Dienstag, 9. Dezember 2014

Jahresrückblick (1): Versager des Jahres

DWüdW ist ja inzwischen voll im Mainstream angekommen. Das zeigt ich auch daran, daß DWüdW heute eine der widerlichsten Mainstream-Erscheinungen des Dezembers aufgreift - den Jahresrückblick! In loser Folge will DWüdW im Restjahr 2014 die viel zu wenig gewürdigten Leistungen und Fehlleistungen 2014 noch einmal in den Mittelpunkt rücken. Den Anfang macht die Kategorie "Versager des Jahres"!

Erst scheint es schwierig, sich für einen einzelnen Versager bzw. Versagerin des Jahres zu entscheiden. Dann wurde es auf einmal aber ganz leicht - und vielleicht auch ein bisschen überraschend. Versager des Jahres bei DWüdW ist: Gabriele Baumann! (Hier kleinen Applaus einfügen!)
Frau Baumann ist Leiterin des Auslandsbüros Ukraine der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew. Und in dieser Funktion schrieb sie am 26. Februar, zwei Tage nach Janukowitschs Flucht aus der Ukraine, für die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Analyse der Lage im Land. Das Ergebnis, der Länderbericht : "Die Ukraine vor einem Neuanfang" liest sich im Ganzen beängstigend romantisch verklärt, etwa wenn Frau Baumann von "einer neuen Generation junger engagierter Ukrainer, die sich die europäischen Werte als Grundlage für ihr Zusammenleben wünschen" schreibt, oder von den Rechtsradikalen, "die sich mittlerweile als charismatische Kämpfer mit Anspruch auf Leitungsposten im neu zu schaffenden Innenministerium in Stellung bringen." Frau Baumann äußert sich auch zu der Lage im Osten der Ukraine und auf der Krim:
"Beunruhigt und desorientiert über die neuesten Entwicklungen ist die Bevölkerung im Gebiet Lugansk an der russischen Grenze, teilweise in Charkow und Donezk. Anfängliche Tendenzen hin zu einer Abspaltung von der Ukraine und einer Hinwendung zu Russland wurden hier künstlich angefacht, versiegten aber auch schnell wieder."
Und heute, knapp zehn Monate, 4317 Tote, 9921 Verwundete [1] und mehr als einer Million Flüchtlinge [2] später, wissen wir: Gar nichts ist schnell wieder versiegt. Aus Beunruhigung und Desorientierung entwickelte in den Gebieten von Lugansk und Donezk ein ausgewachsener Bürgerkrieg.
Und was die Krim angeht:
"Sewastopol wird aufgrund seiner Standortproblematik aber auch zukünftig Zankapfel zwischen der Ukraine und Russland bleiben, eine Abspaltung erscheint jedoch momentan unwahrscheinlich."
Ganze 13 Tage nachdem diese Zeilen geschrieben wurden, rief das Regionalparlament der Krim gemeinsam mit dem Stadtrat von Sewastopol einen unabhängigen Staat, die Republik Krim, aus [3]. Weitere 6 Tage und ein Referendum später richtete diese Republik Krim ein Beitrittsgesuch an die Russische Föderation.
Diese spektakulären Fehleinschätzungen durch das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung für sich genommen rechtfertigen vielleicht noch nicht den Titel des "Versagers des Jahres". Aber dieses Versagen steht für das gesamte Vorgehen der deutschen Politik: Der deutschen Regierung nahestehende politische Beobachter in Kiew kriegen auf einer Zeitskala von Tagen im Voraus nicht mit, was eigentlich gerade läuft. Und trotzdem weiß die Regierung ganz klar, wer die Schuld trägt, was zu tun ist. Und sie läßt jede Kritik an ihrer Politik durch eine inzwischen ganz beachtlichen Riege von meist ehemaligen Politikern und Journalisten an sich abperlen. Frau Baumanns Versagen steht für die ganze naive Ahnungslosigkeit, mit der die deutsche Ukrainepolitik uns 2014 in eine europäische Katastrophe gelenkt hat, deren Ende noch lange nicht abzusehen ist.

1 Kommentar:

  1. Klaus Schmalenbach28. Dezember 2014 um 09:34

    Hat jemand die mail-adresse von Gabriele?
    Es ist mir ein Herzenswunsch, ihr für diese wirklich redlich verdiente Auszeichnung
    meinen Glückwunsch zu übermitteln.

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