Donnerstag, 21. Januar 2010

Warum gerade ich?

In meinen Jugendjahren habe ich ja gelegentlich die Sendung "Herzblatt" geguckt, mit Rudi Carrell. Bis es mir dann zu offensichtlich wurde, daß die vorbreiteten Fragen für den Partnersuchenden nur mit vorbereiteten Texten von den Kandidaten beantwortet wurden. Nie hätte ich geahnt, wie gut man durch diese Fernsehsendung auf das Leben vorbereitet wird! Denn in einem heutigen Vorstellungsgespräch läuft es doch ganz genauso! Zwar wartet statt des Herzblatt-Hubschraubers ein Arbeitsvertrag auf den erfolgreichen Kandidaten, doch die Prozedur, die es über sich ergehen zu lassen gilt, ist genau die selbe. Man bekommt originelle Fragen gestellt nach der Art "Warum wollen sie gerade bei uns arbeiten?", "Wo sehen sie sich in fünf Jahren von heute?", oder auch "Worin sehen sie selber ihre größte Schwäche?". Das letzte, was als Antwort erwartet wird, ist nun die Wahrheit (oder glaubt tatsächlich ein Personaler, irgendwer würde auf die Idee kommen, ehrlich zu antworten?). Also werden auf die Standardfragen die vorbereiteten Antworten dargeboten. Und statt "Ich suche Arbeit und habe mich auf alles beworben, was auch nur halbwegs auf mich paßt", "Da wo ich jetzt auch bin, bloß hoffentlich mir Arbeit", und "Faulheit und Konzentrationsprobleme" bringt man die schönen Antworten aus Bewerbungsratgebern zu Gehör, oder vieleicht hat man sich sogar zumindest eine Variante selber ausgedacht und zurechtgelegt. Das ganze wird noch etwas garniert mit sozialer Verantwortung und irgendwas Internationales, und fertig.
Erst wenn dieses Spiel überstanden ist, sagt der Personalchef irgendwann, wer denn sein Herzblatt ist. Was soll diese ganze Prozedur? Will man den potentiellen Mitarbeiter aussuchen, der am besten auswendig lernen kann, und lügen, ohne rot zu werden? Oder soll doch nur verschleiert werden, daß man letztlich auch keine besseren Kriterien für die Auswahl hat als die Nase des Kandidaten, oder einen Würfel? Na dann: Schon als Kind habe ich davon geträumt, Papierkörbe auszuleeren, und das in der Pharmabranche zu tun, gäbe mir endlich die Möglichkeit, meinen Beitrag zum Wohle der Menschheit zu leisten!

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