Dienstag, 7. August 2012

Marsmenschen in gering qualifizierter Beschäftigung

Nach der erfolgreichen Landung des Marsrovers "Curiosity" kommentiert Patrick Illinger auf der Süddeutschen, bemannte Raumfahrt sei überflüssig: Wo Roboter besser sind als Menschen. Sein Argument ist auf den Punkt gebracht in dem einen Satz "Nichts, aber auch gar nichts, könnten menschliche Sinnesorgane an einem Ort wie der Mars-Oberfläche erkunden, das nicht ein technisch ausgefeilter Roboter wie Curiosity viel besser könnte." Und das ist falsch.
Beeindruckt von der enorm komplexen und ausgefeilten Technik, die in Sonden wie "Curiosity" zu anderen Planeten aufbricht, wird man wohl zu leicht auf eine falsche Fährte gelockt. Man sollte sich in Erinnerung rufen, daß all die komplizierten Instrumente, die mit Raumsonden auf anderen Himmelskörpern abgesetzt werden, eigentlich nur den Plan B der Planetenforschung darstellen. All die Instrumentenpakete werden allein deshalb ausgeschickt, weil man das Untersuchungsobjekt nicht ins Labor auf die Erde holen kann. Dabei kann und wird das Instrumentarium keiner noch so hoch entwickelten Raumsonde jemals auch nur ansatzweise mit den Analysemethoden mithalten können, wie sie irdische Laboratorien bieten - wo es keine Beschränkungen in Größe, Gewicht, Energieversorgung, Stabilität oder Zeit für die entwickelten Gerätschaften gibt. Und da das "nach Hause bringen" von Proben zweifellos eine der zentralen Aufgaben einer bemannten Marsmission wäre, konkurrieren Menschen auf dem Mars schlichtweg nicht mit den Instrumenten unbemannter Missionen. Deren Analysen könnte man am Ende einer menschlichen Marsreise um ein Vielfaches besser auf der Erde durchführen. So paradox es im Angesicht der technisch hoch entwickelten Raumfahrt auch scheinen mag, die Aufgabe von Menschen auf dem Mars wäre es nicht, dort noch kompliziertere Untersuchungen durchzuführen, als es die unbemannten Forschungssonden tun. Sondern ganz im Gegenteil, es ginge gerade um die vermeintlich simplen Angelegenheiten. Dinge, die wie das Schuhezubinden für einen Menschen eine Banalität sind, für einen Roboter aber eine wahre Herausforderung.
Es beginnt bereits mit dem Anschauen einer Landschaft im Zusammenhang, dem Aufsuchen spannender Stellen und dem Aufheben und dem Zerschlagen mit dem Hammer von interessant aussehenden Steinen. Solche Untersuchungen mögen geradezu primitiv erscheinen verglichen mit den detaillierten Analysemethoden von Forschungsinstrumenten. Aber man darf nicht vergessen, daß es gerade diese einfachen Herangehensweisen sind, die auf der Erde über Jahrhunderte entwickelt, die Basis für das wissenschaftliche Erkunden einer neuen Landschaft darstellen. Und die sich kaum mit Maschinen umsetzen läßt. Die menschlichen Forscher auf dem Mars würden ihre Zeit mit solchen - nur beinahe trivialen - Aufgaben wie das Anfertigen von Gesteinsdünnschliffen zur Auswahl der wichtigen Marsproben verbringen, sie würden Instrumente installieren oder simple Löcher in den Boden bohren. Eine einfache Tätigkeit wie diese mag die Voraussetzung sein für die Untersuchung von Ablagerungsfolgen bis hin zum Messen des planetaren Wärmeflusses. Und anders als für Maschinen ist es für Menschen unkompliziert, einen Bohrturm zu verankern oder Teile eines Bohrgestänges aus einem Transportbehälter zu nehmen und zusammenzustecken. Aller Hochtechnologie zum Trotz wird der Mensch gebraucht, um vor Ort nach Augenschein Entscheidungen zu treffen, um zusammenzuschrauben, zu reparieren, zu improvisieren und um den Dreck aus den Instrumenten zu wischen. Will man die Erforschung einer so komplexen Welt wie dem Mars wirklich vorantreiben, dann ist es vielleicht nicht kurzfristig oder mittelfristig, wohl aber langfristig unvermeidlich, menschliches Personal vor Ort einzusetzen.
Nun glaube ich selber nicht, daß die wissenschaftlichen Erkenntnisse alleine die enormen Kosten einer bemannten Marsmission rechtfertigen könnten. Aber wie der Kommentar der Süddeutschen ja richtig feststellt, gibt es neben der wissenschaftlichen Motivation für eine Marsreise ja noch die emotionalen, patriotischen und machtpolitischen Ziele. Und wenn wir ehrlich sind, dann ist der Mensch ja auch nicht auf dem Mond gelandet, ist die 100 Meter nicht unter 10 Sekunden gelaufen, hat nicht den Mount Everest bestiegen, das Taj Mahal und die Kathedrale von Canterbury errichtet, weil es so vernünftig gewesen wäre, dies zu tun. Also, ich selber kann ja in emotionalen, patriotischen und machtpolitischen Anreizen für menschliche Taten per se nichts Schlechtes erkennen...

10 Kommentare:

  1. Ich auch nicht, solange die Finanzierung dann freiwillig erfolgt.
    Wenn man sie hingegen aus zwangsweise erhobenen Mitteln bestreitet, sollte man schon eine rationale Rechtfertigung anbieten können.
    (Noch besser wäre es natürlich, die zwangsweise Erhebung ganz einzustellen, aber ich will realistisch bleiben.)

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    1. Uh, da muß ich der Verlockung einer Grundsatzdebatte widerstehen - denn was ist schon eine rationale Rechtfertigung? ;)
      Klar wäre für ein Mammutprojekt wie eine bemannte Marsmission ein breiter Konsens notwendig. Aber sofern eine demokratische Mehrheit die Ausgaben von Zwangserhebungen (vulgo Steuern) für einen Zweck gutheißt, dann muß sich die Minderheit dieser Entscheidung beugen. Das mag immer wieder für Einzelne schwer zu ertragen sein, aber so funktioniert das Spiel nun mal...

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    2. Dass das Spiel derzeit so funktioniert, kann wohl niemand anzweifeln, der bei Verstand ist, aber ob das eine gute Lösung ist, ist eine andere Frage.
      Sogar die modernen Demokratien folgen sämtlich ihrer Anlage nach eben nicht dem Prinzip, dass Minderheiten sich jeder Entscheidung der Mehrheit beugen müssen, und aus meiner Sicht ist es auch manifest unethisch, jemandem sein Eigentum wegzunehmen, (insbesondere) wenn man damit ein Vorhaben finanzieren will, das nicht vernünftig ist. (Den Begriff "vernünftig" hast du ja selbst benutzt. Ich würde der Grundsatzdebatte also wohl auch ausweichen wollen und dir die Hoheit über deine eigenen Begriffe überlassen. Mein "rational" war als Synonym gedacht.)

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    3. Was die modernen Demokratien angeht, ein klares "Jain"! Ich denke, um zwischen den Extremen der Diktatur der Mehrheit über die Minderheit und zerstörerisch auf die Spitze getriebenem Individualismus zu vermitteln, gibt es eben die ausgesprochen kompliziert ausgeformten Demokratieformen. In denen es gesetzgebende und bestätigende Instanzen gibt, die Gesetzgebungsfreiheit selbst wieder einschränkende Gesetze und Instanzen, die diese wiederum verändern können, sowie (hoffentlich) unabhängige Kontrollinstanzen auf allen Ebenen. Doch wenn alle diese Mittel des Widerspruchs ausgeschöpft sind, dann bleibt der Minderheit nichts weiter, als sich zu fügen oder sanktioniert zu werden. Auch, wenn die Angelegenheit, um die es geht, für unvernünftig gehalten wird.
      Denn zu meiner Frage, was schon eine vernünftige/rationale Begründung ist:
      - Natürlich kann ich Argumente für z.B. eine bemannte Marsmission nennen, die wir beide als völlig vernünftig/rational betrachten würden. Doch ob diese Gründe die zu erwartenden Ausgaben rechtfertigen, darüber könnten wir dennoch uneins sein. Dies ist dann eine subjektive Abwägung, die man letztlich nur der demokratischen Mehrheit (mit all den komplizieren Kontrollmechanismen) überlassen sollte. Das Ziehen von Konsequenzen aus noch so vernünftigen Überlegungen ist ein Schritt, der selbst nicht nur vernünftig ist, sondern in den persönliche Gefühle und Vorlieben einfließen, letztlich sogar Ethik. Und in ethischen Fragen kann man sehr unterschiedlicher Auffassung sein, so wie wir in der Frage, ob es unethisch ist, jemandem sein Eigentum wegzunehmen, oder überhaupt Eigentum zu haben (neinnein, so großer Kommunist bin ich dann doch nicht... ;)
      - Außerdem können Menschen sehr unterschiedliche Dinge für vernünftig halten. Ein Argument, daß dem einen vollkommen vernünftig einleuchtet kann für jemand anderes einfach nur Unsinn sein. Was die Marsmission angeht: Für den einen ist es unvernünftig, viel Geld ohne Aussicht auf Gewinn zu investieren, also keine Mission. Für den anderen ist es unvernünftig, nur auf eigenen materiellen Gewinn ausgerichtet zu sein, und nicht etwas zu wagen, daß sich vielleicht nie oder wenn, dann sehr langfristig auszahlt, also doch auf zum Mars. Natürlich - im Zweifel hat man selber immer den richtigen Standpunkt. Aber wie soll man da auf einen gesellschaftlichen Konsens kommen, wenn nicht durch eine Mehrheitsentscheidung - mit all den Kontrollen, die Demokratien so bieten?

      Solche Schwierigkeiten mit der Vernunft halten mich davon ab, pauschal nach "vernünftigen Gründen" zu rufen. Und wie schon immer, so denke ich auch jetzt, unsere Differenzen kommen nicht daher, daß wir beide Worten andere Bedeutungen geben, sondern daß wir unterschiedliche Konzepte von Wortbedeutungen haben.

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    4. @Thomas: In Bezug auf die Rechtfertigung unserer Demokratien bin ich natürlich nicht deiner Meinung, will das aber auch nicht vertiefen, sondern nur kurz noch einmal klarstellen, worum es mir ging:
      Ich stimme dir zu, dass "vernünftig" gerade bei Entscheidungen wie bemannten Marsmissionen ein sehr dehnbarer Begriff ist. Ich selbst würde mir auch die Entscheidung nicht zutrauen, ob eine solche Mission vernünftig zu rechtfertigen wäre, auch wenn mein Gefühl in Richtung "nein" geht.
      Aber wenn man wie du oben in deinem Beitrag feststellt, dass eine mit Steuergeldern finanzierte Entscheidung nicht vernünftig ist, dann halte ich es auch nach den Maßstäben einer Demokratie wie die USA eine ist für völlig inakzeptabel, im nächsten Schritt zu sagen: Aber irrationale Entscheidungen können ja auch mal ganz schön sein, also raus mit den Milliarden.
      Wenn ich mit Steuergeld hantiere, dann muss ich jede Entscheidung etwas besser rechtfertigen können als mit "Ich fand das halt geil!"
      Ich weiß, dass du das so extrem auch nicht gesagt haben wolltest, fand es aber erwähnenswert, dass ich einen ganz grundsätzlichen Unterschied sehe zwischen dem Ausgeben von Steuergeld und dem von freiwillig hergegebenem. Und das geben die Verfassungen der USA und Deutschlands beispielsweise auch her.

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    5. Naja, das genannte Extrem "Irrational aber voll geil" gibt es in der Praxis nun mal gar nicht. Und zwischen einem hypothetischen
      "Hey, laßt uns doch Milliarden ausgeben, um alle Dächer des Landes mit Butter einzuschmieren!"
      und einem
      "Wissenschaftlich und technologisch werden wir von einer bemannten Marsmission zwar profitieren, aber nicht so sehr, daß es die Ausgaben rechtfertigen würde. Aber wir wollen uns und der Welt beweisen, zu welchen Leistungen wir fähig sind, also tun wir es doch!"
      sehe ich schon noch gewisse - meinetwegen graduelle - Unterschiede auf der Skala zwischen Wahnsinn und mathematischer Logik.
      Aber für beides gilt, man kann es für noch so unglaublich inakzeptabel halten, es bleibt eben nur bei einem "dafür halten". Und wenn die Mehrheit das nun mal doch für akzeptabel hält, dann bleiben nur die Möglichkeiten, so lange zu argumentieren, bis man eine Meinungsänderung bewirkt. Oder die (meiner Meinung nach für solche Zwecke gedachten) Strukturen zu bemühen. Und wenn man der Auffassung ist, das deutsche Grundgesetz würde eine Ausgabe nicht zulassen, dann steht es einem ja frei, das Verfassungsgericht zu bemühen. Doch wenn das am Ende feststellt, daß das Projekt nicht gegen die Verfassung verstößt, naja, dann ist der Fall nun mal erledigt. Man kann noch mit dem Fuß aufstampfen, schreien, daß es trotzdem inakzeptable ist und sich damit trösten, daß plötzlich alle anderen verrückt geworden sind. Aber man muß halt damit leben.

      Aber wir werden uns hier wieder nicht einigen, denn hier stecken wohl große Unterschiede in der Herangehensweise hinter.

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    6. Im Gegenteil: Wir sind uns in allem, was du in diesem Kommentar geschrieben hast, völlig einig.
      Das Recht des Stärkeren ist nicht immer etwas besonders Erfreuliches oder Gutes, aber es ist nun mal das maßgebliche Recht.

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    7. Oooh! Dann unterdrücke ich jetzt ganz fest die Frage danach, wie genau Du das maßgebliche Recht gerne geändert sehen würdest - und trinke lieber einen auf diesen seltenen Moment der Einigkeit! ;)

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  2. Wenn wir den Menschen als eine Intelligenz verstehen welche den eigenen Körper steuert so ist die momentane Situation das ein Roboter sowohl in Intelligenz als auch in den körperlichen Fähigkeiten dem Menschen unterliegt. Schaut man sich allerdings die Fortschritte in der Robotik an so ist es nur eine Frage der Zeit bis die "körperlichen" Fähigkeiten denen des Menschen so nahe sind das eine bemannte Mission zum Mars lediglich emotional/symbolisch Sinn macht.
    Auch werden in dem Artikel leider nicht die Nachteile eines Menschen bei Raummissionen erwähnt.
    - Psychischer Stress
    - Körperliche Schäden durch Strahlung
    - Nahrungsbedarf(Der Roboter braucht hauptsächlich Licht zu Energiegewinnung)

    Allein die Gerätschaften die man mitführen müsste um die Menschen am Leben zu erhalten wäre eine enorme Last.

    Man darf ausserdem nicht vergessen das momentan die Menschen auf der Erde dem Roboter weiterhin sagen was er wo tun soll. Selbst die Menschen auf der ISS bekommen detaillierte Zeitpläne von der Erde zugeschickt.

    Alles in allem vertrete ich die Ansicht das eine bemannte Marsmission nur einen Grund hat: Weil wir es können.
    Aber das ist doch auch schon was! Und ich bin dafür!

    Gruß :-)

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    1. Ja, womöglich sind Roboter, die in ihren Fähigkeiten zum autonomen Handeln und Kooperieren mit Menschen mithalten können, eine Frage der Zeit. Allerdings sehe ich die auch noch in einer fernen Zukunft. Bei der Geschwindigkeit, mit der Robotik und die bemannte Marsmission vorangetrieben werden, würde es mich aber tatsächlich nicht wundern, wenn geeignete Roboter zuerst verfügbar wären...

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