Sonntag, 27. Februar 2011

Eine Hohlwelt voller Simulationen

Auf so manch große Frage der Menschheit werden mitunter Antworten vorgeschlagen, die zunächst nach spektakulärer neuer Erkenntnis klingen, im Grunde aber gar nichts zur Beantwortung der Frage beitragen. Ein Beispiel aus der Naturwissenschaft wäre etwa die Panspermie. Diese Hypothese beantwortet die Frage, wo und wie das Leben auf der Erde entstanden ist damit, daß das Leben auf dem einen oder anderen Wege aus dem Weltraum auf die Erde kam. Ein solcher Vorschlag scheint die menschliche Phantasie sehr anzuregen, denn diese Hypothese findet immer mal wieder Erwähnung. Dabei verschiebt sie die Frage, wie das Leben auf der Erde entstand, nur dahin, wie das Leben woanders entstand (und wie genau es hierher kommen konnte). Und da es keinerlei Beobachtungshinweise auf den außerirdischen Ursprung des Lebens gibt, bleibt es bei der Panspermie bei einer netten, aber nutzlosen intellektuellen Spielerei.
Naturgemäß viel schlimmer wird die Lage, wenn man von der Naturwissenschaft zu eher philosphischen Hypothesen wechselt. Eine solche Hypothese ist die von der "simulierten Realität". Hier wird die Frage nach der wahren Natur und dem Sinn des Lebens in der Behauptung beantwortet, die Welt und wir alle seien nur eine Art "Computersimulation" einer anderen hoch entwickelten Zivilisation. Das mag sein, es mag aber genauso gut sein, daß wir alle nur Figuren im Traum einer himmelblauen Giraffe sind. Interessanterweise findet aber u.a. ein Philosphieprofessor, Nick Bostrom, die erste Hypothese durchaus diskussionswürdig, diejenige von der Giraffe aber wohl eher nicht. Und das gibt schon einen Hinweis auf den Stellenwert der "simulierten Realität". Denn während ein Vertreter einer Kultur, in der Träume und Giraffen eine Rolle spielen, vermutlich die Spekulation über den Traum der Giraffe für überlegenswert hielte, findet ein Vertreter einer Kultur, in der Computer und Computersimulationen eine große Rolle spielen, die Hypothese von der computersimulierten Realität interessanter. Wenn man hier mal weiter denkt, dann lassen sich zentrale Argumente, die Atheisten zu Recht den Religionen entgegengestellt haben, auch gegen die Hypothese von der simulierten Realität wenden. Wird dem religiösem Gottesbild vorgeworfen, einfach nur eine "Extrapolation" menschlicher Interessen und Fähigkeiten zu sein, so gilt dies noch offensichtlicher für die "simulierte Realität". In der Religion wird die menschliche Macht zur Allmacht einer hypothetischen Gottheit ausgebaut. In der "simulierten Realität" wird die moderne menschliche Fähigkeit zur Computersimulation zur unbegrenzten Simulationsfähigkeit einer hypothetischen Zivilisation ausgebaut. Während die Religion unterstellt, daß die erfundene Gottheit selbstverständlich Interesse an der Menschheit und ihren Problemen hat, so gilt genau dasselbe für die erfundene höhere Zivilisation der "simulierten Realität". Und der Erkenntniswerte von Religion und der "simulierten Realität" sind auch beide eher vordergründig. Denn die Kette des Fragens nach dem "warum" kann die Religion mit einem "Gott will es nunmal so" abbrechen, die "simulierte Realität" kann mit einem "so ist nunmal die Simulation" das weitere Nachfragen beenden.
Man sieht als schnell, wo die Hypothese von der simulierten Realität hingehört: Zur Innenwelttheorie und dem metaphysischen Solipsismus in die Abstellkammer netter aber nutzloser Spielereien, und dort auch ruhig nach hinten ins Regal. Das wäre es dann auch. Wenn nicht meine Lieblingsvernunftsimulation im Web, Aufklärung 2.0 (leider beschäftigt es sich fast nur noch mit politischer Propaganda, und kaum noch mit Pseudophilosophie...), gerade die "simulierte Realität" als bestes Argument für die Existenz Gottes verkaufen wollte. Und wieder mal präsentiert ein Atheist eine in ihrem Wesen rein religiöse Argumentation als Vernunft. Doch wollte man darauf hinweisen, man könnte sich sicher sein, sofort das relexartige "Wieder der Schwachsinn vom Atheismus als Religion!" auszulösen. Hoffnungslos. Aber schließlich kann ja niemand einen Bug in der aktuellen Realitätssimulation ausschließen!

1 Kommentar:

  1. Ich halte das Argument für sehr schlecht, aber besser als die anderen, noch schlechteren Argumente für die Existenz Gottes. Das wäre zumindest ein denkbares Szenario, in dem eine Art von Gott existieren könnte, obwohl es für uns anders aussieht. Natürlich ist eine Menge Unsinn denkbar, aber dieser Unsinn enthält eben Gott.

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