Manche Argumente sind so gut und einleuchtend, daß sie gar nicht falsch sein können, egal wie oft die Welt sie widerlegt. Nehmen wir zum Beispiel die Privatisierung von Staatsunternehmen. Es ist völlig klar, daß der Staat ein schlechter Wirtschafter ist, und daß alles besser wird, wenn man ein staatliches Unternehmen nur privatisiert. Da mag es schon sein, daß in den Zügen der Deutschen Bahn jetzt die Klimaanlagen ausfallen und manche Fahrgäste mit schlechter Kondition ins Krankenhaus gebracht werden wollen. Oder daß die schlampige Wartung bei der privatisierten Berliner S-Bahn zu mehr Zugausfällen führt als der Zweite Weltkrieg bei der öffentlich geführten Berliner S-Bahn. Oder daß Achsen brechen. Oder oder. Aber vermutlich ist der Punkt einfach der, daß niemand so genau gesagt hat, für wen alles besser wird nach der Privatisierung. Vieleicht wird es das nicht für die Leute, die den Zug benutzen wollen, aber doch immerhin für diejenigen, die an ihm verdienen wollen. Aber halt - den letzten Satz nehme ich lieber zurück. Denn wenn man andeutet, daß man es nicht für die primäre Aufgabe des öffentlichen Personenverkehrs hält, daß jemand damit Geld verdient, dann gerät man heute ja schon schnell in Kommunismusverdacht. Oder zumindest wird man dem kleinen ewig-gestrigen-Flügel der SPD zugerechnet. Nehmen wir lieber noch andere Beispiele.
So brauchen wir dringend die Wehrpflicht, denn nur die allgemeine Wehrpflicht stellt sicher, daß die Armee in der Gesellschaft eingebunden bleibt und keine Kriege geführt werden, die nicht die Unterstützung der Bevölkerung finden. Da ist es ja gleich sehr schön, daß sichergestellt war, daß die verheerenden Weltkriege mit Wehrpflichtigenarmeen sich der Unterstützung der Bevölkerung sicher wissen konnten! Gar nicht auszudenken, wie die Kriege sonst gewütet hätten. Und auch jetzt wieder führt Deutschland mit seiner Wehrpflichtigenarmee etwas, "das man umgangssprachlich als Krieg bezeichnen könnte". Und dabei bin ich mir gar nicht mal so sicher, wie groß das Verständnis und der Rückhalt in der Bevölkerung denn tatsächlich sind.
Und immer wieder gut für schlagende Argumente sind natürlich auch die Kirchen. So brauchen wir den christlichen Glauben unbedingt, denn nur er begründet letztlich Menschlichkeit und Moral. Gut, angefangen beim Mord an Hypatia über christliche Konquistadoren, die Indianer an ihre Hunde verfütterten bis zum "Gott mit uns" der Soldaten in den Weltkriegen gibt es ziemlich bedrückende Anzeichen für das Versagen von Moral und Menschlichkeit bei Gottes Schäfchen. Aber damit das christliche Moralmonopol widerlegt zu sehen, das ginge natürlich viel zu weit. Vermutlich muß man sich statt dessen einfach mal vorstellen, wie denn erst die Weltgeschichte ohne christliche Nächstenliebe abgelaufen wäre! Mag sein, daß es dann auch nicht mehr Völkermorde gegeben hätte. Aber dann hätte sich gar keiner die Mühe gemacht, die Opfer von mitmenscheninduziertem Ableben schnell noch zu taufen!
Am Ende glaubt der Mensch weniger was er sieht, als das, was er sehen möchte. Da fällt es einem richtig schwer, sich noch über die Homöopathie aufzuregen. Die wirkt zwar auch nicht, aber der Grundgedanke, gleiches mit gleichem zu heilen, und alles sanft zu verdünnen, der kann ja auch nicht unvernünftig sein, oder?
Ach, der Einfluß der Vernunft wird ja gemeinhin völlig überschätzt...
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