"Wladimir Putin schielt auf Transnistrien" (Die Welt, 31.3.2014)
"Putins nächste Beute?" (Focus, 12.4.2014)
"Der Nato-Oberbefehlshaber Philip Breedlove hält einen Einmarsch Russlands in die Südukraine bis nach Transnistrien für möglich." (NZZ, 24.4.2014)
"Moldau und Georgien - zwei Staaten im geopolitischen Visier Moskaus" (SpOn, 24.4.2014)Und anlässlich der plötzlichen Entdeckung des politischen Problems Transnistrien durch die deutschen Medien lohnt es sich, mal einen Blick auf ein Jahrzehnt europäischer Außenpolitik in Transnistrien zu werfen.
Zunächst aber erst einmal ein paar Basisinformationen aus der Wikipedia (das ist schon ok, der Qualitätsjournalismus macht das auch so):
Transnistrien ist ein Landesstreifen zwischen der Ukraine und der Republik Moldau mit einer guten halben Million Einwohner. Offiziell gehört diese Region zu Moldau, tatsächlich war dies aber seit dem Zerfall der Sowjetunion immer nur auf den Landkarten der Fall. Transnistrien besteht seit dem Ende der Sowjetunion auf seine Unabhängigkeit und war nie unter Kontrolle der Regierung von Moldau. Es stellt seit 24 Jahren einen eigenen, allerdings von keinem Land der Welt anerkannten Staat dar, mit eigenen Behörden, Polizei, Währung, etc. Am 17. September 2006 wurde ein Referendum über den Status Transnistriens abgehalten, bei dem sich eine Mehrheit von 97,1% (bei einer Wahlbeteiligung von 79%) für die Unabhängigkeit von Moldau und eine Orientierung nach Russland hin aussprach.
Die Europäische Union wiederum widersetzt sich der Unabhängigkeit Transnistriens und arbeitet stark auf eine Eingliederung Transnistrien in die Republik Moldau hin. Warum sich die Europäische Union darum sorgt, welcher Teil der früheren Sowjetunion Unabhängigkeit erlangen sollte und welcher nicht, lassen wir mal außen vor. Wie stark genau sich die Europäische Union in dieser Frage bei Transnistrien engagiert, das sehen wir uns genauer an.
Und diese Betrachtungen beginnen bei EUBAM, der EU Border Assistance Mission to Moldova and Ukraine. Seit Ende 2005 unterstützt die EU die Grenzüberwachung zwischen der Ukraine und Moldau, etwa durch Entsendung von Zollpersonal und Grenzpolizei, Stichprobenkontrollen, etc. Begründet wurde diese "Unterstützungsmission" mit der Eindämmung von Waffen- und Drogenschmuggel in dieser Region, und im Webauftritt von EUBAM sieht man Bilder von malerischen Landschaften und glücklichen jungen Menschen, die Dank Grenzkontrollen einer sonnigen Zukunft entgegen blicken. Tatsächlich interessiert sich die EU für den illegalen Grenzverkehr ausgerechnet zwischen diesen beiden Nicht-EU-Ländern, weil Transnsitrien gerade entlang der Grenze zwischen der Ukraine und Moldau liegt. Und Transnistrien als kleines Land ist auf den grenzüberschreitenden Handel mit der Ukraine angewiesen. Durch die Eindämmung des "Schmuggels" zwischen Transnistrien und der Ukraine erhofft man sich, Transnistriens Wirtschaft auszuhungern und die Region durch pure Not von ihren Unabhängigkeitsbestrebungen abzubringen. Die übernationale, pro-westliche Denkfabrik International Crisis Group zitiert dazu in der Publikation Moldova's uncertain Future vom August 2006 westliche Diplomaten informell z.B. mit: "EUBAM’s presence on the border means the game is up for Transdniestria." Diese Prophezeiungen haben sich - ganz offenbar - nicht erfüllt. Die EUBAM-Mission ist inzwischen im 9. Jahr, und das Spiel ist für Transnistrien noch immer nicht aus. Das dürfte z.T. daran liegen, daß sich die lange, durch ihre Topographie dem Schmuggel entgegenkommende Grenze in einem ausgesprochen korrupten Umfeld als nicht effektiv überwachbar herausgestellt hat. Allerdings hat EUBAM schnell zu anderen wichtigen und überraschenden Erkenntnissen geführt. Zum Beispiel, daß Waffen- und Drogenschmuggel für Transnistrien, anders als behauptet, keine Rolle gespielt hat - ganz anders als der Schmuggel von tiefgefrorenen Hähnchen. Nein, kein Scherz. Moldova's uncertain Future erklärt:
"EUBAM’s findings suggest that Transdniestria is not the arms and drugs trafficking black hole critics have long contended. It has found no evidence of organised arms smuggling and only minor drug trafficking. What it has discovered is organised smuggling on a massive scale of basic consumer goods and foodstuffs, in particular frozen chicken."Nun ist es schön, daß die EU aufklären helfen konnte, daß sich Transnistrien nicht durch Waffen- und Drogenhandel finanziert, sondern durch das Verschieben von Tiefkühlhähnchen. Um Druck auf die transnistrische Wirtschaft auszuüben, wurde die Mission zur Grenzüberwachung dennoch immer wieder verlängert.
Das die Störung von Ein- und Ausfuhr in Transnistrien alleine nicht ausreicht, um eine Anbindung an Moldau zu erreichten, bemerkte man bei der Konrad-Adenauer-Stiftung schon 2007. Thomas Kunze und Henri Bohnet schlugen daher in der KAS-Auslandsinformation 1/07 im Artikel Zwischen Europa und Russland vor:
"Um das Interesse führender Wirtschaftskräfte Transnistriens an einer engeren Zusammenarbeit zu wecken, müssten neben Gewinnaussichten allerdings auch Garantien zum Besitzerhalt der Unternehmen gegeben werden, denn ähnlich wie in anderen post-kommunistischen Staaten verlief der Prozess der Privatisierung chaotisch, intransparent und nicht immer rechtmäßig. Eine Untersuchung der Privatisierungen und eine erneute Umverteilung würde die Stellung etlicher führender Unternehmen bedrohen."Wir haben also eine europäische Außenpolitik, die sich bemüht, die transnistrische Wirtschaft abzuwürgen. Dazu die Empfehlung, kriminelle Oligarchen mit dem Versprechen von Legalität und Aussichten auf Gewinne dazu zu bewegen, gegen der Willen der Bevölkerung eine Integration Transnisitriens in die Republik Moldau voranzutreiben. Diese Politik offenbart nicht nur ein recht zweifelhaftes Verständnis von Recht und Demokratie, sie scheitert auch auf ganzer Linie: Der wirtschaftliche Druck bindet Transnistrien noch stärker an Russland und dessen wirtschaftliche Unterstützung. Inzwischen bittet Transnistrien offiziell darum, ein Teil Russlands zu werden*.
Und dann erzählen uns deutsche Medien etwas von Putins Machthunger. Ein Glück für die deutschen Außenpolitiker, daß es in deutschen Medien nicht mehr üblich ist, die eigene Politik zu hinterfragen, wenn wenn es nur gegen Putin und Russland geht. Denn wie es Bernd Ulrich in der Zeit formulierte: "es geht um den Konflikt zwischen einem aggressiven Autokraten und den westlichen Demokratien."
Aggressiven westlichen Demokratien, offenbar.
Und wichtig in einer Demokratie ist, daß ihre freien Medien der Bevölkerung darlegen, was die von ihnen gewählten Regierungen eigentlich so tun...
Ausgezeichnet!
AntwortenLöschen"verlief der Prozess der Privatisierung chaotisch, intransparent und nicht immer rechtmäßig."
AntwortenLöschenWieso denk ich an TREUHAND?
Danke!
AntwortenLöschen@Ex-Vermieter:
AntwortenLöschenUi, danke! Diese feine Ironie bei der KAS ist mir vorher gar nicht aufgefallen:
"ähnlich wie in anderen post-kommunistischen Staaten verlief der Prozess der Privatisierung chaotisch, intransparent und nicht immer rechtmäßig."
Da spielen ausgerechnet CDUler doch tatsächlich auf die DDR an?! :D
@Marley Dread:
Immer gerne doch! :)