Was Herr Meyer-Guckel kommentieren will, ist die letzten Monat bekannt gegebene Entscheidung der Universität Hamburg, sich als Universität künftig grundsätzlich nicht mehr an Umfragen, insbesondere solchen, die zum Erstellen von Rankings dienen, zu beteiligen. Dieser mutige Schritt "empört" Herrn Meyer-Guckel und sollte seiner Einschätzung nach mindestens zum Ende der Hamburger Universität führen. Die Ursache für diese Einschätzung ist klar, Herr Meyer-Guckel ist stellvertretender Generalsekretär und Mitglied der Geschäftsleitung des "Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft". Dieser Stifterverband ist "ist eine Gemeinschaftsaktion der deutschen Wirtschaft. In ihm haben sich rund 3.000 Unternehmen, Unternehmensverbände, Stiftungen und Privatpersonen zusammengeschlossen, um Wissenschaft, Forschung und Bildung voranzubringen." Die bei Selbstdarstellungen solcher "Gemeinschaftsaktionen" üblichen Sätze voller Worte wie "Dialog", "Exzellenz", "innovativ" etc. pp. lassen wir hier mal weg. Bemerken sollte man aber noch, daß der Stifterverband eine Tochtergesellschaft namens "Wissenschaftsstatistik gGmbH" betreibt:
"Die Kernkompetenz der Wissenschaftsstatistik gGmbH umfasst die Erhebung, Analyse und Interpretation von Daten zum deutschen Innovationssystem sowie zur Zivilgesellschaft." Kurzum, Herr Meyer-Guckel kommt aus dem Herzen der Optimierer- und Evaluiererszene zum Wohle der deutschen Wissenschaft. Da überrascht es nicht, daß die Hamburger Totalverweigerung, in seinem Geschäft mitzuspielen, wenig Begeisterung bei ihm auslöst. Was überrascht, ist sein erbärmliches Scheitern, seine Ablehnung dem Vorgehen der Hamburger Universität gegenüber in auch nur halbwegs rational erscheinende Pseudoargumente zu verpacken. Gehen wir die vier Argumentenattrappen mal durch!
Gleich als Erstes wartet Herr Meyer-Guckel mit einem Argument auf, dessen sich traditionell nur die größten und mutigsten Geister der Menschheit bedient haben: Wo kämen wir denn da hin, wenn das alle machen würden?
"Wo kämen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen hin, wenn sich der Rest der Welt so verhielte?"Womöglich dahin, wo sie vor dem Beginn des Evaluierungswahns in den 90ern waren? Zurück zur miesen Forschung und exzellenzfreien Lehre? Sicher ist nur, daß sich Herr Meyer-Guckel in diesem Fall nach einem neuen Job umsehen müßte.
Wir bleiben grundsätzlich:
"Was für ein befremdliches Selbstverständnis ist es, wenn Einrichtungen, die der Forschung verpflichtet sind, sich einer Erforschung ihrer selbst nicht stellen?"Meyer-Gunkel hält Universitätsrankings für Forschung? Dann glaubt er auch, es tatsächlich mit einem Menü zu tun zu haben, wenn ihm der Bulettenbräter zum Hamburger noch Pommes und Cola serviert?
Das ist aber noch nicht das eigentlich Empörende:
"Was an dem Beschluss der Hamburger Hochschulleitung neben dem Stil empört, ist vor allem der Sachverhalt selbst: dass sich eine öffentlich finanzierte Universität der Forschung entzieht und selbst darüber entscheidet, ob ein Forschungsvorhaben in ihrem Interesse ist."Empörend! Gut, formal räumt das Hochschulrahmengesetz den Universitätsorganen schon eine gewisse Freiheit ein, Schwerpunkte in Forschungsvorhaben zu setzen, aber eben nicht uneingeschränkt:
Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane in Fragen der Forschung sind insoweit zulässig, als sie sich auf die Organisation des Forschungsbetriebes, die Förderung und Abstimmung von Forschungsvorhaben und auf die Bildung von Forschungsschwerpunkten beziehen; sie dürfen die Freiheit im Sinne von Satz 1 nicht beeinträchtigen.
Und was verbirgt sich hinter Satz 1? Eine Hochschulleitung darf ein Forschungsvorhaben nicht umsetzen, wenn irgendeine Umfrage ergeben hat, daß es nicht von Interesse ist? Nicht ganz:
(1) Das Land und die Hochschulen haben sicherzustellen, daß die Mitglieder der Hochschule die durch Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes verbürgten Grundrechte wahrnehmen können.
(2) Die Freiheit der Forschung (Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes) umfaßt insbesondere die Fragestellung, die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung.
Forschungsfreiheit bedeutet, daß jeder Forscher an einer Hochschule letztlich selber entscheiden kann, welcher Fragestellung er sich mit welchen Methoden widmen will. So ganz ohne Evaluierung und Ranking. Ob man beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft diesen skandalösen Zustand gar nicht kennt, oder ob die "Gemeinschaftsaktion der deutschen Wirtschaft" dieses Prinzip in ihrem Ansinnen, die deutsche Wissenschaft voranzubringen, im Geiste schon abgeschafft hat?
Aber wohin führt der Beschluss der Universität Hamburg denn nun am Ende?
"Wo das am Ende hinführt? Ins Abseits. Weg aus einer lebendigen Wissenschaft."Ohne Evaluierung und Ranking keine lebendige Wissenschaft? Ab welchem Jahresgehalt ist man sich eigentlich nicht mehr zu schade, so einen Schwachsinn in die Welt hinauszuposaunen? Und sind jetzt auch die Erfrischungssteine auf der Stadiontoilette Voraussetzung für lebendigen Fußball? Fragen über Fragen.
Wie schön wäre es, wenn möglichst viele Forschungseinrichtungen dem Hamburger Beispiel folgen und aus dem Rankingirrsinn aussteigen würden. Aber das wird wohl nicht passieren, denn ein fünftes, unangreifbares Argument hat Herr Meyer-Guckel dann doch noch:
"Der Beschluss des Präsidiums ist wohl vor allem ein Eingeständnis von Schwäche."Wenn jemand bei diesem Spiel nicht mehr mitspielen will, dann doch wohl nur, weil er weiß, daß er zum Gewinnen nicht gut genug ist. Wer will das schon auf sich sitzen lassen? Schließlich macht ja auch jeder angetrunkene Sechzehnjährige jeden Quatsch, wenn man nur behauptet, er würde es nicht können. Man kann beeindruckt sein von der Reife der wissenschaftlichen Institutionen...
Über diesen Artikel von Herrn Meyer-Guckel bin ich auch gestolpert. Diese lodernde Empörung über die Hamburger Uni passt einfach nicht. Schon gar nicht, wenn sie argumentativ derart in der Luft hängt.
AntwortenLöschenMan kann ja durchaus der Meinung sein, Hochschulrankings seien sinnvoll und die Hochschulen sollten besser daran teilnehmen. Man kann dabei sicher auch moralisch werden. Aber idealerweise hätte man dafür dann auch wenigstens einen Anflug von stichhaltigen Argumenten, die über die unternehmerischen Interessen des eigenen Arbeitgebers hinausgehen.
Ich wüsste nicht, wie man da moralischen Druck aufbauen könnte. Mit diesen Rankings ist es wie mit den Intelligenztests. Jeder will unbedingt gut dabei abschneiden, aber keiner weiß, was das Ergebnis eigentlich genau aussagen soll. Außer natürlich, daß man bei einem bestimmten Test eben gut abschneidet. Und wenn man merkt, daß der Anfertigung des Tests und seinem Ergebnis allmählich mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung beigemessen wird als den Ergebnissen des realen Lebens, dann liegt die moralische Verantwortung eher darin, sich gegen diesen Trend zu stellen.
LöschenSehe ich auch so. Und der gute Mann hat auch nicht ansatzweise plausibel gemacht, inwiefern diese Rankings (bzw. die ihnen zugrundeliegenden Erhebungen) als wissenschaftliche Forschung gelten können. Sein Hauptargument ist doch: Wir bezahlen die Hochschulen mit unseren Steuergeldern, dann sollen die auch unsere (d.h. meines Arbeitgebers) Fragen beantworten. Und das ist eher mager.
LöschenIch finde die Rankings überflüssig. Wenn ich vorhätte, nochmal zu studieren, würde ich mich ganz bestimmt nicht aufgrund eines solchen Rankings für oder gegen eine bestimmte Hochschule entscheiden. Da gibt es sicher bessere Möglichkeiten, sich zu informieren.
Ich wurde letztes Jahr (damals Erstsemester) auch von meiner FH aufgefordert bei diesen Umfragen mitzumachen, mit dem dezenten Hinweis dass es ja im eigenen Interesse wäre wenn die eigene FH nicht allzu schlecht abschneidet, was ja nicht von der Hand zu weisen ist.
AntwortenLöschenKeine Ahnung, inwieweit sich Leute auf diese Rankings verlassen aber sonderlich viel Sinn sehe ich darin nicht.
Ja, solche Umfragen mit dem Hinweis, daß ein gutes Abschneiden auch im eigenen Interesse wäre, habe ich auch schon erlebt. Sogar einmal in einer Veranstaltung mit ganzen vier Teilnehmern - anonymer geht eine Umfrage nimmer...
LöschenViel schlimmer als Studenten, die bei der Studienplatzwahl nach Rankings schielen, scheint mir aber, daß solche Rankings erheblichen Einfluß auf die Geldvergabe haben. Und daß die Vorgabe inzwischen daher nicht mehr lautet, an einer Hochschule Forschung und Lehre zu verbessern, sondern das Abschneiden in Rankings.
Das erinnert mich irgendwie an die Suchmaschinenoptimierung - die setzt ja auch nicht bei der Qualität des Angebots an, sondern bei der Darstellung. Kann in Maßen sinnvoll sein, eignet sich aber nicht zum alleinseligmachenden Kriterium.
LöschenGenau!
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