Montag, 22. Oktober 2012

Hessens Problem mit der Sodomie

Deutschland hat ein neues Problem. Es muß ein ziemlich großes Problem sein, denn höchste staatliche Organe beschäftigen sich damit. Die mediale Aufmerksamkeit ist dabei, von ein paar Einzelfällen (z.B. hier und da) abgesehen, eher gering. Das Problem ist Sex mit Tieren.
Nein nein, keine Sorge, es soll hier nicht um Sex mit Tieren gehen, sondern allein um den politischen Umgang damit. Der ist zwar nicht weniger pervers als die Praktik selber, aber vielleicht auch für den ein oder anderen Nichtperversen interessant. Beginnen wir die Reise in den politischen Wahnsinn an der Spitze.
In einer Stellungnahme zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom Juli 2012 bittet der Deutsche Bundesrat, "im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie ein Verbot der Sodomie im Tierschutzgesetz verankert werden kann." Eine Begründung für diese Bitte liefert der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz. Darin heißt es unter anderem:
"Auch die Tatsache der inzwischen wohl auch in Deutschland aufkommenden 'Tierbordelle' unterstreicht einen bestehenden Regelungsbedarf."
In Deutschland sollen also wohl "Tierbordelle" aufkommen. Und es soll auch Vogelspinnen in Yuccapalmen geben. Beides ist gleich gut belegt. Denn trotz langer Googlesuche konnte ich nicht den allergeringsten konkreten Hinweis auf "Tierbordelle" finden. Immer findet sich nur ein "soll geben" oder ein "gibt es, wie man aus dem Internet weiß". Fast schon grotesk mutet es an, wenn der juristische Sachverständige in seiner Stellungnahme für den Bundestag als Beleg für Gerüchte um "Tierbordelle" auf einen Artikel bei Shortnews.de verweist, der wiederum von nichts anderem berichtet als dem, was der Bundesrat mal so in den Raum gestellt hatte. Nirgends aber findet sich eine Angabe, wer wann wo ein "Tierbordell" tatsächlich gefunden hätte. Kurzum, es gibt nicht den kleinsten Grund anzunehmen, diese "Tierbordelle" seien mehr als nur ein weiterer Internetmythos. Aber es ist ein Internetmythos, der immerhin einem deutschen Verfassungsorgan als Begründung für eine Gesetzesänderung dient, und das ist schon bemerkenswert. So bemerkenswert, daß man sich fragen kann, wo dieser Mythos denn aus den kleinen Exotenforen heraus wanderte und Eingang in die Politik gefunden hat.
Und die Spur führt nach Hessen, genauer zur hessischen Landestierschutzbeauftragten, der Tierärztin Madeleine Martin. Diese ist eine Vorkämpferin für ein Verbot der Unzucht mit Tieren, seit 2008 enthält ihr jährlicher Tätigkeitsbericht einen eigenen Punkt "Sexuelle Handlungen mit Tieren". Demnach wollte sie schon 2008 Hessen zu einer Bundesratsinitiative für ein Sodomieverbot bewegen, allerdings ohne Erfolg. Daher bemühte sie sich nach eigenem Bekunden darum, mehr Öffentlichkeit herzustellen. Und als erste "seriöse" Quelle spricht sie im Jahresbericht 2009, natürlich ohne Beleg, von den "Tierbordellen", die im Internet zu finden seien. In ihrer damals neuen Chefin, der hessischen Umweltministerin Silke Lautenschläger, schien sie eine Mitstreiterin gefunden zu haben. Die Frankfurter Rundschau berichtete 2010 von Lautenschlägers Kampf gegen die Sodomie - das Gerede von den angeblichen Tierbordellen inklusive. In diesem Artikel der Frankfurter Rundschau findet sich auch der faszinierende Satz
"'Fachleute sprechen bereits von einer ,Lifestyle´-Entwicklung auf Kosten der Tiere', schreibt Lautenschläger."
Wo die Ministerin Lautenschläger dies schrieb, lässt sich nicht leicht feststellen, wohl aber, wer diesen Satz wörtlich zweimal schrieb: Die Landestierschutzbeauftragte Martin in ihren Jahresberichten 2009 und 2010.
Es ist wahrscheinlich unnötig zu erwähnen, daß sich die "Fachleute", die von einer "Lifestyle-Entwicklung" sprechen, auch nicht finden lassen. Es wäre auch sehr überraschend, wenn sich irgendein Experte so äußern würde, denn es gibt keinerlei verlässliche Zahlen über die Häufigkeit und Verbreitung von Zoophilie - um von gesicherten Erkenntnissen über die bei Tieren verursachten Schädigungen mal gar nicht erst zu reden. Die einzigen verlässlichen und aktuellen Zahlen, die wenigstens entfernt mit Tiersex zu tun haben, betreffen die Verbreitung von Tierpornographie. Diese ist in Deutschland, anders als sexuelle Handlungen mit Tieren selbst, verboten, gemeinsam mit der Verbreitung von Gewaltpornographie. Seit 2010 enthält die Polizeiliche Kriminalstatistik Angaben über Verstöße gegen das Verbot der Verbreitung von gewalt- und tierpornographischen Schriften (Vor 2010 ist dieses Delikt allerdings nicht einzeln aufgeschlüsselt, sondern nur im allgemeineren Punkt "Verbreitung pornographischer Schriften" enthalten. Es wäre ja mal interessant zu wissen, warum man es ab 2010 doch interessant genug fand, um es einzeln aufzulisten). Und die Zahlen sind, naja, nicht unbedingt beeindruckend: 2009 gab es bundesweit ganze 256 erfasste Fälle von unerlaubter Verbreitung von Gewalt- oder Tierpornographie. Wieviele Fälle davon die Gewalt- und wieviele die Tierpornographie betrafen, läßt sich nicht weiter auflösen. 2010 waren es dann noch 207 Fälle. Und 2011 ganze 86. Die "Lifestyle-Entwicklung" Sodomie scheint sich in der Pornographie auf jeden Fall nicht niederzuschlagen...
Aber das völlige Fehlen von irgendwelchen stützenden Fakten beeindruckt Landestierschutzbeauftragte Martin nicht besonders. Sie greift einfach in die Mottenkiste:
"Der legendäre Kinsey-Bericht, die zu Beginn der 60er Jahre veröffentlichte Untersuchung zu sexuellen Praktiken aus den USA, liefert aber Hinweise. Danach gaben acht Prozent der Bevölkerung an, zoophile Kontakte gehabt zu haben."
Um mal genau zu sein, waren es nicht acht Prozent der Bevölkerung, sondern acht Prozent seiner (nicht repräsentativen) Stichprobe, die dies angaben. Und in Deutschland ist der Kinsey-Reports bereits Mitte der 50er Jahren veröffentlicht worden. Die englischsprachige Originalveröffentlichung erschien in den USA bereits ab 1948. Nun fallen mir spontan eine ganze Reihe triftiger Gründe ein, weshalb man das Sexualverhalten in den USA der 1940er Jahre nicht so ohne Weiteres mit dem in Hessen der 2010er Jahre gleichsetzen kann. Dazwischen liegt schließlich nicht nur ein Ozean, sondern kulturelle Veränderungen, eine sexuelle Revolution, die Erfindung des Internet, AIDS, die Legalisierung von Homosexualität, außerehelichen Geschlechtsverkehrs und der Prostitution, fortschreitende Urbanisierung, und, und, und... Der Landestierschutzbeauftragten Martin aber fällt kein Grund ein:
"Es gibt keinerlei Gründe die vermuten lassen, dass sich in Europa eine andere Situation böte."
Und wer da jetzt vermutet, Teile des hessischen Umweltministeriums würden auf ihrem eigenen kleinen Planeten leben, der hat völlig recht. Denn wie kann man einem geforderten Verbot von sexuellen Kontakten mit Tieren den ultimativen Schub verpassen? Man will es zwar nicht, aber man ahnt es:
"Auch in verschiedenen Staaten Amerikas, wie z. B. Florida wurden 2009 Verbote der Zoophilie erlassen. Hintergrund hierfür waren Fakten, die die Nähe zwischen Pädophilen und Zoophilen erkennen ließen. Dies belegt auch ein Fall aus Hessen vom 18.11.2009. Hier wurde bei einem Pädophilen auch zusätzlich zoophiles Material sichergestellt."
Weil bei einer pädophilen Person aus Hessen am 18.11.2009 auch Tierpornos gefunden wurden, gibt es einen Zusammenhang zwischen Pädophilie und Zoophilie, so daß man aus Tierschutzgründen den sexuellen Kontakt mit Tieren verbieten muß? Offenbar hat sich hier jemand längst in ätherische Spähren verabschiedet, in denen so etwas Schnödes wie die Logik keinerlei Bedeutung mehr hat.
Was bleibt, ist der faszinierende Eindruck, daß eine Tierärztin es geschafft hat, ihre in schwülen hessischen Nächten ausgebrütete kleine Obsession völlig ohne Belege, nur mit einem "soll es geben" und der Referenz "Quelle: Internet", bis in die Berliner Gesetzgebungsprozesse durchzudrücken! Das ist, um es mal positiv zu sehen, doch ein Ansporn für uns kleine Spinner überall in der Welt. Ich persönlich werde nun verstärkt gegen Turnschuhe mit hohen Absätzen kämpfen. Die sind mindestens genauso eklig wie Sodomie, und wer sowas in der Öffentlichkeit trägt, der schreckt auch vor Sex mit Schweinen nicht zurück. Da wird sich doch wohl ein Gesetz finden lassen, in dem die verboten werden können!

15 Kommentare:

  1. Der Bundestag beschließt ja auch Gesetze die sich einzelne Personen wünschen, insofern nicht sooo ungewöhnlich das Ganze.
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jahn-behoerde-bundestag-beschliesst-zwangsversetzung-von-ex-stasi-leuten-a-789474.html
    Aber dabei gabs ja zumindest einen real existierenden Hintergrund ;-)

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    1. Hoffentlich braucht's da für die Versetzung ein bisschen mehr als ein "soll wohl bei der Stasi gewesen sein"!

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  2. Ahh, worüber empören wir uns heute, liebe Hobbyhysteriker und Schaumvordemmundbürger...? Ich glaube, wir hatten damals in der Schule ein Biologiebuch, in dem kopulierende Löwen abgebildet waren - Tierpornos! Für Kinder!!!

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    1. Pfui Deibel! In den von den Sozen regierten Bundesländern kannte man wohl gar keine Tabus! Es freut mich, daß in NRW wenigsten ein paar Menschen zu anständigen Leuten herangewachsen sind!
      :)

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  3. Also, wer Claudia heißt sollte sich besser erstmal keinen Schäferhund anschaffen. Auch werden Tierhalter vorsichtig sein müssen, wie sie in der Öffentlichkeit mit ihren Tieren umgehen. Wer den Hund allzu ausgiebig streichelt oder auf der Wiese mit zu viel Körperkontakt tobt, könnte schon bald von einem wohlmeinenden Sittenwächter angezeigt werden, und dann führe mal den Nachweis, dass das nur harmlose, quasi platonische Körperkontakte ohne sexuellen Hintergrund waren.

    Wenn dann aus dem offenen Küchenfenster ein solcher Monolog zu hören ist: "Komm puss puss, komm zu Papi, jaaaa, so ist es gut. Das ist doch gut, nicht wahr, Musch!" denkt dann niemand, dass da jemand seine Katze füttert, sondern ruft die Polizei, weil da offensichtlich einer Sex mit der Katze hat und vielleicht sogar - man hört ja so vieles - ein privates Tierbordell betreibt. Ich sehe schon die entsprechenden Schlagzeilen der Boulevardpresse vor mir. Das ist die Richtung, in die wir uns bewegen.

    Hessen geht forschen Schrittes voran, und die Hinweise, dass der Kaiser gar nichts an hat, werden beharrlich ignoriert. Demnächst werden dann Befunde von Astrologen, Rutengängern usw. als Beweismittel vor Gericht zugelassen...

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    1. Ja, die praktische Durchsetzung dieses Verbots wird noch so manches interessante Problem aufwerfen. Wollen wir Vertrauenshunde einsetzen, denen Bello sein Herz ausschütten kann? Oder doch lieber eine Meldepflicht für Tierärzte, damit die Katzenpsychologin die Wahrheit ans Licht bringt? Und was ist mit Terzuhälterei? Immerhin wird man die ganzen Kunden der Bordelle ja gar nicht erwischen...?

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    2. Das wird alles einfacher, wenn das Tragen von Google Glasses o.ä. endlich Pflicht ist. Die Dinger machen einfach alle x Sekunden ein Foto, und man kann recht detailliert nachvollziehen, was jeder so getrieben hat. Ein goldenes Zeitalter wird anbrechen, ohne Gewalt und Kriminalität und so. Wir wissen ja: Wer nichts Unrechtes tut, hat nichts zu verbergen und daher auch nichts zu befürchten.

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    3. Die Patentlösung! Nur all die armen Menschen bei der Polizei, die sich die ganzen Bilder ansehen müssen! :)

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    4. Viele Züchter waren stolz auf ihre Kreationen, die der Volksmund -Schosshündchen- nennt. Für was waren diese Phänotypen wohl gemacht? Eine erfolgreiche Verbotspropaganda nähme uns Züchtern die Lebensgrundlage; ich hoffe, dass wir angemessen entschädigt werden!

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    5. @ Thomas: Die Sichtung des Materials können ja Ein-Euro-Jobber und Hartz-4-Schmarotzer machen. Das ist denen intellektuell völlig angemessen und sie haben wenigstens das schöne Gefühl, etwas für ihr Geld getan zu haben und der Gesellschaft ein bisschen zurückgeben zu können. Außerdem füllt das ganze Vorhaben die Auftragsbücher einheimischer High-Tech-Firmen. Win-Win-Win!

      @ Unknown: Nein, diese Züchtungen werden einfach rückwirkend für rechtswidrig erklärt. Die Züchter werden strafrechtlich belangt, die Tiere eingeschläfert.

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    6. Da kann ich gnaddrig nur zustimmen! Es mag ja grausam erscheinen, die Hunde einfach zu töten. Aber solange die Google-Brillen nicht verfügbar sind, gibt es keine Möglichkeit, das Verbot zu überwachen. Jeder könnte weiterhin heimlich mit seinem Hündchen machen, was immer er will! Da ist es besser, Haustiere gleich ganz abzuschaffen. Ist ja ohnehin alles nicht artgerecht. So ein Chihuahua, der will ja seiner Natur nach durch die Pampa rennen und Hirsche jagen, und nicht in deutschen Wohnzimmern das Sofa vollhaaren!

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    7. Ganz genau. Es geht hier um den Schutz der Tiere. Der kann derzeit nur durch Einschläfern gewährleistet werden. Immerhin wird das artgerecht von qualifiziertem Fachpersonal erledigt und nicht von irgendwelchen Hinterzimmermetzgern, die hinterher wer weiß was mit den Kadavern anfangen...

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  4. Warum fordert nicht endlich jemand eine Tierschutz-Gesetzesinitiative für ein Verbot der Aufzucht von Katzen in Einmachgläsern? (Quelle: Internet)

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  5. mail@eisenknurren.com2. November 2012 um 15:03

    Grandioser Artikel.
    Ich als zoophiler habe mich köstliche über die sarkastischen Passagen amüsiert. Meines Erachtens auch die einzig richtige Methode, einer solch absurden Gesetzesänderung zu begegnen.

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