"Gott will, daß ich meinem Sohn die Vorhaut abschneide."
Gut. Ging gar nicht so leicht über die Lippen, oder? Und welcher Leser hat dabei jetzt nicht den Hauch des Absurden in seinem Nacken gespürt? Dabei ich bin mir sicher, dieses Gefühl hängt nur wenig davon ab, ob der Leser Christ, Moslem, Jude oder sonstwas ist. Wenn man sich einen Satz wie diesen bewußt macht, dann springt einen zwangsläufig das mit dem Verstand unbegreifliche Groteske an, wie sie in im Kern jeder Religion steckt. Dieses Gefühl des Absurden der eigenen Haltung ist es wohl, weshalb nicht einmal die vom Beschneidungsurteil betroffenen Muslime und Juden diesen wahren Kern des Beschneidungsrituals gerne in der öffentlichen Diskussion aussprechen. Lieber verteidigen sie sich durch einen diffuseren Verweis auf ihre "jahrtausendealte Tradition" (Kennt man ja schon von Astrologen, Esoterikern und anderen Menschen ohne echte Argumente). Oder sie schieben lieber gleich vorgeblich vernünftige Begründungen vor - Beschneidung befördere die Hygiene, reduziere Gebärmutterhalskrebs oder was auch immer. (Als wenn das eine Rolle spielte. Wenn Muslime und Juden tatsächlich der Ansicht wären, das göttliche Beschneidungsgebot solle der Verbesserung der Sexualhygiene dienen, warum verzichten sie in Deutschland nicht schon längst auf Beschneidungen? Und nehmen ihren Nachwuchs durch ein rituelles erstes Übersteifen eines Kondoms in ihre Mitte auf?). Und diese Absurdität führt zur eigentlichen Gefahr des Kölner Beschneidungsurteils: Das Gericht entschied nicht einfach nur über die Rechtmäßigkeit eines religiösen Brauchs. Es wog dabei auch unweigerlich eine absurde religiöse Begründung gegen die Vernunft ab. Es wog einen Verweis auf völlig unnachvollziehbaren göttlichen Willen gegen das Recht ab, Entscheidungen über andere Menschen zu treffen. Und diese Frage geht weit über die religiösen Riten von Muslimen oder Juden hinaus! Denn der Anspruch, unter Berufung auf nun mal nicht zu ändernde göttliche Wünsche Entscheidungen über das Leben anderer Menschen zu treffen, er ist nicht nur ein kleiner Nebeneffekt praktizierter Religion. Er ist zentral in jeder Religion, das Christentum unbedingt mit eingeschlossen. Das eigentlich Ungeheure am Beschneidungsurteil ist, daß ein Gericht eine Berufung auf göttliche Vorschrift als nicht hinreichend eingestuft hat, einen unumkehrbaren und absurden religiösen Ritus ohne deren Einwilligung an anderen Menschen zu vollziehen. Und diese für religiöse Menschen ungeheuerliche Abwägung zugunsten der Vernunft ist es auch, weshalb nicht nur der Zentralrat der Muslime und der Zentralrat der Juden wie zu erwarten protestiert haben, sondern einträchtig auch die Evangelische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz das Urteil kritisierten. Denn geht man erst einmal davon aus, daß Gottes grotesker Wille als Begründung, anderen Menschen ins Leben hineinzuwirken, unzureichend ist, selbst in einer religiös so zentralen Frage wie der der Beschneidung, dann drängen sich weitere Fragen doch geradezu auf: Weshalb dürfen sich die Kirchen in Deutschland eigentlich, anders als andere Arbeitgeber, unter Berufung auf göttliche Vorschrift für die sexuellen Orientierungen oder die Familienverhältnisse ihrer Mitarbeiter interessieren? Weshalb dürfen Vertreter von Institutionen, die sich auf nun mal feststehende göttliche Gebote berufen, in Ethikkommissionen oder -Räten mit entscheiden von Fragen der Medizingesetzgebung bis zur Energiepolitik?Die grundsätzliche Haltung des Beschneidungsurteils, Vernunft im Zweifel vor irrationale religiöse Begründungen zu stellen, bedroht letztlich das gesamte feste Gefüge aus Religion und Staat in Deutschland. Das Urteil droht nicht, Deutschland international zum Komikerstaat zu machen, sondern es aufklärerisch weit voraus zu katapultieren. Und alleine deshalb wird es schon keinen Bestand haben.
Ein Wermutstropfen freilich bleibt noch. Es ist schmerzlich, das ausgerechnet ein zentrales Ritual der Muslime und Juden in Deutschland als Angriffspunkt in dieser Auseinandersetzung zwischen Religion und Vernunft herhalten muß, und nicht etwa die christlichen Kirchen. Es ist bedauerlich für die Muslime und Juden, weil sie einmal mehr den mit anklingenden rechten Parolen ausgesetzt werden. Und es ist bedauerlich für säkular und aufklärerisch gesinnte Menschen. Denn durch den Bezug auf den Islam und das Judentum wird es nur zu leicht, eine berechtigte Kritik an religiösen Sonderprivilegien in Deutschland dadurch abzuwürgen, indem man sie implizit (Hannes Stein in der Welt) oder explizit (Volker Beck in der Zeit) in die dumpfe rechte, antisemitische oder fremdenfeindliche Ecke wegdrückt.
PS: Dämlich Wortspielchen in Titeln zum Thema gehören ja eigentlich auch verboten...!
Es gibt nur ein einziges Menschenrecht: das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Wenn sich ALLE daran halten würden, gäbe es weder Syrien noch die Juden noch die Muslime und der ganze Blödsinn überall auf dieser idiotischen Welt hätte ein Ende..
AntwortenLöschenAber leider werde ich nie eine intelligente Zivilisation erleben, sondern nur diesen jüdisch-christlich-muslimischen Blödsinn überall.. (mit einem IQ weit unter 200).
PS:_ ).
Jeder dumme Mensch, der glaubt, sich auch noch als „Jude“, „Muslim“, etc. outen zu müssen, hat nichts aus “der Geschichte” gelernt (ohne sog. „Juden“ hätte es ja auch keinen Hitler gegeben) => was wir brauchen sind endlich Menschen mit einem IQ über 200, aber keine kotz-dummen „Untermenschen“ und „Herdentiere“ mehr, die glauben es gäbe so etwas wie “unsere Penisse” („unser Volk“, “unser Verein”, “Unsere Nation” etc.)…
Mein Gott, warum studiert niemand mehr Psychologie? In jedem Unterseminar könnt ihr lernen, was für eine bescheuert alte Konstruktion “in-groups”, “Herdentiere”, “Volksgefühle”, “peer-groups” etc. sind.
Es ist wirkllich zum Kotzen, dass ich nie in einer intelligenten Zivilisation werde leben können (IQ > 200).
Geht doch mal endlich in die Schule oder studiert Psychologie!
Und ich wette, dass dieser Kommentar sogar noch gelöscht wird – von eben solchen Idioten. Das Internet ist der meist zensurierte Ort, der keine Abweichung von der politischen Korrektheit toleriert
"Und ich wette, dass dieser Kommentar sogar noch gelöscht wird"
LöschenIch gebe zu, ich stand kurz davor. Insbesondere, weil mir eine Logik der Art "ohne sog. „Juden“ hätte es ja auch keinen Hitler gegeben" zuwider ist. Aber ich beschränke mich mal (ohne Psychologiestudium) auf die Feststellung, daß der IQ per Definition auf einen Mittelwert von 100 und eine Standardabweichung von 15 festgelegt wird. Ein IQ von über 200 (und damit immerhin mehr als sechs Standardabweichungen über dem Mittelwert) dürfte daher tatsächlich kaum erreichbar sein.
danke Thomas, du sprichst mir aus der Seele, schon alleine als ich das "mit einem IQ weit unter 200" gelesen hab, musste ich es mir sehr verkneifen mir kräftig vor den Kopf zu schlagen :) solche Menschen kann man doch nicht ernst nehmen
LöschenVolker Beck, der momentan in der Beschneidungsdebatte leider durch große Uninformiertheit glänzt, hatte im Bundestag ausdrücklich gefragt:
AntwortenLöschen"Kommt es Ihnen nicht merkwürdig vor, dass ausgerechnet Deutschland das erste und einzige Land auf dieser Welt sein sollte, wo die Beschneidung von Juden und Muslimen strafbar sein soll?"
Die richtige Antwort darauf ist: Nö, kommt einem nicht merkwürdig vor. Ganz im Gegenteil:
"Das Urteil droht nicht, Deutschland international zum Komikerstaat zu machen, sondern es aufklärerisch weit voraus zu katapultieren."
So ist es.
Wobei ja auch absolut niemand die Beschneidung von Juden und Muslimen strafbar machen will. Die Beschneidung von Jungen soll strafbar sein, und das ist wohl ein kleiner aber wichtiger Unterschied.
LöschenWenn etwa Zeugen Jehovas unter Berufung auf ebenso bizarre "religiöse Gründe" überlebensnotwendige medizinische Maßnahmen an ihrem unmündigen Nachwuchs unterbinden möchten und deswegen das Pflegschaftsgericht einschreiten muss, hat bemerkenswerterweise noch nie eine der genannten Organisationen gegen solch einen, Zitat: "beispiellosen und unerhörten Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften" protestiert oder irgendein religiöser Ober-Hirnchristler darin gar den "schwersten Angriff auf das Leben einer Bevölkerungsgruppe seit dem Holocaust" erblickt.
AntwortenLöschenDie Zeugen Jehovas? Bitte! Wer's nicht auf mindestens tausend Jahre Tradition bringt, der muß sich auf seine Primitivität auch nichts einbilden! ;)
LöschenAmen!
AntwortenLöschenIch gebe ja gern zu das ich nicht wirklich tiefe Einblicke in das Leben streng religiöser Moslems oder Juden habe. Falls allerdings die Beschneidung von Knaben wirklich ein zentraler Bestandteil der Religionsausübung sein sollte ist da anscheinend nicht so viel los...ich hätte angenommen, dass sich so eine Religionsgemeinschaft durch viele gemeinsame Werte und Aktivitäten auszeichnet und nicht durch die körperliche Beschaffenheit der Mitglieder.
AntwortenLöschenMir scheint dein Ansatz da deutlich logischer. Zumindest zeigt die geschlossene Ablehnung der "ökumenischen" Front das etwas dran sein könnte und man Pfründe schwinden sieht, sollte das Urteil bestand haben.
Auf Twitter las ich "Was ist das für ein Gott, der Jungs mit Vorhaut erschafft, aber diese vom Menschen auf sein Geheiß abschneiden lässt?"
AntwortenLöschenWir hatten in der Familie auch heftigste Diskussionen über dieses Thema. Meine Frau ist Westafrikanerin, hier in Nigeria ist es Usus, die Beschneidung nach der Geburt durchzuführen. "Macht man immer so", ist die Begründung. Manchmal wird noch ein "hygienischer" nachgeschoben. Ein Glück, dass da die andere Tradition der Männerherrschaft sich durchsetzen konnte. Und ich sagte eben "Nein". Die Folgen? Bis dato keine negativen, alles funktioniert, wie es soll. Und die Familie hat sich auch an den Anblick gewöhnt, wenn der Kleine windelfrei durch die Gegend rennt. Trotzdem sind die Schwägerinnen der Tradition treu geblieben und haben ihre Söhne beschnitten. Herdentrieb, würde ich sagen, wenn die Jungs mit anderen zusammen irgendwann mal nackt baden. Oder ihre erste Freundin haben. Medizinischer Sinn? Keiner.
Da gilt der Zitateklassiker: "Auch muss man bedenken, daß kein Vorhaben schwieriger in der Ausführung, unsicherer hinsichtlich seines Erfolges und gefährlicher bei seiner Verwirklichung ist, als eine neue Ordnung einzuführen" (Machiavelli).
LöschenAber wenn der Kleine später mal ein erotisches Alleinstellungsmerkmal hat, dann ist das vielleicht sogar noch von Vorteil! ;)
Bezüglich der Schärfe und Klarheit Ihrer Argumentation bleibt nur hinzufügen: Eins! Setzen!
AntwortenLöschenViele Grüße
Unterzeichner
Kann man sich hier selbst antworten? Ich probiers mal:
LöschenInzwischen hat Frau Schleutheuser-Narrenberger ja alles wieder ins juristische Lot gebracht. Beschneidung schon, aber nur unter fachlicher Aufsicht und Ausführung. Bene!
An einem weiteren Gesetzentwurf zur Wiedereinführung des elterlichen Züchtigungsrechtes an den eigenen Kindern wird noch gearbeitet. Diverse Dominas und die Klitschko-Brüder stehen als Fachleute für die fachgerechte Ausführung bereit.
"Kann man sich hier selbst antworten? "
LöschenKlar, ich rede auch ständig mit mir selbst! ;)
Das mit der fachlichen Aufsicht ist aber auch so eine Sache. Bei Babys unter sechs Monaten reicht da wohl eine "Fachkunde light":
"In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind."
Vielen Dank für den Artickel. Das Beste, was ich zu dem Thema bisher gelesen habe!
AntwortenLöschenWeltweit Schluss mit den rituellen Genitaloperationen an Mädchen oder Jungen!
AntwortenLöschenVon Edward von Roy
Die Fakten beispielsweise zur physiologischen Phimose (Jakob ØSTER (1968); Hiroyuki KAYABA (1996)) sind weithin offenbar immer noch ebenso ungenau bekannt wie die sensorische Bedeutung der Vorhaut, die durchaus Klitoris oder kleinen Labien entspricht mithin das Zentrum des männlichen sexuellen Erregungssystems darstellt (vgl. Sorrells et al.: Fine-touch pressure thresholds in the adult penis).
Die richtigerweisene verbotene weibliche Genitalverstümmelung nach WHO-Klassifikation FGM Typ Ia ist weniger invasiv als die Jungenbeschneidung. Tastkörperchen (Meissner-, Vater-Pacini-, Ruffini-Körperchen, Merkel-Zellen) und bis zu 20000 Nervenenden gehen bei der Zirkumzision für immer verloren, die ihr Äquivalent beim Mädchen nicht in der Klitorisvorhaut haben, sondern in der Klitoris, weshalb die MGM nicht mit FGM Typ Ia gleichzusetzen ist, sondern mit Typ Ib.
Dass die Beschneidung auch Partnerschaft und Ehe negativ beeinträchtigt, zeigt die Untersuchung von Morten Frisch et al. (Male circumcision and sexual function in men and women: a survey-based, cross-sectional study in Denmark).
Auch die geringst invasive Form der weiblichen Genitalverstümmelung ist in bereits vielen Staaten auf der Welt – richtigerweise! – verboten. Jungen dürfen nicht schlechter gestellt sein als Mädchen.
Q u e l l e n
AntwortenLöschenFine-touch pressure thresholds in the adult penis: Sorrells et al.
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1464-410X.2006.06685.x/abstract
Male circumcision and sexual function in men and women: a survey-based, cross-sectional study in Denmark. Morten Frisch, Morten Lindholm, Morten Grønbæk.
http://ije.oxfordjournals.org/content/early/2011/06/13/ije.dyr104.abstract
Innervation: Die dorsale Seite und die lateralen Seiten der Vorhaut werden durch den Nervus dorsalis penis (Penisrückennerv) innerviert. Die ventrale Seite der Vorhaut und des Frenulum werden durch den Nervus perineales (Dammnerv) innerviert. Nervus dorsalis penis und die Nervi perinales sind Äste des Nervus pudendus (Schamnervs), der aus dem zweiten, dritten und vierten Kreuzgeflecht entspringt.
Nervenendigungen. Zahlreiche Arten von spezialisierten Nervenendigungen wurden in der Vorhaut gefunden. Unter ihnen sind: Vater-Pacini-Körperchen (zuständig für die Wahrnehmung von Druckreizen), Ruffini-Körperchen (Mechanorezeptoren), Krause-Körperchen (zuständig für die Wahrnehmung von Vibrationen), freie Nervenendigungen (Schmerzrezeptoren), und – was für das erogene Empfindungsvermögen vielleicht am wichtigsten ist – Meissner-Körperchen, die empfindlich auf leichte Berührungen reagieren.
Zitierweise des englischen Originalartikels:
Scott S. The anatomy and physiology of the human prepuce. In: Denniston GC, Hodges FM, Milos MF, editors.; Male and Female Circumcision. New York: Kluwer/Plenum, 1999; pp. 9-18.
http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/medizinisches-grundwissen/anatomie-und-funktion-der-vorhaut/allgemein/scott.html
Innervation
Die Vorhaut ist reich an spezialisierten Nervenendigungen und spezialisiertem erogenem Gewebe. Diese spezialisierten Nervenendigungen umfassen (Meissner-Körperchen, Vater-Pacini-Körperchen, Ruffini-Körperchen und Merkel-Zellen), die bereits leichteste Berührungs- und Temperaturreize detektieren können.
Im Gegensatz zur Vorhaut besitzt die Glans penis fast ausschließlich nicht-spezialisierte, freie Nervenendigungen (sogenannte Nozizeptoren), die nur grobe Reize wie etwa starken Druck oder hohe Temperatureize detektieren können, die vom Gehirn als Schmerzen wahrgenommenen werden.
Cold und Taylor, welche die Innervation des Präputiums des Penis ausführlich untersuchten, erklärten:
„Die Glans penis ist vorwiegend durch freie Nervenendigungen innerviert und besitzt hauptsächlich nur protopathische Sensibilität. Protopathische Sensibilität bezieht sich auf gröbere, schlecht lokalisierte Empfindungen (einschließlich Schmerz, einige Temperaturempfindungen und bestimmte Wahrnehmungen von mechanischem Kontakt). In der Glans penis sind nur wenig [spezialisierte Nervenendigungen] vorhanden, und diese finden sich hauptsächlich entlang der Eichelkranzes und des Frenulums. Im Gegensatz dazu hat das gefurchte Band der männlichen Vorhaut an der mukokutanen Grenze eine hohe Konzentration an [spezialisierten Nervenendigungen].“
http://flexikon.doccheck.com/de/Pr%C3%A4putium