dem Schatten stehen, damit bekommen wir einen Azimut für die Sonne zum Zeitpunkt der Aufnahme von (335.3 - 180.0) Grad, also 155.3 Grad. Jetzt können wir etwa Horizons benutzen, um uns auszurechnen, um wieviel Uhr am 6. September die Sonne denn bei einem Azimutwinkel von 155.3 Grad stand. Das war um 11:33 (UTC+3). Damit haben wir nun die Aufnahmezeit des Satellitenbildes abgeschätzt. Horizons sagt uns aber nicht nur, wann die Sonne bei 155.3 Grad stand, sondern auch, wie hoch sie dabei über dem Horizont stand, nämlich 57.3 Grad. Nun können wir nicht nur die Orientierung des Schattens abmessen, sondern auch seine Länge. Kennen wir die Länge des Schattens und die Höhe der Sonne, dann kennen wir die tatsächliche Höhe des Masts.
Nun sehen wir nicht nur den Schatten des Masts, sondern auch eine Seite des Masts selber im Bild. Wenn wir die Richtung dieser Projektion des Masts abmessen, dann wissen wir, genau wie beim Schatten, die Richtung, aus dem der Satellit diese Aufnahme gemacht hat. Die Projektion des Masts weist etwa in Richtung 182.7 Grad. Damit stand der Satellit auf der gegenüberliegenden Seite, bei einem Azimut von etwa 2.7 Grad. Wir können auch hier die Länge der Projektion des Mastes abmessen. Kennen wir die projizierte Länge und seine tatsächliche Höhe, dann kennen wir auch die Höhe des Satelliten über dem Horizont zum Zeitpunkt der Aufnahme: 61.8 Grad. Hier noch mal ein Zoombild, um die Messungen zu veranschaulichen:


Wir haben also als Ergebnis der Abschätzungen eine Aufnahmezeit von 11:33 aus einer Blickrichtung von 2.7 Grad (Azimut) und 61.8 Grad (Höhe über dem Horizont). Nun können wir die Satellitendatenbank von Heavens-Above benutzten und nachsehen, ob wir für diese Zeit und diese Blickrichtung einen Treffer für den behaupteten Aufnahmesatelliten, Worldview 2, bekommen. Und tatsächlich, dieser Satellit überflog um diese Zeit herum den Himmel über dem Aufnahmeort. Hier ist die Heavens-Above-Graphik mit dem Pfad des Satelliten über dem Erdboden im Verhältnis zum Aufnahmeort des Satellitenbildes:


Um noch etwas genauer zu sehen, lassen wir uns von Heavens-Above auch noch eine Himmelskarte darstellen mit der Bahn von Worldview 2 am 6. September über den Himmel am Ort des Bildes. Hier ist konventionell Norden oben und Westen rechts. Das Zenit ist in der Mitte, der Horizont ist der Randkreis. In diese Karte tragen wir unsere abgeschätzte Position des Satelliten zum Aufnahmezeitpunkt als roten Kreis mit ein. Das sieht so aus:


Worldview 2 flog am 6. September fast genau durch die geschätzte Aufnahmeposition am Himmel. Und das um 11:36, mit einer Zeitdifferenz von gerade einmal 3 Minuten zu unserem Ergebnis von 11:33!
Diese gute Übereinstimmung ist doch wirklich schön! Worldview 2 kann als Quelle der Satellitenaufnahme bestätigt werden und Zusammenspiel von Kartenmaterial, Google Earth und Satellitendatenbank funktioniert hervorragend. Somit kann man Angaben zu Satellitenaufnahmen durchaus selbst unabhängig überprüfen. Und das Schönste ist, daß es dazu nicht einmal besonderen Aufwands bedarf. Alle verwendeten Programme und Datenbanken sind frei zugänglich!

(Und diese Ergebnisse geben vorherigen Betrachtung hier im Blog noch ein bisschen mehr Gewicht.)

[1] All die Zahlen-Buchstabenkürzel sind nicht weiter wichtig. Der Punkt ist, daß man eine im Raum gekrümmte Oberfläche wie wie Erdoberfläche nicht einfach auf eine flache Karte legen kann. Zum Übertragen der Erdoberfläche braucht es daher immer eine Abbildungsvorschrift, wie ein Punkt auf der Oberfläche in eine Karte übertragen wird, die "Kartenprojektion". Dazu gibt es viele Möglichkeiten, die standardisiert sind. Eine ist die "Universelle Transversale Mercatorprojektion", UMT. Diese Projektion gibt es für verschiedene Zonen der Erde optimiert, und diese Zonen werden durch eine Zahlen-Buchstaben-Kombination angegeben. Eine dieser Zonen ist eben "37N". Zusätzlich zur Projektion braucht es für die Karte noch ein Referenzkoordinatensystem, daß die Oberfläche der nicht perfekt kugelförmigen Erde annähert. Ein Standardreferenzsystem ist das "World Geodetic System 1984", WGS 1984. Daher kommt die kryptisch wirkende Angabe "WGS 1984 UTM 37N". Ist aber im Detail für den Text nicht wirklich wichtig…