Und was schreibt man da so?
"Auch für die Theorien eines Genies wie Albert Einstein gilt: schön und gut, aber ein Praxistest, beispielsweise für die Allgemeine Relativitätstheorie, stand bislang aus."
Naja. Außer den Tests, die die Periheldrehung des Merkur, die Zeitdilatation in Gravitationsfeldern, Gravitationslinsen, usw. usf. bieten.
"Mehr als dreißig Jahre ist es jetzt her, dass amerikanische Physiker mit Hilfe eines Weltraumexperiments erstmals einen Teil der Relativitätstheorie überprüft haben."
Und das, obwohl englische Physiker eine erste Überprüfung der allgemeinen Relativität schon 1919, während einer Sonnenfinsternis, angegangen sind! Ja, das ist immerhin mehr als 30 Jahre her.
"Das sind tischtennisballgroße Kreisel aus Quartz mit einer Beschichtung aus dem Metall Niob. Mit Hilfe eines Magnetfeldes wurden sie im All in Bewegung versetzt, so dass sie fünftausend Mal pro Minute um sich selbst rotierten. Dabei wurden sie mit Hilfe eines Teleskops so ausgerichtet, dass ihre Drehachsen auf den Fixstern Pegasus zeigten."
Ach ja, Englisch "quartz", Deutsch "Quarz". Und einen Fixstern "Pegasus", den müssen die amerikanischen Forscher wohl auch gleich neu entdeckt haben. Denn es gibt allenfalls ein Sternbild Pegasus. Vieleicht hätte man den wirklich hässlichen Sternnamen IM Pegasi aber auch nicht einfach mal so in "Pegasus" verwandeln sollen... Mann, und da ist scienceblogs.de schon Partner von Focus online! Scheint aber nicht viel zu helfen.
"Und doch: Jetzt gibt es den Beweis, dass das Genie mit seiner Theorie Recht behalten hat."
Ja, den gibt es in der Tat. Vieleicht sollten wir hier aber erst mal ein bisschen Verschwörungstheorie um die Relativitätstheorie betreiben! Schließlich ist das ja eine sehr beliebte Beschäftigung:
Wenn man sich für die Geschichte des im Focus-Artikel erwähnten "ersten" Test der allgemeinen Relativität vor mehr als dreißig Jahren interessiert, dann empfiehlt sich der schöne Beitrag The Stanford Relativity Gyroscope Experiment (A): History and Overview von C. W. F. Everitt (1988), veröffentlicht in Near Zero: New Frontiers of Physics. Darin heißt es z.B.
"NASA funding commenced in March 1964 retroactive to November 1963, with initially a supplement from the U.S. Air Force."
U.S. Air Force?? Warum sollte die amerikanische Luftwaffe Tests der Relativitätstheorie mitfinanzieren?! Da steckt doch bestimmt was ganz Großes hinter! Mindestens!
Stimmt! Denn weiter liest man da:
"Cannon's hope was to apply the drag-free satellite in aeronomy and geodesy, as Pugh had suggested. As it turned out, the first application was to the U.S. Navy's TRIAD Transit Navigation Satellite, build by John Hopkins Applied Physics Laboratory and launched in July 1972, [...]."
Da haben wir's! Navigationssatelliten! Da denkt man doch gleich an GPS, eine Entwicklung des amerikanischen Militärs! Und wenn man noch in die Wikipedia guckt, dann findet man da sogar einen eigenen Absatz zu den Effekten der allgemeinen Relativitätstheorie auf das GPS. Da heißt es:
"Damit die Satellitensignale des GPS außer zur Positionsbestimmung auch als Zeitstandard verwendet werden können, wird der relativistische Gangunterschied der Uhren allerdings kompensiert. Dazu wird die Schwingungsfrequenz der Satelliten-Uhren auf 10,229999995453 MHz verstimmt, so dass trotz der relativistischen Effekte ein synchroner Gang mit einer irdischen Uhr mit 10,23 MHz gewährleistet ist."
Diese seltsame Theorie des Genies Einstein steckt heutzutage also implizit selbst im Navi aus dem Sonstwasmarkt mit drin! Soviel zum vermeintlichen Ausstehen des "Praxistests".
Und letztlich sollte man meinen, das mit dem Eindruck schinden durchs Reden über diese mystische, völlig entrückte Relativitätstheorie hätte sich irgendwann auch mal erledigt...
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