Sonntag, 30. Dezember 2012

Hegel-Preis für die Mißachtung der Logik 2012

Das Weihnachtsessen ist verdaut, der Silvestersuff hat noch nicht begonnen - es ist wieder Zeit für den Hegel-Preis für die Mißachtung der Logik! Wie jedes Jahr seit 2010 scharwenzelt sich DWüdW mit einem ranschmeißerischen Preis an die großen und mächtigen Denker unserer Zeit heran und zeichnet die beeindruckendste Leistung im Bereich der Mißachtung von Logik, Kausalität oder einfach nur des gesunden Menschenverstands aus. Und was war 2012 hier doch für ein Jahr! 2011, da mußten wir uns ja noch um Nazi-Mörderbanden und EuroBankenSchuldenImmobilienKreditWirtschaftsKrisen-Zeugs kümmern. Ganz anders 2012.
2012, da kümmerten sich Bundesrat und Bundestag um ein Verbot von Sex mit Tieren, wegen des Tierschutzes, in den Tierbordellen. Xavier Naidoo und Kool Savas haben in einem Hidden Track endlich schonungslos das Tabuthema der rituellen Kindsmorde durch satanistische Geheimbünde in der deutschen Elite angesprochen. Und der Focus Online hat sich in ein ganz großes Abenteuer gestürzt und investigativ herausgearbeitet, was eigentlich in Markus Lanz' Kopf vor sich geht. Kurz, im Jahr 2012 hatten wir alle endlich wieder den Sinn frei, um mit all den großen Problemen in unseren eigenen keinen Köpfen aufzuräumen! Und eine solche Situation ist natürlich auch in Sachen Mißachtung der Logik ausgesprochen fruchtbar. So konnte sich das Hegel-Preiskommitee nur schwer entscheiden, welche vier Kandidaten aus einem unheimlich starken Jahrgang nominiert werden und sich somit Hoffnungen auf den Hegel-Preis für die Mißachtung der Logik machen dürfen!
Glücklicherweise liegt die letztliche Entscheidung darüber, wer ausgezeichnet wird, nicht beim Preiskomitee, sondern wie immer beim DWüdW-Leser. Doch hier sind sie erst einmal, die Nominierungen für den Hegel-Preis des Jahres 2012, in chronologischer Reihenfolge:


Kandidat A: Wolfgang Ockenfels, Vorhautkenner
Nach dem klaren Sieg im Jahr 2010 war die römisch-katholische Kirche mit einem guten zweiten Platz im letzten Jahr wohl nicht zufrieden. So hat das Team RKK in diesem Jahr offenbar ihren besten Mann ins Rennen um den Hegel-Preis geschickt -  den Dominikaner, Professor für christliche Sozialwissenschaften, Junge-Freiheit-Autor und geistlicher Berater des Bunds katholischer Unternehmer, Herrn Professor Dr. Wolfgang Ockenfels OP! Und in seinem Wettbewerbsbeitrag, einem Kommentar für kath.net zum Thema religiös motivierte Knabenbeschneidungen, mißachtet Herr Ockenfels nicht einfach nur die Logik, nein. Er liefert vielmehr ein fulminantes Gesamtkunstwerk an Schändungen des menschlichen Verstands ab! Angefangen von Wortspielen, die einem Fünfjährigen peinlich wären ("wir betreten etwas betreten die ehrwürdige Aura des Rechtsstaats", "die Beschneidung von ganz jungen Jungen") über faszinierende Einblicke in die Welt der modernen Intimchirurgie ("Irreversibel ist dieser Akt [der Beschneidung] keineswegs. Eine Vorhaut lässt sich heute ebenso leicht nachträglich implantieren wie man ein Glaubensbekenntnis wechseln kann.") bis hin zum ganz großen Gesamtbild ("Wen wundert es da [d.h. angesichts eines Beschneidungsverbots] noch, wenn Polygamie, Inzest und „Homo-Ehe“ in den öffentlichen Raum vordringen und christliche Lebensformen verdrängen?") ist alles dabei. Doch hier konzentrieren wir uns auf den logischen Aspekt und nominieren Herrn Ockenfels für eine Leistung, die Rechtsphilosophen dereinst als "logische Dekonstruktion des kindlichen Selbstbestimmungsrechts" feiern werden. Und dazu braucht es nur zwei Schritte: Kinder können sich ihre Eltern nicht aussuchen, also müssen sie halt damit leben, wenn diese ihnen etwas abschneiden wollen. Oder in Wortlaut:
"Konstruiert wird ein Selbstbestimmungsrecht von Kindern, die bisher, seit Bestehen der Menschheit, nie gefragt worden sind, welche Eltern sie denn gerne hätten, in welcher Muttersprache, Kultur, Religion etc. sie am liebsten aufwachsen würden. Diesem Skandal kindlicher Unmündigkeit will nun ein Landgericht endlich ein Ende bereiten."

Und da sich ja auch kein Kind seinen eigenen Körper vor der Geburt aussuchen konnte, gibt es auch keinen Grund, diesem mehr Verfügungsgewalt über seinen Körper zuzugestehen als, sagen wir mal, einem Priester. Letzterer hat ja schließlich die freie Auswahl. Manchmal sind katholische Pfaffen wirklich beeindruckend durchstrukturiert - und werden hier hochverdient nominiert!


Kandidat B: Thomas Schneider, Schwulenkenner
Für die Protestanten geht in diesem Jahr der Kreisrat im Erzgebirgskreis, "Christdemokrat für das Leben" und "Evangelist" der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen, Herr Thomas Schneider, ins Rennen um den Hegel-Preis! Wobei die Nominierung hier vielleicht nicht ganz fair ist, schließlich läßt sich im Denken des Herrn Schneider eine gewisse Konsequenz nicht von der Hand weisen. Er hält es mit der Bibel einfach sehr, wirklich sehr wörtlich: "Da die Schrift vollständig und wörtlich von Gott gegeben wurde, ist sie in allem, was sie lehrt, ohne Irrtum oder Fehler." Und wenn man sieht, daß die Schrift doch einen Fehler enthält, dann sieht man eben nicht richtig. Daraus ergeben sich erstaunliche Folgerungen:
"Den Autoren [der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus] mangelt es offensichtlich an Wissen und Erkenntnis, sonst wüssten sie, dass
1. die Diskriminierung von homosexuellen Menschen mit dem Evangelium von Jesus Christus niemals begründbar ist und
2. homosexuelle Partnerschaften Gottes Willen widersprechen."
Denn:
"Sein [Gottes] Wort hat von Ewigkeit zu Ewigkeit volle Gültigkeit. Dazu gehören uneingeschränkt Bibelstellen, die Homosexualität einer sündhaften Lebensweise zuordnen. Christen, die Gott mehr gehorchen als religiös verbrämten Irrlehren, auch nur in die Nähe von Rechtsextremismus zu rücken, belegt ein hohes Maß geistlicher Schizophrenie und bereitet den Weg zur Verfolgung bekennender Christen."

Also ganz klar. Eine Diskriminierung Homosexueller ist Gottes Wille und Gottes Wille kann keine Diskriminierung sein, also ist eine Diskriminierung Homosexueller keine Diskriminierung. Ganz anders sieht es aus, wenn es darum geht, fundamentalistische Christen von der nicht-diskriminierenden Diskriminierung Homosexueller abzuhalten. Denn das ist eine Verfolgung bekennender Christen. Bei diesem schönen Beispiel für die menschenverachtende geistliche Schizophrenie bekennender Christen konnte das Hegel-Preiskomitee doch nicht an sich halten und spendiert eine großzügige Preisnominierung!


Kandidatin C: Claudia Jarzebowski, Motherfucker-Kennerin
Die gelernte Historikerin Prof. Dr. Claudia Jarzebowski ist Mitglied Beraterin des Deutschen Ethikrats und darf als solches indirekt die Bundesregierung und den Bundestag gesetzgeberisch in Sachen Inzest beraten. Um gleich Mißverständnissen vorzubeugen: Inzest meint hier nicht Vergewaltigung oder Kindesmißbrauch - beides ist sowieso verboten - sondern einvernehmliche sexuelle Handlungen unter einwilligungsfähigen Erwachsenen, die in einem nahen Verwandtschaftsverhältnis stehen. Denn sowas ist ekelhaft und gehört daher verboten und ist gottseidank auch verboten. Warum es auch weiterhin verboten bleiben sollte, das erklärt Frau Jarzebowski in ihrem Wettbewerbsbeitrag.

Zunächst einmal stellt sie klar:
"Ich bin hingegen nicht der Meinung, dass die Aufhebung des Inzestverbotes zu einem Anstieg inzestuöser Beziehungen/Übergriffe führen würde."
Da sie wohl auch nicht der Meinung sein dürfte, die Aufhebung des Inzestverbotes würde zu einer Abnahme inzestuöser Beziehungen/Übergriffe führen, meint sie wohl, daß das Inzestverbot überhaupt keinen Einfluß auf inzestuöse Beziehungen hat.
Sie ist hingegen schon der Ansicht,
"dass ein [...] nennenswertes Maß an inzestuösen Beziehungen in einer Gemeinschaft destabilisierend wirken würde und somit auch Maßstäbe der kulturellen Orientierung nachhaltig infrage gestellt und mittelfristig verloren gehen würden."
Leider führt Frau Jarzebowski nicht näher aus, inwiefern ein nennenswertes Maß inzestuöse Beziehungen unsere Gesellschaft destabilisieren und ihre kulturelle Orientierung zerstören würde. Halten wir uns nicht mehr an die Straßenverkehrsordnung, wenn wir uns mit unseren Eltern und Geschwistern durch die Kissen wühlen? Dann kann ich nur hoffen, daß ein Verfall der Flensburger Punkte nach einer Reform der Verkehrssünderkartei nicht ein ähnlich verheerend destabilisierendes Signal sendet und wir plötzlich alle anfangen, munter dem Inzest zu frönen...
Besonders beachtenswert ist hier noch Konjunktiv. Frau Jarzebowski ahnt offenbar, daß es in der Gemeinschaft gar kein nennenswertes Maß an inzestuösen Beziehungen gibt.
Inzest - es macht also kaum einer, und die wenigen, die es tun, schert es nicht, ob es verboten ist. Da kann es nur eine logische Schlußfolgerung geben:
"Zusammenfassend komme ich damit zu der Auffassung, dass die Aufhebung des Inzestverbotes (lt. § 173 StGB) kaum schlüssig begründet werden kann. Auch sehe ich keine mittelbare oder unmittelbare Veranlassung, die diese Aufhebung zwingend oder auch nur empfehlenswert machen würde."

Der Rest der Jarzebowski'schen Ausführungen besteht nur noch aus einem beherzten Aber das war doch immer schon so:
"Vielmehr gilt es zu berücksichtigen, dass inzestuöse Beziehungen sexueller Prägung zu keinem historischen Zeitpunkt breit akzeptiert oder praktiziert wurden, das Verbot dennoch zu jedem Zeitpunkt für sinnvoll und erforderlich erachtet wurde. Warum also sollte es aufgehoben werden?"
Glücklich das Land, das solche Denker hat! Und um dies Glück zu feiern, wird dieses beeindruckende Beispiel für die Fähigkeit des Verstandes, wirklich jedes beliebige Bauchgefühl zu rechtfertigen, mit einer Nominierung für den Hegel-Preis 2012 bedacht!


Kandidat D: Wolfgang Thierse, Zonenkenner
Der gegenwärtige Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, macht es kurz, knapp und beeindruckend logisch:
"In der DDR gab es keinen Religionsunterricht an den Schulen, keine Militärseelsorge, keine öffentlichen Bekenntnisse. Und siehe da, das Ding ging unter!"

Und wenn ich mich richtig an den Film "Sonnenallee" erinnere, gab es in der DDR auch keine Litschis. Und siehe da, das Ding ging unter! Im Interesse der gesellschaftlichen und staatlichen Stabilität sollten wir also dringend für ausreichend Litschis im öffentlichen Raum sorgen!
Für diese Leistung gibt's die vierte und letzte Nominierung - und im Falle eines Sieges des Herrn Thierse auch Litschis für alle!

Und nun ist es an den DWüdW-Lesern, über den Träger des Hegel-Preises für die Mißachtung der Logik 2012 abzustimmen! Einfach den persönlichen Favoriten in der Umfrage in der rechten Sidebar auswählen! Die Abstimmung läuft wie immer bis Ende Januar, und Anfang Februar 2013 wird der Preis in einer überaus feierlichen und angemessen würdevollen Zeremonie überreicht.

12 Kommentare:

  1. Bei einer solchen Auswahl an würdigen Preisträgern fällt die Wahl wahrhaft schwer.... jede/r einzelne hat sich um die Mißachtung der Logik wahrhaft verdient gemacht. Da muss ich noch mal ganz tief in mich gehen, bevor ich meine Stimme abgeben kann!

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    1. Ja, dem Liebhaber absurder Gedankengänge fällt die Entscheidung hier nicht leicht. Aber noch drängt die Zeit zur Stimmabgabe ja nicht...

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  2. Dunnerlittchen! Jetzt habe ich mich während der Jahresendferien bereits durch Dutzende "Deutlands/Hessens/Oldenbüttels beliebtester Komiker/Schlagersänger/Elternbeiratsvorsitzender"-Sendungen gequält, und dann kommen Sie mit einer derart harten Nuss ooch noch hinterher. Und das alles ohne Joker!!!

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    1. Sie können gerne einen Freund oder Verwandten Ihrer Wahl anrufen! ;)

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  3. Tja, im Moment liegt Thierse vorn....aber ich muss sagen, dass der ja nun oft genug im Licht der Öffentlichkeit steht. Obwohl er sich also unbestreitbar um die Missachtung der Logik verdient gemacht hat, sollte man vielleicht doch lieber die Leistung von Professor Ockenfels in den Mittelpunkt stellen. Wer so transparent darlegt, weshalb ein Baby, das sich seine Eltern nicht ausgesucht hat, auch auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verzichten kann - der muss einfach mal geehrt werden.

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  4. Eine harte Konkurrenz!
    Doch wegen der kompletten Ignoranz jeglicher Logik gegenüber geht meine Stimme an Fr. Jarzebowski.

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  5. Ich schätze, etwa 98% aller untergegangenen Staaten der Geschichte gingen samt Religionsunterricht, unablässigen Gebeten, Tempeln und Kirchen, permanenten Glaubensbekenntnissen, Waffen- und Heeressegnungen sowie immer mitmarschierenden Priestern zugrunde. Herr Thierse ist ein dummer Mensch.

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  6. Kandidaten 1+2 sind keine Beispiele schlechter Logik. Die Prämissen sind zugegebenermaßen bescheuert, aber ich sehe keinerlei Fehlschluss.
    Auch bei Beispiel 4 kann man mit einigem Wohlwollen annehmen, dass Thierse einen probabilistischen Schluss ziehen und/oder einen Kausalzusammenhang implizit mitbehaupten will, den für die fehlenden Litschis sicherlich niemand annehmen würde. Hier, wie Sie es tun, höhnisch eine Analogie zu insinuieren, ist reine Polemik, und selbst, mit Verlaub, ein Beispiel schlechten Argumentierens. Ich bezweifle wie Sie, dass der von Thierse unterstellte Kausalzusammenhang (Untergang der DDR - kein Religionsunterricht usw.) besteht, aber mit schlechter Logik hat das nichts zu tun.
    Nur Kandidatin Nr. 3 scheint tatsächlich ein Opfer konfuser Logik geworden zu sein. Sie liefert auch ein hübsches Beispiel für den Fehlschluss "Weil es immer schon so geglaubt/gemacht wurde, kann es kaum falsch sein!"
    Trotzdem: Das soll die beste Auswahl des letzten Jahres sein? Ich lese jeden Tag im Feuilleton oder sehe in der "Kulturzeit" weit Absurderes. Könnte es vielleicht sein, dass die Jury in Ihrer offenbar antireligiösen Voreingenommenheit nicht mehr zwischen schlecht begründeten Meinungen und logisch ungültigen Argumenten zu unterscheiden vermag?

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    1. Ich sehe Ihre Kritik bereits durch die Punkte 5, 6 und 8 der Regularien für den Hegel-Preis für die Mißachtung der Logik abgedeckt und möchte Sie daher gerne auf die Seite mit dem Titel "Hegel-Preis" verweisen.

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  7. ..neue Bewerber für 2013, bitte vor Sichtung des Videos alle Tischkanten abpolstern..

    http://www.youtube.com/watch?v=iKUdco0Toaw

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  8. wenn ich es recht verstehe, vergibst du den hegel-preis?

    ich zeichne auch jedes jahr jemanden aus, und zwar immer den selben: mit dem silbernen flachmann.

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