Vor einiger Zeit habe ich schon mal erläutert, warum ich nicht glaube, daß es einen prinzipiellen Unterschied zwischen religiösen Erkenntnissen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gibt. Jetzt möchte ich noch hinzufügen, warum ich die Behauptung, Gott würde existieren, für genau im gleichen Maße sinnlos halte, wie die Behauptung, er würde nicht existieren.
Tatsächlich ist der Satz Gott existiert so unsinnig wie der Satz Pumuckl existiert. Das diese Sätze gemeinhin nicht als unsinnig empfunden werden, liegt nur daran, daß der Mensch, falls nötig, im Geiste etwas hinzufügt, was im Satz nicht explizit enthalten ist, von dem er aber weiß, das es eigentlich so gemeint ist. Wenn man diesen Zusatz aber mal ausdrücklich erwähnt, dann sieht man, daß es im Falle der Existenzbehauptung Gottes im Gegensatz zum Pumuckl-Satz oder den meisten Existenzaussagen des Lebens, keineswegs klar ist, wie es eigentlich gemeint ist. Aber mal der Reihe nach.
Das ein Satz wie Pumuckl existiert problematisch ist, das ist nicht gerade eine neue Erkenntnis. Besonders deutlich werden die Schwierigkeiten, wenn man den Satz verneint: Pumuckl existiert nicht. Denn offensichtlich existiert Pumuckl doch auf eine gewisse Art und Weise, denn von etwas, das nicht existiert, könnte ich nichts sagen. Und von Pumuckl kann ich etwas sagen, und sei es auch nur, daß er nicht existiert. Oder machen wir es noch deutlicher. Der kleine Nachbarssohn glaubt, daß Pumuckl existiert, obwohl Pumuckl gar nicht existiert. Das heißt also: Es gibt etwas, das es nicht gibt, und an das der Nachbarssohn glaubt. Das ist wohl offensichtlich Unsinn. Vorschläge, wie man aus diesem Problem gleichzeitig existierender und nicht existierender Objekte hinaus kommt, gibt es einige. Kurz gefaßt entkommt man diesem Gewirr am schnellsten, indem man annimmt, daß Existenz nicht pauschal behauptet werden kann, sondern nur mit Bezug auf eine Referenzmenge, innerhalb der etwas existieren soll. Für das Pumuckl-Beispiel bedeutet das, der Satz müsste korrekt lauten: Es existiert unter den literarischen Figuren etwas, von dem der Nachbarssohn glaubt, es existiere auch unter den materiellen Objekten, daß aber nicht unter den materiellen Objekten existiert. Damit ist der Widerspruch verschwunden, und man trägt auch der Intuition Rechnung, daß Pumuckl schon auf gewisse Weise existiert, denn schließlich kann man ja problemlos über ihn sprechen, weiß wie es aussieht, und kennt seine Vorlieben und Abneigungen.
Nehmen wir diese Lösung ernst, dann müssen wir genau genommen statt Pumuckl existiert sagen, Pumuckl existiert innerhalb dieser oder jener Referenzmenge. Pumuckl existiert unter den literarischen Figuren ist dann wahr, Pumuckl existiert unter den materiellen Objekten ist dann falsch. Wem dies ungewohnt erscheint, der möge an die Mathematik denken. Den Satz Es gibt nichts, das mit sich selbst multipliziert Zwei ergibt findet man dort nicht. Wohl aber Es gibt keine rationale Zahl, die mit sich selbst multipliziert Zwei ergibt. Wo Genauigkeit ernst genommen wird, findet sich auch die Angabe der Referenzmenge (z.B. die Menge der rationalen Zahlen), innerhalb der eine Existenz oder auch nicht-Existenz behauptet wird.
Diese Angabe der Referenzmenge ist aber gerade das, was im Alltag nicht mit erwähnt wird, denn intuitiv weiß man schon, auf welche Referenzmenge man sich bezieht. Wenn ich behaupte, Pumuckl existiere nicht, dann ist allen klar, daß ich die materiellen Objekte als Referenzmenge meine. Wie ist das aber nun bei Gott?
Wenn jemand behauptet, Gott existiert, oder auch Gott existiert nicht, auf welche Referenzmenge bezieht sich diese Aussage? Zweifellos lassen sich leicht Referenzmengen finden, bei denen diese Sätze mal wahr, mal falsch werden, ohne das irgendwer damit Probleme hätte. Denn das Gott unter den literarischen Figuren existiert, das werden Gläubige nicht abstreiten wollen, taucht der Begriff Gott doch sehr oft in Büchern auf. Und auch der härteste Atheist wird die Wahrheit dieser Existenzbehauptung Gottes nicht bestreiten. Umgekehrt würde kein auch nur annähernd vernünftiger Gläubiger die Wahrheit des Satzes Gott existiert nicht bestreiten, wenn als Referenzmenge die Menge aller raum-zeitlich lokalisierten Objekten angenommen wird. Denn Gläubige behaupten ja nicht, Gott sei zu der und der Zeit an der und der Stelle des Raumes. Gott ist ewig und allgegenwärtig, und kann daher nicht lokalisiert werden wie ein gewöhnlicher Gegenstand. Ja, er alleine hat ja Raum und Zeit erst geschaffen, und muß daher außerhalb dieser Begriffe stehen. Aber, welches ist dann der Referenzbereich, auf den sich die Behauptungen der Existenz Gottes durch Gläubige oder die Behauptung der Nichtexistenz Gottes der Atheisten beziehen?
Es müßte ein Bereich sein, der unabhängig von den raum-zeitlichen Objekten ist, und auch unabhängig von allem, was sich der Mensch denken kann. Welches Kriterium könnte eine solche Menge, innerhalb der Gott dann "wirklich" existieren soll, auszeichenen? Offenbar gibt es keines. Das kommt wohl nicht überraschend, stellte doch schon Thomas von Aquin fest, daß wir Menschen Gott nicht als das erkennen können, was er ist, sondern nur darüber einschränken, was er nicht ist. Aber hilft das weiter? Können wir eine Menge, innerhalb der Gott existieren soll, durch Verneinungen anderer Mengen konstruieren? Auch damit kommt man nicht weiter. Denn die Menge aller Objekte, die nicht raum-zeitlich lokalisiert sind, enthält Gott genauso gut wie Pumuckl und hilft uns nicht weiter. Und die Menge aller Dinge, die nicht im menschlichen Verstand existieren? Die enthält Gott mit Sicherheit nicht, denn Gott existiert, egal ob noch irgendwo anders, auf jeden Fall im menschlichen Verstand. Also kommen wir auch so zu keiner Menge, auf der die Existenzbehauptung Gottes nicht banal wahr oder falsch wäre. Und ohne eine solche Menge ist die Behauptung, Gott existiere, genauso sinnlos, wie die Behauptung, er existiere nicht. Und wer einen der Sätze Gott existiert oder Gott existiert nicht trotz allem noch für wahr hält, der könnte genauso gut eine Äußerung wie Milch der müde hoch für wahr halten. Der einzige Unterschied ist, daß Gott existiert einen grammatisch gültigen Satz darstellt, das andere nicht. Inhaltlich sind sie aber beide bloß sinnlose Aneinanderreihungen von Worten.
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