Großer Beliebtheit bei den Vertretern der katholischen Kirche erfreut sich ja zur Zeit das Argument, die diskutierten Fälle sexuellen Mißbrauchs durch Priester hätten gar nichts mit der Kirche zu tun, denn immerhin würde der weitaus größe Anteil sexuellen Mißbrauchs von Kindern ja nicht in der Kirche, sondern in der restlichen Gesellschaft stattfinden. So in den vielbemühten Familien, Sportvereinen, usw. Generalvikar Roland-Bernhard Trauffer läßt sich in der Berner Zeitung sogar zur Verkündigung einer Zahl hinreißen: mehr als 95% der Fälle kämen in "der übrigen Gesellschaft", die nicht zölibatär lebe, vor. Na, das sollte man von einem gewissen Standpunkt ja auch hoffen! Denn man kann ja mal, nur um ein Gefühl für die Zahlen zu bekommen, in die Statistik für Deutschland schauen. In diesem Fall mal in die Daten für das Jahr 2005:
Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2005 listet unter der Rubrik "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" 9805 Tatverdächtige im Bereich Sexueller Mißbrauch von Kindern auf (davon sind 96.4% männlich).
Das Statistische Bundesamt teilt im Jahrbuch 2005 mit, daß in Deutschland 40 340 000 männliche Deutsche lebten.
Die Katholische Bischofskonferenz läßt in ihren Nachweisungen für 2005 wissen, daß es in Deutschland 16 190 Priester (aktive und Ruheständler) gab.
Also machen katholische Priester nur 0.04% der männlichen Bevölkerung aus. Also sollten sie, wenn sie nicht besser und nicht schlechter als der Rest der Bevölkerung wären, auch nur 0.04% der Tatverdächtigen stellen! Bei 9805 Tatverdächtigen insgesamt wären das 4.
Das sind also die Zahlen, mit denen man vergleichen muß. Leider kenne ich keine Statistik für tatverdächtige Priester in Deutschland. Wenn es aber stimmt stimmt, daß in neun Jahren 300 von 400 000 Priestern weltweit der Pädophilie bezichtigt wurden, dann sind das immerhin schon mal 0.08% (statt 0.02% der männlichen deutschen Bevölkerung 2005). Da habe ich so meine leisen Zweifel, daß die katholische Kirche im Schnitt noch ganz gut wegkommt!
Spannender Artikel. Ich habe mich mit demselben Thema angenähert - allerdings nicht mit empirischen sondern mit populistischen Mitteln. :-) Dieses Interview hat mich sehr... "bewegt".. Wären das Scientologen, sässen die allesamt im Knast - zurecht!
AntwortenLöschenhttp://www.padrebenedetto.com/2010/03/ich-nicht-er-auch.html
Und die "populistische" Annäherung habe ich wie immer mit viel Interesse verfolgt!
AntwortenLöschenEs stimmt, dieses Interview ist ein neuer Höhepunkt in einer Reihe von unsäglichen Interviews mit "honoren" Personen wie Bischöfe und Kardinäle. Und die Botschaft ist immer: alle anderen sind schuld, und die sind eh' viel schlimmer...
Ich kann gar nicht glauben, was ich in letzter Zeit alles über den Missbrauch höre und lese. Früher waren die Kirchen und Schulen Institutionen die über alles erhaben waren. Jetzt schaut man langsam dahinter, dass da auch nur Menschen arbeiten. Ich bin tief enttäuscht.
AntwortenLöschenUnd was mich am meisten deprimiert ist der Gedanke, daß früher oder später die Aufmerksamkeit der Medien weiterzieht, und das es zu keinen wirklichen Konsequenzen kommt. Es bleibt bei vielen eine kalte Unzufiedenheit mit den Institutionen, aber ernsthafte Konsequenzen wird kaum einer ziehen. Nicht in Hinblick auf die Schulen, und erst recht nicht in Hinblick auf die Kirche.
AntwortenLöschenEs ist schade, dass krichliche Institutionen bei Missbrauch von Abhängigen durch ihre Mitarbeiter, dies nicht offensiv verfolgen. Auch bei anderen Institutionen, wie Schulen usw. erfolgt auch keine offensive Verfolgung. Wenn ich beim Aldi eine Tüte Milch klaue und dabei erwischt werde, dann sind gleich 2 Staatsanwälter hinter mir her. Nun ja mal schauen, wie sich unsere Gesellschaft weiter entwickelt.
AntwortenLöschenJa, und wenn eine Kassiererin gefundene Pfandbons für eineuronochwas selbst einlöst, dann ist das Vertrauen in sie so nachhaltig zerstört, daß eine fristlose Kündigung angemessen ist... Das Vertrauen in Institutionen dagegen ist offenbar viel schwerer zu zerstören...
AntwortenLöschenLieber Thomas! Deine statistischen Berechnungen sind bestechend, nur haben sie einen gravierenden Fehler: Du vergleichst die dt. Kriminalstatistik eines Jahres (2005) mit den vatikanischen Ergebnissen aus einer Zeitspanne von 9 Jahren.Korrekter Weise müsstest Du Dein Ergebnis für die päd. Priester durch 9 dividieren, was aber dann die Stellungnahme der Kirche bestätigt.
AntwortenLöschenDanke für diesen Kommentar! Ja, die Statistik ist in polemischer Absicht simpel gehalten. Aber ich war ja nicht derjenige, der damit angefangen hat, oder?
AntwortenLöschenTatsächlich ist auch ein Dividieren durch Neun nicht die Lösung. Sicherlich kann man nicht Zahlen für Deutschland mit denen aus der ganzen Welt vergleichen. Wenn man größere Zeiträume betrachtet, und das müßte man, um z.B. Verzögerungs- und Vertuschungsversuche mit zu berücksichtigen, dann müßte man auch den "Durchfluß" an Personen berücksichtigen. Außerdem wäre eine Unterscheidung von Mehrfachverdächtigen angebracht, und eine Normierung auf die richtige Zielgruppe (Vorpubertäre Personen begehen wohl keinen sexuellen Mißbrauch?). Man müßte also auch die unterschiedlichen Alterstukturen der Priester und der sonstigen Bevölkerung herausrechnen. Und noch mehr Probleme ließen sich finden, wenn man nur eine ernsthafte Statistik betreiben möchte.
Ich kann eine solche Statistik nicht machen. Aber die Kirche könnte es versuchen, wenn sie wollte. Schließlich hat sie alle notwenidgen Daten über die Priester zur Verfügung.
Solange aber keiner eine gründliche Analyse vorgenommen hat, sollten dann vieleicht alle Seiten auf statistische Argumente verzichten? Wie gesagt, ich habe damit nicht angefangen...!
Die gleiche statistische Rechnung, wie Du, habe ich vor 3 Tagen durchgeführt. Als ich im Intrnet über die Deinige gestolpert bin, konnte ich nicht widerstehen, meinen eigenen Senf nicht dazu zu geben. Verzeihung!Du hast recht,eine gründlichere Analyse kann keiner von uns vornehmen. Wenn man sich hingegen in diesem Chaos von einander widersprechenden Meinungen, in diesem emotionell aufgeheizten Klima, eine eigene Meinung bilden will, die sich nicht nur auf die Meinung anderer stützt, sondern nach Möglichkeit auf Fakten,halte ich es trotzdem für möglich, sich zumindest einen groben Überblick über die Sachlage zu verschaffen, indem man die zugänglichen Zahlen als Ausgangspunkt verwendet. Die Details, die für eine genaue Analyse von Nöten wären, stehen uns zwar nicht zur Verfügung, wie Du sehr richtig ausführst, doch gelten diese ja für beide Seiten der verglichenen Daten. Wenn wir sie daher auf beiden Seiten außer Acht lassen, wird das unser Ergebnis nicht nennenswert verändern (außer, Du würdest eine der beiden Seiten unter Generalverdacht stellen, mehr zu verzögern, mehr zu vertuschen, mehr Mehrfachverdächtige zu haben usw. Aber das wäre ja ein Vorurteil.) Bei dieser Vorgangsweise ist dann aber auch die Division durch 9 notwendig ( denn man kann ja zB. auch nicht die Niederschlagsmenge eines Jahres derjenigen von 9 Jahren gegenüberstellen). So ergibt sich ein Pädo-Täteranteil von 0,04% für die männl.dt. Normalbevölkerung gegenüber einem 4 mal geringeren Pädo-Täteranteil von rund 0,009% für die Priester. Auch bei den vom "Spiegel" recherchierten Zahlen für Deutschland, nämlich 94 kirchliche Täter (= Priester+Laien)in 15 Jahren bleiben die Priester nach Abzug der "Laientäter" immer noch deutlich unter dem Bevölkerungsschnitt von 0,04%.
AntwortenLöschenIch verstehe natürlich Dein zögern, die Division durch 9 durchzuführen oder die Statistik zu verwenden, sobald dies zu ungewollten Ergebnissen führen könnte. Aber ich glaube, dass jemand, der "die Wahrheit über die Wahrheit" sucht auch einmal einer unerwarteten Faktenlage ins Angesicht sehen kann.
Aus diesen "geschätzten" Werten sollte man sicherlich keine weitreichenden Schlüsse ziehen, aber man könnte daraus ableiten, dass die Priester unter Umständen, wie behauptet, vielleicht doch eine niedrigere Päd.-Rate haben könnten, als die Durchschnittsbevölkerung. Ihr Zölibatsversprechen würde zumindest erwarten lassen, dass ein Großteil derjenigen, die päd. veranlagt sind, diese Neigungen nicht auslebt. (Dass die sowieso nicht enthaltsam leben können oder wollen, wäre wiederum ein Vorurteil.)Auch US-Statistiken behaupten(Philip Jenkins: "Pedophiles and Priests", Washington Post 9.6.2002, New York Times 12.1.2003), dass kath. zölibat.Priester gegenüber Geistlichen anderer Konfessionen die niedrigsten Päd.-Raten haben.
Ich weiß, nach dem Bild, das unsere Medien vermitteln, klingt das nach Sience-fiction. Aber vielleicht verfolgen die Medien eigene Interessen, die gewisse Übertreibungen nicht ausschließen? - War nur ein Gedankenanstoß :)
Dann quetsche ich noch ein bisschen von meinem Senf dazu: :-)
AntwortenLöschen"Wenn wir sie daher auf beiden Seiten außer Acht lassen, wird das unser Ergebnis nicht nennenswert verändern"
Das aber nur, wenn sich der Einfluß der Details weghebt. Das muß er aber nicht unbedingt.
"(außer, Du würdest eine der beiden Seiten unter Generalverdacht stellen, mehr zu verzögern, mehr zu vertuschen, mehr Mehrfachverdächtige zu haben usw. Aber das wäre ja ein Vorurteil.)"
Da, das unterstelle ich in der Tat. Ob das für einen schlechten Charakter spricht, sein mal dahingestellt. Ich meine damit aber keinesfalls "hypothetische" Fälle, von denen wir nichts wissen. Es scheint mir doch sehr danach, daß Mißbrauchsfälle in Institutionen (auch in Schulen z.B.) nicht gleichmäßig verteilt ans Licht kommen. Sondern das es eines Anstoßes bedarf, und dann kommen gleich viele Fälle, die schon lange zurück liegen können, heraus. Das ist schon etwas anderes als "Schokoladenonkel", die vieleicht gleichverteilt erwischt werden. Und es bleibt mir ja ungenommen, einen solchen Effekt zu unterstellen. Eine statistische Auswertung kann ihn ja berücksichtigen, und ggf. auch widerlegen.
"Bei dieser Vorgangsweise ist dann aber auch die Division durch 9 notwendig"
Auch dann vergleicht man noch Äpfel mit Birnen. Der Artikel ist da leider nicht ganz klar formuliert, aber es scheint doch sehr so, daß die 300 Priester keine Mehrfachzählungen enthalten. Dann entspricht die Zahl den Ersttätern, und durch 9 geteilt bekommt man die Zahl der Ersttäter pro Jahr pro Priester.
Die Kriminalstatistik zählt aber alle Täter jeweils einmal, die mit einer bestimmten Art Straftat innerhalb eines Jahres aufgefallen sind. Dabei gibt es also Mehrfachzählungen. Aus dieser Zahl bekommt man die bekannt gewordenen Fälle pro Jahr pro männlichem Deutschen. Also etwas anderes.
Mal ganz abgesehen davon, daß man die weltweite Statistik nicht mit der Innerdeutschen vergleichen kann.
Was ich mache ist falsch, und die Priester kommen zu schlecht weg. Was Du machen willst ist falsch, und die Priester kommen zu gut weg.
"aber man könnte daraus ableiten, dass die Priester unter Umständen, wie behauptet, vielleicht doch eine niedrigere Päd.-Rate haben könnten, als die Durchschnittsbevölkerung."
Ja, das bleibt in der Tat offen.
"Aber vielleicht verfolgen die Medien eigene Interessen, die gewisse Übertreibungen nicht ausschließen?"
Das glaube ich sofort. Die wollen ihren Skandal (die Kirche zugrunde richten wollen sie sicherlich nicht). Aber sind wir mal ehrlich - die Gegenseite hat auch Interessen. Und die könnten zu einer gewissen Untertreibung führen. Und da bin ich echt stutzig. Wieso spricht ein Bischof von den absurden "mehr als 95%", wenn es doch ganz einfach wäre, genauer zu sein. Propaganda? Und wieso weigern sich einige Bistümer, Zahlen zu beschuldigten Priestern heraus zu geben, "um die Diskussion nicht noch zu befeuern"? Die Zahlen sprechen doch für sie?? Sind die dämlich, auf einem Propagandafeldzug, oder beides?
Bei den "absurden mehr als 95%" könnte sich der Generalvikar zum Beispiel auf eine US-Studie des Kinderpsychologen Wade F. Horn berufen (2001), derzufolge sexueller Mißbrauch von Kindern zu 28% von Familienfreunden und Bekannten begangen wird, zu 18% von Onkeln und Cousins, zu 12% von Stiefvätern, zu 10% von Geschwistern, zu 10% von leiblichen Vätern, zu 9% vom "Freund" der Mutter, zu 7% von Groß- und Stiefgroßvätern, und zu 4% von Fremden.(Washington Times, Feb. 6.,2001) Anscheinend entfällt der Rest (2%) auf Lehrer, Trainer und "kirchliches Personal". Ich glaube der Generalvikar wollte dadurch auf die Gewichtung der Missbrauchszahlen hinweisen, die die Medien ja bewußt verschweigen.(Aus diesem Grund haben Du und ich ja auch versucht uns irgendwelche statistischen Anhaltspunkte selbst zu fabrizieren.) Sie bringen keine Vergleichszahlen, denn diese würden den ganzen medialen Rummel um dieses vielleicht 1% der Missbräuche relativieren und als ungerechtfertigt entlarven. Dann könnte man nämlich fragen: Solch ein Aufwand für 1 %? Wo bleiben die Recherchen über die übrigen 99%? Wo bleibt der Aufschrei der Entrüstung über den Löwenanteil der Missbräuche in Familien, Schulen,Kindergärten...? So wird der Größte Teil der Realität (99%!) ausgeblendet oder zumindest im Dunkeln gelassen. Das ist ja keine Verzerrung mehr,sondern eine mutwillige Verfälschung der Wirklichkeit. Nach solchen Erfahrungen mit Reportern und Kolumnisten würde ich, ehrlich gesagt, freiwillig auch keine Informationen preisgeben, denn diese werden in jedem Fall gegen dich verwendet. Zahlen sprechen nur dann für dich, wenn sie adäquat gebracht werden. Formulierungen, wie "startete einen verzweifelten statistischen Rundum-Schlag", "versuchte die Opferzahlen kleinzureden", oder gar "absurde 95%" bewirken nur einen zusätzlichen Glaubwürdigkeitsverlust, sodass man sich nachher denkt," hätte ich doch nichts gesagt!"
AntwortenLöschenDie Kirche und ihre Leute sind nicht dämlich. Aber auch nicht gerissen, schlagfertig oder verschlagen. Sie wurden jetzt in die Defensive gedrängt. Wahrscheinlich haben sie das Ausmaß der Mißbräuche unterschätzt (wie auch alle anderen weltlichen Institutionen), reagieren etwas bestürzt und langsam, und es ist ihnen peinlich, dass gerade bei ihnen, die ja weltweit die höchsten moralischen Standards propagieren, solches passieren kann. Sie haben in 2000 Jahren schon schwierigere Lektionen gelernt, sie werden auch diese lernen.
Danke für den Senf!
Nur eine letzte Bemerkung noch:
AntwortenLöschenDas Gefühl, besser mal nichts gesagt zu haben, müssen Kirchenvertreter wohl öfters haben in letzter Zeit.
Denn so verständlich es wäre, keine Zahlenspiele zu machen, um nicht in den Verdacht zu kommen, relativieren zu wollen: wenn Kirchenvertreter erklären, die sexuelle Befreiung habe Mitschuld, Homosexuelle hätten Mitschuld, Juden und Medien würden Kampagnen fahren, andere seien auch nicht besser, dann bleibt unterm Strich nicht viel von der vermeintlich hehren Absicht.
Aber das die größte Bedrohung für die Kirche von ihrem eigenen Personal ausgeht, das sieht der ein oder andere sicherlich mit gewissem Vergnügen. Aber das ist schon ein anderes Thema...
Zu guter Letzt noch etwas Kechup!
AntwortenLöschenVerzeih mir, aber so, wie Du das formulierst, klingt das von den Kirchenvertretern Gesagte einfach oberflächlich, feige und absurd. Wenn man sich solche Stellungnahmen hingegen unverkürzt im O-Ton anhört, klingen sie ganz anders:
"Sexueller Missbrauch durch Geistliche ist ein besonders abscheuliches Verbrechen. Das hat Papst benedikt XVI. deutlich betont, und ich sehe dies ganz genau so. Wenn ein Priester, der sich gegenüber dem Opfer in einer Vaterrolle befindet, das Vertrauen von Kindern missbräuchlich ausnützt, wird das Grundvertrauen in menschliche Beziehungen gestört. Die Täter versündigen sich an der Psyche ihrer Opfer und sie versündigen sich auch gegen die Kirche..."
"Die Kirche muss in dieser Debatte klar und deutlich dreierlei sagen:
1. ,dass sexueller Missbrauch von Kindern kein Gentleman-Delikt, sondern ein abscheuliches Verbrechen ist.
2. ,dass Priester oder kirchliche Mitarbeiter durch eine solche Tat gegen die Gebote Gottes und seiner Kirche wie auch gegen die Personenwürde des Menschen verstoßen.
3. ,dass menschliche Sexualität entsprechend der kirchlichen Lehre eng verbunden sein muss mit Liebe, Vertrauen und gegenseitiger Achtung und nicht einseitig zur eigenen Triebbefriedigung missbraucht werden darf."
Ich glaube, diese Ausführungen (von B. Mixa)lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Tragweite der Taten und Schuld der Täter werden eindeutig herausgehoben. Auch die folgende Feststellung, aus dem selben Interview, halte ich für ausgeglichen und zutreffend:
"Sexueller Missbrauch von Minderjährigen ist leider ein verbreitetes gesellschaftliches Übel, das in vielfältigen Erscheinungsformen von der Familie bis zur Schule oder zum Sportverein auftritt. Die sogenannte sexuelle Revoltion, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig. Wir haben in den letzten Jahrzehnten gerade in den Medien eine zunehmende Sexualisierung der Öffentlichkeit erlebt, die auch abnorme sexuelle Neigungen eher fördert als begrenzt."
Die Medien (zB. Süddeutsche) brachten den Satz aber etwa so: Der Bischof gibt "der sexuellen Revolution Mitschuld an Missbrauchsfällen in der Kirche."
Abgesehen davon, dass der Satz -so, aus dem Zusammenhang gerissen, in welchem vorher die Schuld thematisiert worden ist- wie der verzweifelte Versuch einer Schuldabschiebung klingt, ist er schlicht und ergreifend falsch, denn in dieser Passage ging es gar nicht um kirchliche Fälle.
Sollte man hier an der Intelligenzleistung der Journalisten zweifeln, die anscheinend zwischen der Originalaussage und der verfälschten Wiedergabe nicht unterscheiden können, oder könnte hier nicht auch eine gewisse Bosheit im Spiel sein?
Mit der Mitschuld der Homosexuellen könnten die Homo-Lobbies gemeint sein, die seit den 80-ern offensiv für Akzeptanz und Legalisierung jeglicher (auch perverser) sexueller Orientierung werben (z.T.auch Pädo.), was der kirchlichen (Zölibats-)Disziplin nicht gerade förderlich ist. Sicherlich sind damit aber die Täter (=Priester) selbst gemeint, deren größter Teil homosexuell sein soll: Die Opfer der sex. Übergriffe durch Priester waren in den USA zu 85% (USA Today July 24. 2002), zu 91% (USA Today Nov. 11. 2002) bzw. 95% (Boston.com, Feb. 2. 2003) männlich! (Es wurde schon der Prinzipielle Ausschluss von homosexuell Veranlagten vom Priesterstudium überlegt. Wäre das ein effektiver Schutz der Opfer oder Diskriminierung der Homosexuellen?)
Dass die Medien derzeit eine Enthüllungskampagne führen, braucht wohl nicht extra betont zu werden.
Was mit den Juden gemeint ist weß ich nicht. Vielleicht ihr anscheinend gesetzlich geschütztes Patent auf die Begriffe "Judenverfolgung" und "Drittes Reich"?
Also, ich finde diese Aussage der Kirchenvertreter nur bei verkürzter Wiedergabe und oberfächlicher Betrachtungsweise absurd, sonst aber zutreffend.
Gut, wechseln wir noch mal zu Ketchup. Denn ist wird ja immer interessanter!
AntwortenLöschenUnd auch gut, lassen wir mal Schlagzeilen aus der Presse weg, denen man unterstellen kann, bewußt Stimmung zu machen und zu vereinfachen. Aber dann hätte man z.B. noch das obrige Zitat von Herrn Mixa.
"Abgesehen davon, dass der Satz -so, aus dem Zusammenhang gerissen, in welchem vorher die Schuld thematisiert worden ist- wie der verzweifelte Versuch einer Schuldabschiebung klingt, ist er schlicht und ergreifend falsch, denn in dieser Passage ging es gar nicht um kirchliche Fälle."
Das kommt ja jetzt schon bedrohlich nahe an eine Beleidigung der duchschnittlichen Intelligenz. Der Bischof wird zu Mißbrauch in der Kirche gefragt. Er erzählt etwas über das gesellschaftliche Phänomen Mißbrauch, die Schuld der sexuellen Revolution und ihre Verteidigung von "Perversem". Und dann wundert sich der Bischof, daß es so verstanden wird, als wolle er sexuellen Revolution eine Mitschuld am Mißbrauch, auch in der Kirche, geben?? Sich dann rauszureden, man habe ja nicht über kirchliche Fälle geredet, ist doch wohl bitte etwas billig!
Noch klarer redet dann Kardinal Schönborn:
"Absolut! Die Sexualisierung ist mitschuldig, das ist ein Faktum." Das ist zitiert nach kath.net, dem man wohl keine antikirchliche Propaganda unterstellen kann.
Aber noch was fällt mir auf:
"Auch die folgende Feststellung, aus dem selben Interview, halte ich für ausgeglichen und zutreffend", und "was der kirchlichen (Zölibats-)Disziplin nicht gerade förderlich ist."
Findest Du die These von der Mitschuld der "gesellschaftlichen Sexualisierung" am kirchlichen Mißbrauch tatsächlich einleuchtend? Das würde mich wirklich interessieren.
Was die Schwulen angeht, habe ich mich auf Herrn Bertone bezogen, der keinen Zusammenhang zwischen Zölibat und Mißbrauch, aber zwischen Schwulen und Mißbrauch sieht. Die Faktenlage ist hier wohl mindestens ebenso dünn wie in unserer vorherigen Statistikdiskussion. Aber da Schwule nach kirchlicher Auslegung ohnehin pervers sind, kann einem dieser Vorstoß als eine sehr elegante Abschiebung des Problems vorkommen. Denn statt der Priester stehen jetzt Schwule im Zentrum der Diskussion, und mit denen hat man ja ohnehin ein Problem. Also jetzt alle mal über Schwule und Mißbrauch diskutieren?
Ich glaube Du hast recht: was die Kirche von sich gibt ist gar nicht so oberflächlich und absurd wie es mir zuerst vorgekommen ist. Es ist könnte sogar sehr geschickt sein. Die einen Äußerungen werden von ihren Freunden verstanden, und den Feinden kann man vorhalten, mißverstanden worden zu sein. Die anderen lenken die Diskussion von einem selber auf ein anderes Gebiet ab, gegen das man ohnehin vorgeht. Eigentlich gar nicht kopflos und naiv, mal von einem anderen Standpunkt aus betrachtet!
Noch etwas Mayonnaise zum Nachtisch.
AntwortenLöschenZur "Mitschuld der sex. Revol.:
1. Dass anerkannte Persönlichkeiten unserer Gesellschaft (Politiker, Wissenschaftler...) durch Publikationen und Äußerungen, aber auch die Massenmedien an sich Einfluss darauf ausüben, was wir als "normal", akzeptiert und "allgemein anerkannt" empfinden und damit in einem gewissen Ausmaß auch Meinungen "machen" und Hemmschwellen verschieben können, halte ich für erwiesen.
2. Wenn man weiß, dass es seit den 70-er Jahren im kath. Klerus Kreise gibt, die in fröhlicher Erwartung einer baldigen Aufhebung des Zölibats in vorauseilendem Gehorsam die Enthaltsamkeit über Bord geworfen haben und wenn man
3. weiß, dass dies in einer Zeit geschehen ist, in der (noch vor seiner RAF-Karriere) ein Jan Carl Raspe eine Kommune pries, in der erwachsene Menschen Kinder gegen deren Widerstand zu Koitierungsversuchen gebracht haben(1969), in der "ein gesundes Kind in einer intakten Umgebung nichtgewalttätige sexuelle Erlebnisse ohne negative Dauerfolgen verarbeitet"(Sexualforscher Eberhard Schorsch unwidersprochen im dt. Bundestag 1970) und Daniel Cohn-Bendit (heute EU-Abgeordneter in Brüssel) in seinem Buch (1975) ausführlich über seine sexuellen Erlebnisse mit 5-jährigen Kindergartenkindern schwärmen konnte(ungestraft),
in einer Zeit, in der der bekennende pädosexuelle Prof. Dr. Helmut Kentler (Sexualwissenschaftler und Beiratsmitglied der "Humanistischen Union") ebenfalls unwidersprochen die "freie Liebe" mit Kindern forderte, als Gerichtsgutachter in "wissenschaftlichen Studien" die Unterbringung straffälliger Jugendlicher bei "pädagogisch interessierten Päderasten" empfehlen und für die Erziehung von Kleinkindern "Vorstellungen emanzipierter Sexualität" mit "polimorph perversem Spielcharakter" fordern konnte,
in einer Zeit, in der die Grünen (1985) den Antrag auf "Entkriminalisierung von Sex mit Kindern" stellen konnten, Grünen-Politiker Volker Beck 1988 zum Kampf für die Entkriminalisierung der Pädosexualität aufrief, um "etwas für die Lebenssituation pädophiler Menschen zu erreichen", noch 1989 im renommierten dt. Ärzteverlag ein Buch offen für die Erlaubnis von pädosexuellen Kontakten werben konnte, dann wundert es mich nicht, dass
4. diese "fortschrittlichen Erkenntnisse" auch hinter die Kirchenmauern dringen konnten und dort bei gewissen "aufgeschlossen-progressiven" Geistern auf fruchtbaren Boden gefallen sind.
Also, ja, die These, dass diese "Errungenschaften" der sex. Revol. sexuelles Fehlverhalten in der Gesellschaft, daher auch in Kirchenkreisen, begünstigt haben, finde ich überzeugend, da ich die gegenteilige Ansicht, dass nämlich Zeitgeist, Mode, Gesellschaft, Publikationen und Massenmedien keinerlei Einfluss auf uns ausüben, für einen Mythos halte.
Schwule und Missbrauch:
Die übermittelten Werte (80-95% männliche Opfer) halte ich für unverdächtig, da USA-Today, Boston Globe und die Rechtsanwälte, die die Sammelklagen durchführten nicht gerade kirchenfreundlich sind. Sonst kann ich dazu nichts beisteuern.
Entgegen Deinen zynischen Bemerkungen über die vermeintliche Einstellung der Kirche gegenüber Schwulen, möchte ich festhalten, dass bis heute der Zugang zum Priesterberuf auch homosexuell Veranlagten offen steht (seit 2000 Jahren!) und, dass es innerkirchlich ein offenes Geheimnis ist, dass tatsächlich ein nicht geringer Teil der kath. Priester so veranlagt sein dürfte.
Und, nein, ich sehe nicht, dass die Schuld nun auf die Schwulen abgeschoben wurde, denn in der Diskussion geht es nach wie vor um die Kleriker.
Danke für die anregende Diskussion!
Sollte aber die Diskussion in Zukunft auch andere Fragen und Bereiche einschließen, so wäre dies gerechtfertigt, wenn dadurch die Prävention solcher Verbrechen (die in noch größerem Ausmaß in Familien und Schulen verübt werden) ermöglicht würde. Die Realität ist in den seltensten Fällen monokausal, sondern ein Geflecht von verschiedenen Einwirkungen. Um die Zahl weiterer Opfer möglichst gering zu halten fände ich eine Untersuchung aller mögl. einflussnehmenden Faktoren angebracht, auch auf die Gefahr hin, dadurch den einzig gültigen Sündenbock aus den Augen zu verlieren. Es bleibt Dir natürlich unbenommen auch darin wieder nur eine "listige Taktik" der Kirche zu sehen. Ich finde aber, dass Du die Gerissenheit und Verschlagenheit der Kirchenvertreter erheblich überschätzt. Vielleicht ist diese Taktik der Kirche, alle Faktoren zu untersuchen bloß ein Gebot der Vernunft im Umgang mit realen Problemen?
AntwortenLöschenDanke für Deine Geduld!
Hallo! Ich nehme an, es wird Dich nicht besonders überraschen, wenn ich nur dem Punkt 1) Deiner Auflistung uneingeschränkt zustimme.
AntwortenLöschenMit Punkt 2) habe ich schon erhebliche Probleme. Denn weder scheint mir der Begriff "vorauseilender Gehorsam" hier angemessen, noch kann ich nachvollziehen, in wieweit eine Aufhebung des Zölibats mit einer Zustimmung zur pädophilen Handlungen zu tun hat?
Zum 3. Punkt kann ich nicht viel sagen. Aber ich glaube gerne, daß die "sexuelle Revolution" zeitweise sehr bizarre Blüten hervorgebracht hat. Das gilt noch für jede Revolution, scheint mir.
Der Schluß auf Punkt 4 kommt mir dagegen auch gleich bizarr vor. Sicherlich war die (offizielle) Haltung der Kirche in sexuellen Belangen nie besonders aufgeschlossen-progressiv. Die erwähnten Auswüchse der sexuellen Revolution stammen ja gewissermaßen aus dem der kirchlichen Position entgegengesetzen Pol des politischen Spektrums. Selbst in der breiten Mitte zwischen Kommune und Klerus konnten diese Positionen keinen besonderen Anklang finden. Da könnte einem die Erklärung, diese Thesen sollten ausgerechnet im Lager des erklärten Feindes auf fruchtbaren Boden gefallen sein (zumindest unter den niederen Rängen), schon etwas, sagen wir es mal vorsichtig, gewagt vorkommen.
Und auch hier sehe ich eine Parallele zur "Schwulendiskussion".
Es stimmt, die Kirche verurteilt nur homosexuelle Handlungen, nicht die Gedanken, oder die "Veranlagung". Dieses Prinzip gilt im übrigen ja auch für jedes weltliche Strafrecht. Und sicherlich ist die heutige Position zur Homosexualität recht moderat, wenn man mal bedenkt, daß homosexuelle Handlungen von den Büchern Mose bis zu den Apostelbriefen als todeswürdig betrachtet wurden. Aber nichtsdestotrotz lehnt die Kirche homosexuelle Handlungen strikt ab. Insofern bleibe ich bei meiner zynischen Behauptung, die Ablenkung vom Zölibat als eine(!) Ursache des Kindesmißbrauchs auf den Zusammenhang zwischen Kindesmißbrauch und praktizierte Homosexualität sei der Kirche genehm.
Und ganz ähnlich funtioniert ja auch die Schuldzuweisung auf die sexuelle Revolution. Mit der hat man ja auch offiziell so sein Problem, und nun schiebt man dem Gegner die Schuld für Untaten im eigenen Lager zu.
Überschätze ich die Gerissenheit der Kirche? Ich finde es sehr schwer, sich einen Reim auf die kirchlichen Reaktionen zu machen. Mal kommt ein Schuldeingeständnis und ein Gelöbnis der Besserung, dann wieder ein Abwiegeln und Unterstellungen von Kampagnen. Alles ist in den Äußerungen des Kirchenpersonals dabei (selbst dann, wenn man nur Interviews als akzeptable Quelle in den Medien zuläßt). Da ist der Gedanke, daß es zur Strategie gehört, für jeden was zu liefern, doch eigentlich naheliegend, oder nicht?
Wenn man einem Menschen, der etwas für sein Leben gerne tun würde, sagt 1. "das widerspricht deinem Berufsethos" (= du könntest deinen Job verlieren), 2. "das ist allgemein nicht akzeptiert, und abnormal" und 3. "das ist nach dem Gesetz ein Verbrechen" (= dafür kannst du eingesperrt werden), dann wird er sich die Sache aus dem Kopf schlagen, zumindest aber versuchen diesen Wunsch mit allen Kräften niederzuringen (=er wird es nach Möglichkeit nicht tun).
AntwortenLöschenWenn dieser Mensch nun erfährt, dass Punkt 1 schon umschtritten ist und es nur mehr eine Frage der Zeit ist, bis dieser Passus fällt (= du verlierst deinen Job nicht), 2. diese Handlung in zunehmendem Maße akzeptiert ist (= das ist normal/ du bist normal) und 3. diese Handlung in der Praxis nicht mehr geahndet wird (= quasi straffrei gestellt), dann wird er es tun!
Barriere 1 ist in den 70-er Jahren zumindest aufgeweicht worden (viele Übertreter wurden ja wirklich nicht suspendiert sondern nur versetzt! Das ist wahrlich Schuld der Kirche: Zu tolerante Handhabung der Kirchengesetze)
Wenn anerkannte Politiker und renommierte Wissenschaftler sich ohne Widerspruch (zB. des dt. Bundestags als gesetzgebende Institution) und ohne Straffolgen zu einer päd. Lebensweise bekennen konnten, dann waren die Barrieren 2 und 3 ebenfalls sehr geschwächt, wenn überhaupt in Funktion. Nach der Schwächung dieser 3 "Dämme" werden wohl mehr Menschen (leider auch Priester) als vorher ihrer Neigung mit gutem Gewissen nachgegeben haben.
Obwohl mit Vorliebe so dargestellt, sehe ich die Kirche nicht am äußerst rechten Pol des pol. Spektrums. Sie ist zwar gegen Euthanasie und Abtreibung, lebt aber ebenso Solidarität mit Bedürftigen, bekämpft Armut, predigt die Bewahrung der Schöpfung und tritt gegen Krieg ein, was eher der Agenda der Linken entspricht. Sie wurde sowohl im Kommunismus als auch im Nationalsozialismus (2720 kath. Priester im KZ)unterdrückt und verfolgt. Auch ihre Sexualmoral finde ich nicht extrem. Sie lehnt zwar das freie Ausleben des Sexualtriebes ab, hält Sexualität aber für etwas Gutes, Schönes und Gottgegebenes, im Gegensatz zu den Gnostischen Sekten der ersten Jahrhunderte, zu den Katharern und Albigensern des Mittelalters und Pietisten und manchen Quäkern, die Sex als Sünde und höchstens als notwendiges Übel akzeptieren, wenn man dabei keine Lust verspürt.
Ich kann die Kirche daher weder als "erklärten Feind" der Linken, noch der Rechten sehen.
Homosexuelle Handlungen sind zwar im Alten Testament, wie Du sehr richtig bemerkst, "todeswürdig", im Neuen aber, das das Programm der Christen darstellt, nicht (auch in den Apostelbriefen nicht).
Wie gesagt, die Wirklichkeit ist oft nich so einfach gestrickt, wie wir es gerne hätten. "Der ist schuld und die Sache ist erledigt" wäre doch etwas einfältig gedacht. Wenn die Kirche Schuld trifft, dann sollte es auch Schuldeingeständnis und Gelöbnis zur Besserung geben. Wenn andere Schuld trifft, sollte das auch angesprochen werden können. Wenn übertrieben wird, soll abgewiegelt werden.
Dass, nachdem eigene Schuld zugegeben wurde, auch auf andere Faktoren hingewiesen wird,auch wenn dies dem Beschuldigten "genehm" ist, ist nicht verwerflich, sondern geboten, wenn diese Faktoren wirklich problemrelevant sind, um einer Lösung des Problems näher zu kommen. Alles andere wäre nur Kosmetik, billige Symptombekämpfung, ohne an der Wurzel der Sache rühren zu wollen.
Danke für diesen spannenden Kommentar!
AntwortenLöschenWas die drei Dämme angeht: In den Schlußfolgerungen zum 1. Damm sind wir uns einig. Auch wenn ich die Prämisse für sehr zweifelhaft halte, daß ein Priester aus Überlegungen, den Zölibat aufzuheben, gleich auch eine Zustimmung zum Sex mit Kindern abliest. Gibt es ein kirchliches Dokument, das eine so ausgesprochen freizügige Sexualmoral diskutiert?
Die Argumente zum 2. und 3. Damm finde ich bedenklich. Es klingt so, als ob es einige Jahre in den frühen Siebzigern gegeben hätte, in denen kurzzeitig alle Moral aufgehoben gewesen wäre. Und als ob es bei den Fällen von Mißbrauch und Versetzungen von Tätern in der Kirche nur um diese wenigen Jahre gehen würde. Nun bin ich zu spät geboren, um über diese Zeit aus eigener Erfahrung zu sprechen. Aber so wie es mir scheint wurde das Sexualstrafrecht in Bezug auf Sex mit Kindern (§ 176 StGB) 1973 tatsächlich gelockert. Es gab aber nie eine Zeit, in der solche Handlungen gänzlich frei von Strafandrohung gewesen wären. Und von einer Lockerung des Strafrechts auf eine baldige Aufhebung des Straftatbestandes zu schließen, und davon wiederum darauf, die Tat schon heute begehen zu können - tut mir Leid, aber das kaufen einem zu Recht nicht nur Richter nicht als Entschuldigung ab.
Ebenso zweifle ich an, daß sexuelle Handlungen mit Kindern jemals allgemein akzeptiert waren. Gestützt wird diese Meinung aber z.Z. nur von persönlichen Erfahrungen mit den Älteren meiner Familie - alle nicht gerade der Kommune entsprungen.
Zum Schluß noch ein paar Worte zu den anderen Punkten. Die passen zwar jetzt nicht ganz zum Thema, aber ich kann sie mir doch nicht verkneifen:
Ja, ich sehe die Kirche auch nicht am rechten Pol des politischen Spektrums. Sie läßt sich wohl nicht klar in ein solch simples Rechts-Links-Schema einordnen.
"Sie wurde sowohl im Kommunismus als auch im Nationalsozialismus (2720 kath. Priester im KZ)unterdrückt und verfolgt."
Dieses beliebte Argument kann ich gar nicht ausstehen. Was den Kommunismus angeht, gab es zweifellos die Unterdrückung der Kirche. Aber ob unter den Nationalsozialisten "die Kirche" verfolgt wurde, und nicht etwa nur einzelne Kirchenvertreter? Dieser Unterschied ist hier schon angebracht. Denn die vermeintlich verfolgten Kirchen hatten zum einen in Deutschland erheblich mehr Mitglieder als die NSDAP, von der weltweiten Verbreitung mal ganz abgesehen. Da sind knapp dreitausend Priester im KZ, so zynisch das jetzt leider auch klingen mag, kein sehr beeindruckendes Zeichen des Widerstands. Zum anderen waren deutsche und internationale Kirchenvertreter ziemlich gut darin, sich zu arrangieren, vom Reichskonkordat bis zum Feldgottesdienst. Aber das führt hier dann doch zu weit.
Sicherlich ist die kirchliche Sexualmoral gar nicht so restriktiv, verglichen mit, sagen wir mal, Saudi Arabien. Aber die Einstellung Sex nur in der Ehe, die ist nicht auflösbar, und Verhütung ist auch nicht ok, das alles hat wohl ziemlich wenig mit der Wirklichkeit in Mitteleuropa zu tun. Aber das muß es ja auch nicht. Ebenso auch die Überzeugung, Sex nur zwischen Mann und Frau zuzulassen. Lust scheint da keine zu große Rolle zu spielen, wenn es um die Schönheit der Triebbefriedigung geht.
Mit dem "todeswürdig" in den Briefen bezog ich mich übrigens auf den Römerbrief, 1, 26-32. Die Stelle ist aber bestimmt nur in Hinblick auf eine Auferstehung gemeint, oder? Und Paulus ist ja ohnehin der unsympathischste der frühchristlichen Missionare...
So, lassen wir es damit erst mal gut sein! ;-)
Bezüglich Dammm 1 scheint ein Missverständnis vorzuliegen: Mit meiner Darlegung wollte ich nicht plausibel machen, dass ein "normal" veranlagter Priester beim angenommenen Wegfall der Zölibatsverpflichtung pädophile Handlungen setzen wird (das wäre ja bizarr), sondern, dass diejenigen unter den Priestern, welche von jeher so veranlagt waren, sich aber aufgrund der Volksmeinung sowie kirchlicher u. staatlicher Gesetze zurückgehalten haben, beim Brüchigwerden od. gar Wegfall dieser Hindernisse sich keinen Zwang mehr antun werden (an die Hl. Schrift glauben solche ja anscheinend sowieso nicht).
AntwortenLöschenDu hast recht, solche Handlungen waren nie ganz frei von Strafandrohungen. Die angedrohte Strafe (Gesetz) wurde damals aber de facto nicht exekutiert (Cohn-Bendit, Kentler, Beck...)
Aus der Lockerung des Strafrechts bezüglich einer best. Tat folgt hingegen sehr wohl, dass diese Tat dann auch häufiger begangen wird. Auch Du handelst so, wenn Du als Fußgänger bei Rotlicht die Fahrbahn überquerst.
Ich meine ,das ist doch elementare Psychologie: Wenn Hindernisse, die Dich daran hindern eine ersehnte Handlung zu setzen, abgebaut werden, dann wirst Du die Handlung setzen. Je mehr sie abgebaut werden, um so eher.
Bezüglich Kirche in der NS-Zeit:
Konkordate mit Regierungen zu schließen ist für die Kirche Usus. Ohne Vertrag hat die Kirche (Vatikan) keine "Rechtssicherheit" für ihre Tätigkeiten in einem fremden Land. Ihr Wirken könnte jederzeit als Einmischung in innere Angelegenheiten eines Landes bezeichnet, ihre Priester als "Spione" verhaftet , ihre Institutionen beschlagnahmt werden...
Was die Anzahl der Kirchenmitglieder gegenüber der NSDAP-Mitglieder besagen soll, verstehe ich nicht, wenn die eine Seite über Exekutive, Soldaten und Waffen verfügt, die andere aber nur über unbewaffnete Zivilisten? Kann nicht ein einziger bewaffneter Mann ganze Schulen Terrorisieren?
Das Urteil der Zeitzeugen und derer, die mit der Kath. Kirche direkt konfrontiert waren, zeigt aber, dass diese anscheinend doch sehr massiv ( wenn auch nie handgreiflich) Widerstand geleistet hat(nur eine kleine Auswahl):
AntwortenLöschenSD (Mai/Jun. 1934): "Gegnerische Betätigung kath. Geistlicher ist in derart zahlreichen Fällen in allen Teilen des Reiches nachgewiesen worden, dass eine Aufzählung v. Einzelfällen unmöglich u. auch unnötig ist."
Polstelle Achen (9.3.1935): "Die grudsätzlich ablehnende Haltung d. kath. Geistlichkeit gegenüber dem nationalsoz. Staat hat sich un keiner Weise geändert."
Reichsstatthalter Robert Wagner (2.11.1936): "...,dass -abgesehen von einer verhältnismäßig geringfügigen unterirdischen kommunistischen Tätigkeit- niemand mehr in Deutschland Partei, Staat od Nationalsoz. so feindlich behandelt, wie ein Großteil der kath. Geistlichkeit."
Gauleiter Wagner (München, 29.6.1937): Die Kath. Kirche ist die einzige innerdeutsche Macht, die sich "noch störend in unserem völkischen Leben bemerkbar macht".
Reichskirchenminister Hanns Kerl (23.3.1937) bezeichnet die Enzyklika (Pius XI) als "offene Kampfansage".
Rede v. Joseph Goebbels (28.5.1937): "Die kath. Kirche attackiert seit Jahren den nat.soz. Staat u. die nat.soz. Bewegung mit Hirtenbriefen..."
Goebbels (Tagebuch 15.2.1937) über Pläne des Führers kontra des Reichskirchenministers: Kerrl will die Kirche konservieren, wir wollen sie liquidieren."
Pius XI (6.9.1938): "Der Antisemitismus ist nicht vertretbar. Wir sind im geistlichen Sinne Semiten"
Ev. Reichsbischof Müller (1938): "Es ist unerträglich, dass dt. Menschen "auf Befehl eines röm. Papstes...die Rassenfrage anders beurteilen sollen als der Staat es tut."
Jahresbericht des SD (1938) sieht Papst u. Weltkatholizismus in "unversöhnlicher Gegnerschaft" dem nat.soz.Regime gegenüberstehen.
Regierung v. Oberbayern (9.1.1939):"Nur die von der Kirche beeinflussten Kreise gehen in der Judenfrage noch nicht mit.
Reichsbischof Müller (1939):"Die röm.kath. Kirche stand von Anfang an im Gegensatz zum nat.soz. Staat."
AntwortenLöschenSD Lagebericht (22.8.1940) betont, dass, wo "der kath. Klerus noch einen sehr starken Einfluss auf die Bevölkerung ausübt", "die stimmungsmäßige Lage eine ungünstigere ist, als in den übrigen Teilen des Reiches".
Hirtenbrief d. dt. Bischöfe (26.6.1941):"Hass gegen Mitmenschen u. Tötung v. Unschuldigen sind niemals zulässig."
Goebbels über Hirtenbrief:"...ein Dolchstoß d. kath. Klerus in d. Rücken unserer Kriegführung".
Gestapo Düsseldorf (19.8.1942):"...dass die kath. Kirche in Dt. in betonter Ablehnung d. dt. Judenpolitik systematisch d. Juden unterstützt"..."mit weitestgehender Unterstützung des Episkopats."
Gauschulungsleiter v. Baden (8.4.1943) meint, die kath. Kirche u. d. Nat.soz. seien "unvereinbar".
Goebbels (22.5.1943):"Die kath. Kleriserei ist immer gegen den Nationalsozialismus."
Bericht d. Kreisleitung Waldshut(18.4.1943): "Die kath. Bevölkerung tut so, als ob dieser Krieg Sache der Nazis sei u. einen guten Katholiken nichts anginge."
Kreisleitung Rastatt (8.5.1943):"...dass die Kath. Kirche nie für den dt. Sieg betet".
Da Du Aussagen v. Kirchenleuten ja skeptisch gegenüberstehst, habe ich hier nur solche von "nichtkirchlichen" aufgereiht. Ich finde solche Aussagen (es gibt deren noch viel mehr) sprechen eine klare Sprache gegenüber Verdächtigungen u. Spekulationen, ob man da nicht noch mehr hätte tun können? Na klar kann man die Latte immer noch höher hängen u. dann fragen: "Warum nicht noch mehr?" Das tun aber mit Vorliebe Leute, die nicht selbst in einer solchen Situation sind.
Nach dem jüd. Historiker Pinchas Lapide haben "Pius XII., der Hl. Stuhl, die vatikan. Nuntiaturen u. d. ges. Kath. Kirche zw. 700.000 u. 850.000 Juden vor dem sicheren Tod bewahrt." Die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir stellt fest, dass "Hunderttausende von todgeweihten Juden ihr Überleben den direkten od. indirekten Interventionen dieses Papstes verdankten". "Die Stimme des Papstes war während der Nazizeit klar, und sie verteidigte die Opfer."
Da habe ich jetzt ja eine Menge zu kommentieren. Ich fange mal mit dem Thema Mißbrauch an.
AntwortenLöschenTatsächlich gibt es eine Abstufung im Strafmaß für verschiedene Vergehen, von der hohen Strafe auf heimtückischen Mord bis zur geringen Strafe für das Überqueren der Straße bei Rot. Daraus aber abzuleiten, daß unterschiedliches Strafmaß auch einen unterschiedlichen Grad an verboten sein bedeutet, halte ich für sehr krude. Und noch kruder finde ich, wenn eine Senkung eines Strafmaßes eine zunehmende Akzeptanz der Tat bedeuten soll. Wenn man diese Logik bis zum Ende verfolgt, dann würde jede Strafe unterhalb der Maximalen eine Ermunterung zur Tat darstellen, und jede Senkung eines Strafmaßes ein Zeichen zunehmender Akzeptanz. Und würde dann die Abschaffung der Todesstrafe bedeuten, daß Mord danach ein bißchen mehr akzeptiert ist?
Auch von einer Zeit der Straffreiheit für Kindesmißbrauch lasse ich mich nicht überzeugen. Leider weiß ich nicht, auf welche Äußerungen genau sich die Attacken gegen "linke" Politiker beziehen, und deren Straffreiheit als Zeichen der Akzeptanz ihrer Positionen interpretiert wird. Aber man sollte zwei Dinge im Blick behalten:
Zum einen ist zwar der sexuelle Mißbrauch sowie der Versuch dazu strafbar, nicht aber automatisch das Reden darüber. Zum anderen Fallen Äußerungen vor dem Parlament unter eine weitreichende Immunität gegenüber Strafverfolgung (Artikel 46 (1+2) GG sind da recht eindeutig).
Anderen Pädophilieaktivisten dagegen wurde sehr wohl der Prozess gemacht. So etwa 1981 Uli Reschle, dem Anführer eine Pädophilenkommune, oder dem Autor und bekennenden Päderasten Peter Schult 1982. Ich kann also keine Zeit der Straffreiheit, weder offiziell noch de facto, erkennen. Und wenn man nun noch bedenkt, daß sich selbst die grüne Basis 1985 und diverse Emma-Autorinnen über Toleranz gegenüber Pädophilie empörten, dann sehe ich nicht mal im "linken" Lager eine breite Unterstützung solcher Positionen. Vom konservativen Lager mal ganz zu schweigen.
Nein, mit einem "damals war es irgendwie ok" will ich keinen Täter entlastet sehen, weder die aus Kommunen, noch die aus der Kirche.
Und nun noch ein paar Anmerkungen zur Kirche im Nationalsozialismus. Zunächst einmal habe ich keinen Zweifel an der Unvereinbarkeit der beiden Weltanschauungen. Eine "natürliche Feindschaft" ist da einleuchtend. Damit beginnen aber gleich die Probleme.
AntwortenLöschen"Ohne Vertrag hat die Kirche (Vatikan) keine "Rechtssicherheit" für ihre Tätigkeiten in einem fremden Land. Ihr Wirken könnte jederzeit als Einmischung in innere Angelegenheiten eines Landes bezeichnet, ihre Priester als "Spione" verhaftet , ihre Institutionen beschlagnahmt werden..."
Ja, die Funktion des Konkordats ist klar. Aber genau darum geht es ja. Die Kirche will nicht vorgeworfen bekommen, sich in die inneren Angelegenheiten einzumischen? Das hätte sie aber mal besser tun sollen. Und sie will nicht, daß ihre Güter beschlagnahmt werden? Das ist verständlich, aber nicht heldenhaft. Und außerdem sollte man nicht vergessen, daß ein Vertragsabschluß auch eine Botschaft auf der Metaebene enthält. Schließt man einen Vertrag mit jemandem ab, so erkennt man ihn auch automatisch an.
Mit einer praktischen Kooperation, etwa in der Militärseelsorge, hatte man wohl auch keine Probleme?
Kurz gesagt, die Kirche duckte sich weg.
Ganz sicher will ich keine "Latte hoch legen" und mir anmaßen zu sagen, wie man in einer Extremsituation wie der NS-Diktatur hätte handeln sollen. Keiner weiß schießlich, wieviel Heldenmut er selber an den Tag zu legen vermag, wenn es mal gefordert sein sollte. Insofern urteile ich nicht darüber, wenn die Kirche darauf bedacht ist, sich selbst zu schützen und sich nicht zu weit vorzuwagen.
Aber wirklich ekelhaft finde ich es, wenn dann diejenigen, die "im Herzen dagegen" waren, sich aber ansonsten zurückgehalten haben und im Zweifel einfach funktioniert, sich im nachhinein als Widerständler inszenieren. Das ist schlicht respektlos denjenigen gegenüber, die wirklich Mut gezeigt und persönliche Risiken in Kauf genommen haben. Und die nicht selten mit Leib und Leben dafür bezahlt haben. Unter denen waren Menschen aller Überzeugungen. Auch Christen, ja.
Nun will ich mich nicht auf eine Zitateschlacht einlassen. Daher nur ein Beispiel, das ich gerade parat habe und das so schön paßt:
"Pius XI (6.9.1938): 'Der Antisemitismus ist nicht vertretbar. Wir sind im geistlichen Sinne Semiten'"
Und aus einer Predigt von Kardinal Michael Faulhaber aus dem Dezember 1933:
"Diese Geschichtsschreiber waren Schreibgriffeln Gottes, diese Sänger von Sion waren Harfen in der Hand Gottes, diese Propheten waren Lautsprecher der Offenbarung Gottes. Darum bleiben diese Bücher glaubwürdig und ehrwürdig auch für spätere Zeiten. Abneigung gegen Juden von heute darf nicht auf die Bücher des vorchristlichen Judentums übertragen werden."
Klingt schon gar nicht mehr so mutig...?
Und noch was:
"Ev. Reichsbischof Müller (1938): 'Es ist unerträglich, dass dt. Menschen "auf Befehl eines röm. Papstes...die Rassenfrage anders beurteilen sollen als der Staat es tut.'"
Verstehe ich da was falsch? Das ist ja ein sehr schönes Beispiel für die Unterwürfigkeit der Amtschristen unter die NS-Diktatur!
Das Konkordat ist ein Vertrag, in dem Interessen u. Befugnisse abgesteckt werden. Das ist kein "Freundschaftsvertrag". Der Abschluss dieses Vertrags mit der dt. Regierung wurde von der Kirche schon seit Jahrzehnten angestrebt (also schon lange vor Hitler) und war zweifellos nicht "heldenhaft", dies sollte u. wollte er auch nicht sein! Er war schlicht u. einfach notwendig. Er versprach einen gewissen Schutz vor Willkürakten des Diktators, also die Möglichkeit einen Teil der dt. Bevölkerung ( den kath. Teil), Priester und auch kath. Juden zumindest theoretisch zu schützen. Hitler hat zwar diesen Vertrag X-Mal gebrochen, Übergriffe waren an der Tagesordnung,aber das konnte man im Vorhinein noch nicht wissen. Sollte die Kirche die einzige Grundlage, das einzige diplomatische "Druckmittel", durch die sie irgendwie schützend oder bremsemd einwirken konnte, von vornherein verwerfen? Sicher, auf der "Methaebene", vor der Welt, wäre es eine großartige Geste gewesen, aber wolltest Du dann die Verantwortung für einen ungebremst wütenden Diktator, für größeres Leid, evtl. höhere Opferzahlen übernehmen? Würdest Du inkaufnehmen nachher vorgeworfen zu bekommen, die einzige logische Chance der Schadensbegrenzung od. Einflußnahme ausgeschlagen zu haben, aus Stolz, Eitelkeit, Dummheit? Hätte die Kirche ohne legal funktionierende Institutionen 800.000 Juden aus dem Land schleusen, in Klöstern u. Pfarren verstecken können? Hätte die Ablehnung des Konkordates Hitler besänftigt? Im Gegenteil! Er hätte 20 Mio. dt. Katholiken (inkl. getaufter Juden) in "Geiselhaft" genommen. Wären die Allierten dadurch früher gekommen? Wohl kaum. Hätte er weniger Juden getötet? Im Gegenteil. Was also hätte es gebracht? Sollte man hier wirklich einen Image-Schaden auf dem internationalen Parkett gegenüber Menschenleben abwägen?
AntwortenLöschenÜbrigens: Die Kirche(jeder Christ)hat sich normalerweise jeglicher Staatsmacht unterzuordnen (Röm. 13).
"Abneigung gegenüber Juden von heute darf nicht auf die Bücher des vorchristl. Judentums übertragen werden": Dieser Ausspruch ist an die Adresse der Nazis gerichtet (gegen die von ihnen betriebene sog. "Entjudung" der Bibel) und sagt: "Wenn ihr Juden schon hasst, solltet ihr das nicht auch noch auf die Bibel übertragen." Die Ablehnung des Rassismus seitens der dt. Bischöfe war ja allgemein bekannt. Eine Rechtfertigung des Judenhasses läßt sich daraus wohl nicht konstruieren.
Bezüglich Reichsbischof Müller: Um vermeintlich interessensgeleitete Aussagan auszuschließen, habe ich nur Zitate von "nicht-kathol.-kirchlichen Zeugen verwendet. Müller ist nicht-kath.-kirchlich. Daraus kannst Du ja Deine Schlüsse ziehen.
Röm.1,32 bezieht sich tatsächlich auf die "göttliche Rechtsordnung". "Todeswürdig" ist das Verdikt Gottes über die sündige Menschheit u. bedeutet: kein ewiges Leben im Himmel. Es kann sich hier um keine menschliche Rechtsordnung handeln, denn Neid, List, üble Nachrede, Ungehorsam gegenüber den Eltern...u.ä. wurde bei Christen nie mit dem Tod bestraft.
Hinsichtlich des verhaltens der Kirche in der NS-Zeit immer noch viel zu wenig beachtet ist die Kooperation von Pius XII mit den Attentätern um Stauffenberg:
AntwortenLöschenhttp://www.kathnews.de/content/index.php/2009/07/20/pius-xii-stauffenberg-und-der-ochsensepp/
Über die Natur des Reichskonkordats sind wir uns grundsätzlich einig. Wenn man aber anführt, daß ein solcher Vertrag von der Kirche schon in der Weimarer Rebublik angestrebt wurde, dann sollte man auch erwähnen, daß es da in vielen Jahren zu keiner Einigung kam. Und es war die neue NS-Regierung, die dieses Thema wieder aufgriff. Da scheint es so, als hätte nicht nur die kirchliche Seite einen solchen Vertrag als notwendig erachtet...
AntwortenLöschenWas das Verhalten unter der NS-Diktatur angeht, so kommen wir leicht auf moralisch sehr dünnes Eis. Letztlich geht es um Fragen wie die, ob man sich zunächst unterordnet, um direkt Leben zu schützen, oder ob man Widerstand leistet, auch wenn das die Situation unmittelbar verschlechtert. Das Attentat auf Reinhard Heydrich ist da ja das Paradebeispiel. Und an der Beantwortung dieser Frage sind schon wahrlich klügere Menschen als ich gescheitert, deshalb werde ich da auch keine Antwort geben. Wahrscheinlich gibt es sogar gar keine.
Aber hypothetisch könnte man ja mal ein anderes Verhalten der Kirche annehmen. So hätte sie z.B. bei Kriegsausbruch sagen können, daß dieser Krieg falsch ist, das Christen ihn nicht unterstützen könnten, und das sie alleine wären, wenn sie ihn führten. Es würde keine Militärgeistlichen geben, und egal wie oft sie es auf ihre Gürtelschnallen schreiben würden, Gott wäre nicht mit ihnen.
Oder anstatt die Bibel gegen den Judenhass abzugrenzen hätte der Kardinal auch sagen können, daß die Juden einmal Gottes auserwähltes Volk waren und wir alle ihre Erben sind. Es steht einem Christen daher an, dem Jüdischen Volk mit einem gewissen Respekt zu begegnen.
Natürlich sind die Folgen solcher hypothetischen Äußerungen schwer abzuschätzen. Aber es scheint mir nicht unplausibel anzunehmen, daß sie in katholischen Ländern wie Deutschland, Österreich oder Italien den Widerstand gestärkt hätten, die Kriegsmoral gesenkt und manch einem treuen Pflichterfüller gute Gründe liefert hätten, nicht so gut funktionieren wie sie es taten. Vieleicht hätten sie so geholfen, die Diktatur schneller zu beenden. Im Falle des Kommunismus rühmt sich die Kirche schließlich auch ihres moralischen Beitrags zur seiner Überwindung.
Keinen Zweifel habe ich nun an den negativen Folgen einer solch hypothetischen Einstellung. Sicherlich hätte sie unmittelbar erhebliche Folgen für die Kirche gehabt. Und wer bin ich, daß ich ein solches Vorgehen fordern könnte? Ich bin froh, mein Gewissen nicht mit einer solchen Entscheidung belasten zu müssen und habe für ein vorsichtiges Vorgehen Verständnis.
Der Punkt ist aber, daß es Menschen gab, die einen erheblichen Mut aufbrachten. Die Widerstand geleistet haben und dabei das Risiko auf sich nahmen, gefoltert und getötet zu werden, und die damit leben mussten, unter Umständen Unbeteidigte mit hineinzuziehen. Und doch haben sie sich zum Widerstand entschlossen. Da empfinde ich es als Beleidigung des Mutes dieser Menschen, wenn sich im nachhinein jeder, der auf Nummer sicher gegangen ist, als Widerständler inszeniert. Wenn das französische Volk plötzlich aus 40 Mio. Résistance-Kämpfern besteht, Marinerichter, die Todesurteile für das NS-Regime verhängt haben, aufgrund ihrer Ablehnung im Inneren zu Widerständlern werden, und wenn die Kirche sich selbst als große Antifaschisten begeift.
Der Verweis auf Römer 13 ist interessant.
"Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt."
Wie genau muß man das denn mit Bezug auf die Faschisten verstehen?
"Röm.1,32 bezieht sich tatsächlich auf die 'göttliche Rechtsordnung'."
Ja, sowas in der Art hatte ich erwartet.
Danke für den unerwarteten Hinweis + Link bezügl. Pius XII von einem zweiten "Anonym". Zu wenig bekannt sind solche Tatsachen meiner Meinung nach, weil die Kirche keine aktive Reklame zur Verbesserung ihres Image betreibt, wie etwa andere Firmen, Konzerne, NGOs. Denn dies würden viele (zu recht?) als einen Mißbrauch von Spenden od. Kirchensteuergeldern empfinden.
AntwortenLöschenZweifellos hat Hitlers Image vom Konkordat profitiert. Aber wäre es damals zu rechtfertigen gewesen,wenn die Kirche, nur um dem Diktator "eins auszuwischen", den Vertrag (den sie schon seit Jahrzehnten anstrebt) abgelehnt hätte und damit 20 Mio ihrer "Schäfchen" dem Zorn und der Willkür eines Tyrannen ausgeliefert hätte? Ist es nicht wichtiger, die eigenen Schutzbefohlenen zu schützen, als einem dubiosen Emporkömmling eine diplomatische Ohrfeige zu erteilen, ohne die Folgen dieser Tat abschätzen zu können?
Soweit ich weiß, hat der Klerus die "Falschheit" dies es Krieges immer wieder zum Ausdruck gebracht und dies wurde auch recht verstanden ( zB. Hirtenbrief vom 26.7.1941 + Reaktion v. Goebbels, Polizeimeldungen aus 1943, siehe Zitate oben). Graf Galen (Bischof von Münster) habe mit seinen Predigten nach Goebbels "Zutreiberdienste für den Feind" geleistet u. sei der "komplette Landesverräter" (Jul./Aug.1941). Der Gauschulungsleiter v. Baden berichtet Ende 1942 an den Reichsleiter Rosenberg, bezgl. d. kath. Kirche, dass von ihr "in keinem Falle" "der Wehrwille und die kämpferische Siegeszuversicht des Volkes gestärkt" würde, sondern nur "bis zum Erbrechen" nach Frieden gerufen werde. Das Hirtenwort d. dt. Bischöfe vom 19.7.1943 stellt fest:"Unrecht bleibt Unrecht auch im Kriege, auch gegenüber dem Gegner, vor allem gegenüber dem wehrlosen Gegner."
Ob die Kirche zu offenem Widerstand hätte aufrufen können, weiß ich nicht. Meines wissens hat sie das auch niemals in der Geschichte getan, nicht einmal in der Zeit d. röm. Christenverfolgung. Ich glaube sie hat weder das Recht zu Meuterei od. Aufstand aufzurufen, noch Märtyrertum zu verlangen.
Hätte sie es getan, wären die Folgen wohl klar: Es hätte ein Blutbad gegeben, denn Befehlsverweigerung wurde mit dem Tod bestraft.
Die Bischöfe haben sich in diversen Schreiben immer wieder vom Antisemitismus u. Rassismus der Nazis distanziert, schon seit den 20-er Jahren!
Das sie auch die Hl. Schrift in Schutz nehmen, halte ich für richtig. Ich finde man sollte hier nicht das eine gegen das andere ausspielen. Sie mussten das eine tun, ohne das andere zu lassen und das haben sie auch getan.
Deine Verbitterung darüber, dass es heute auf einmal so viele Widerstandskämpfer gibt kann ich nachempfinden. Leider ist das menschlich. Wo es Helden gibt, gibt es anscheinend immer auch eine Traube von Trittbrettfahrern.
Ich finde, die kath. Kirche hat einiges geleistet in der Ns-Zeit, verglichen mit anderen konfessionellen od. nicht-konfessionellen Vereinen (zB. rotes Kreuz) steht sie gut da. Dass sie noch mehr hätte tun können steht außer Zweifel, denn auch dieser Verein beinhaltet "Mitläufer" u. Feiglinge. Trotzdem sollte man sich vor überzogenen Erwartungen hüten: Offener Aufstand, Revolution, Massenselbstmord u. ähnliches liegt nicht im Kompetenzbereich der Kirche. Dies wäre Missbrauch des Vertrauens d. Kirchenvolkes.
Danke für die Zusammenfassung.
AntwortenLöschen"Hätte sie es getan, wären die Folgen wohl klar: Es hätte ein Blutbad gegeben"
Tja, die guten alten Zeiten sind vorbei:
"Macht euch auf zum Heiligen Grab, entblößt dieses Land von einer verruchten Rasse und nehmt es selbst an euch – das Land, welches von Gott den Söhnen Israels geschenkt wurde, ein Land, darin Milch und Honig fließt, wie die Heilige Schrift sagt." (- Papst Urban II zitiert nach Robert den Mönch)
Aber manches vermisst man ja auch nicht...
Die Katholische Kirche kann ja nichts dafür, dass ihre Priester pädophil sind. Das können sie ja vorher nicht wissen.
AntwortenLöschenPädophile sind Verbrecher damit das für alle Zeiten geklärt ist
AntwortenLöschenSie sind zu bestrafen und zwar mit sehr langen Freiheitsstrafen
Sie haben sich bei den Opfern zu entschuldigen und von alleine ohne Aufforderung und das öffentlich
Ihnen ist es untersagt ihren Beruf weiterhin auszuüben
Sie zerstören Lebensräume von Menschen damit das klar ist
Die Evolution hat kein Zölibat vorgesehen
Ob gott existiert ist nicht erwiesen
Es ist eine hypothetische Annahme
Alle Schriften die über Gott verfasst wurden
Haben menschen geschrieben
Kinderpornografie ist ebenfalls verboten
Wer sie konsumiert macht sich genauso strafbar und ist pädophil veranlagt
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Wir brauchen in diesem Fall kein intellektuelles Gerede
AntwortenLöschenKlarer Menschenverstand sagt einem was nicht Zutun ist und was nicht
Wer das nicht verstehen kann hat in der Gesellschaft der Menschen nichts verloren
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