Donnerstag, 12. November 2015

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Ein anonymer Kommentator hatte zum letzten Post, dem über Fleischhauer und Pirinçci, einen Kommentar hinterlassen, den ich so interessant fand, daß ich ihm unbedingt antworten wollte. Und dann wurde die Antwort länger und länger und am Ende ist es vielleicht besser, ich antworte gleich in einem neuen Post. Also, diesem hier. Und nun mal ausführlich durch die Zeilen von Anonym!
"Nun habe ich mich schon gefreut endlich mal Argumente gegen Aussagen und Meinungen von Leuten wie diesen Katzenkrimischreiber zu lesen, wieder nichts."
Und das glaube ich sofort - daß sich viele über eine argumentative Auseinandersetzung mit den Aussagen und Meinungen des Katzenkrimiautors und seiner Freunde im Geiste freuen würden. Denn dadurch würden diese als ernsthaft diskutabel aufgewertet. Das Problem ist nur, man kann diesen Meinungsäußerungen gar nicht argumentativ begegnen, nicht einmal, wenn man wollte. Dazu sind diese Aussagen viel zu wirr, viel zu unsinnig. Ich geben mal ein kleines Beispiel. Hier ein Zitat aus einem Text von Akif Pirinçci aus seinem angekündigten Buch "Umvolkung", seinem Blog entnommen:
"Außerdem kommt bei den Flüchtilanten ein negatives Element hinzu, welches jede westliche Gesellschaft, im Grunde jedwelche Gesellschaft irgendwann sprengt. Nämlich das Element der arabisch muslimischen Überflüssigkeit des Seins und die zwar für den gestreßten Westler sympathischen, allerdings allein im Südafrika-Urlaub tolerierbaren Afro-Lethargie, vom zigeunerischen oder albanischen Element ganz zu schweigen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Man kann es auch ganz einfach ausdrücken, mit solchen Leuten ist kein Staat zu machen, schon gar kein deutscher. Die einen beschäftigen sich vor allem anderen und zuvörderst mit dem allahischen Götterwesen, für das sie bereit sind, ihre Kinder zu debilen Ochsen zu erziehen und sogar die eigene Existenz zu zerstören, und die anderen glauben, daß Porsches und geile Chicks auf westlichen Bäumen wachsen, ohne daß man dafür einen Finger krumm zu machen braucht. 
Bereits im nächsten Frühling wird diese homogene Masse ihre charismatischen Führer gebieren, die schlauer und wortgewandter sind, als die einzelnen Doofs in der Essenschlange in der Turnhalle."
Als erstes könnte ich mich jetzt natürlich darüber auslassen, daß es sich hier gar nicht um Meinungen handelt, sondern schlicht um eine besonders plumpe Wiedergabe tiefrassistischer Klischees, und das so etwas völlig inakzeptabel ist. Dann wir mir im Gegenzug vorgeworfen werden, ich sei ein verschwulter Gutmensch, der naiv den Ernst der Lage und die Dummheit der "Flüchtilanten" ignoriert, und wir alle sind glücklich. Die andere Seite, weil es wieder nicht gelungen ist, die Meinung Pirinçcis argumentativ zu widerlegen, sondern nur einmal mehr moralisierendes Gutmenschengetue ausgeschüttet wurde. Und ich, weil die Schmähungen mancher Menschen ein Lob sind. Also lasse ich es.

Dann könnte ich mich mit den schrecklichen Misshandlungen von Sprache und Logik beschäftigen. Was etwa sollen "Flüchtilanten" sein? Flüchtlinge und Asylanten? Alle? Manche? Sind das die "Invasoren" aus anderer Stelle? Oder ist das nur eine Phantasiegruppe in Pirinçcis Kopf? Am Ende meint Pirinçci mit diesem Begriff nur die, die er eben meint...
Oder was ist mit der Stelle "Außerdem kommt bei den Flüchtilanten ein negatives Element hinzu…", nämlich dieses und dieses und auch noch dieses und dieses? Moment, das waren vier…?
Oder was ist mit der Aussage, die "arabisch muslimische Überflüssigkeit des Seins" würde "irgendwann jedwelche Gesellschaft sprengen"? Was soll das heißen? Ist in der arabischen Welt das Sein überflüssig? Ist das Sein der arabischen Welt überflüssig? Und wie sprengt die Überflüssigkeit des Seins Gesellschaften? Man weiß es nicht, und man möchte auch nicht Priniçcis Katzenbuchlektor gewesen sein. Aber man kann zumindest vermuten, daß die "Überflüssigkeit des Seins" als vermeintliches Element der arabisch-muslimischen Gesellschaft in ihr selbst besonders konzentriert vorliegt. Und trotzdem hat sich diese als historisch sehr stabil erwiesen - schließlich bereitet es den besorgten Bürgern Europas doch gerade solchen Kummer, daß muslimisch-arabische Gesellschaften eben nicht so leicht auseinander fliegen würden, oder nicht?

Dochdoch, Prinçcis Werk hat wirklich was von Mein Kampf - Da stehen auch zuhauf solche sprachlichen Missgriffe drin ("Es wird aber nie ein Fuchs zu finden sein, der seiner inneren Gesinnung nach etwa humane Anwandlungen Gänsen gegenüber haben könnte"). Vielleicht hatte Hitler aber auch einfach nur den selben unfähigen Lektor...
Aber all das will ich auch nicht im Detail ausbreiten. Schließlich stammt der Text nur aus einem Blogbeitrag und ist nicht das Werk eines professionellen Autors…!

Nein, worauf ich im Grund hinaus will, ist die homogene Masse. Wir werden laut Pirinçci bedroht von einer arabisch-muslimisch-zigeunerisch-albanisch-christlich-afrikanischen homogenen Masse, die sich nur für Allah oder Porsches und Weiber interessiert. Und jetzt mal jenseits aller Ethik und Sprachmäkelei: Das ist einfach nur… nur… Scheiße. Brägenbei. Gaga. Einem Menschen, dem arabisch-muslimisch-zigeunerisch-albanisch-christlich-afrikanische "Elemente" ernsthaft als homogene Masse vorkommen, dem kann man nicht argumentativ begegnen. Da könnte man auch einen Chiropraktiker auf eine Qualle loslassen. Zur Argumentation bedarf es eines Mindestmaßes an Differenzierungsvermögen, und nicht einmal das bringen Pamphlete wie die eines Pirinçci auf. Insofern kann der sich freuen, er wird nie von seinen Gegnern argumentativ in die Ecke getrieben werden. Und das kann ja auch Strategie sein…
Ansonsten nein, das Zitat ist von mir nicht besonders böswillig ausgesucht. Dieser Stil ist typisch für Pirinçcis "Aussagen". Aber nu weiter.
"Nur die ewig gleiche Leier über die Form."
Eigentlich hatte ich Pirinçcis Pipi-Kacka-Fotze-Form ja überhaupt nicht angesprochen...
"Dazu dann noch ein Exotenbeispiel von irgendeiner Type Anno 2008 hoch im Norden [gemeint ist Anders Breivik], das war's. In diesem Kontext ist es übrigens nichts weiter als Denunziation da sich die Typen [Akif Pirinçci und Anders Breivik] nicht aufeinander beziehen und vermutlich nicht mal kennen."
Stimmt schon, die beiden beziehen sich nicht aufeinander. Inwieweit sie sich, also d.h. ihre Ideen, kennen, darüber kann man natürlich nur mutmaßen. Ich glaube aber nicht, daß es Denunziation (oder eher Verleumdung) ist, auf ein gemeinsames Weltbild hinzuweisen, selbst wenn es unabhängig voneinander entstanden sein sollte. Oder um wieder einmal diesen Hitler zu bemühen: Wenn jemand sagt, er hasse die weltregierenden Juden, dann muß er schon aushalten, sollte sein Weltbild in der Tradition Hitlers betrachtet werden. Ein Hinweis, man heiße einen Völkermord ja nicht gut, ist da als Distinktionsmerkmal etwas dürftig.
"Sarrazin kann man so natürlich nicht angreifen. Zu langweilig sachlich. Also bauscht man Nebensächlichkeiten und Irrtümer auf als wäre es die Kernaussagen."
Ja, der Klassiker… Verlagslektoren sollten ihren Autoren bei der Vorbereitung bahnbrechender Publikationen immer als Rat mitgeben, daß es gaaaanz schlecht ist, seine wichtigen Kernaussagen zwischen einer Unmenge unwesentlicher, schlecht recherchierter und falscher Nebenaussagen zu verstecken. Zumindest, wenn man am Durchdringen der Kernaussagen interessiert ist. Den Fehler machen so viele! Thilo Sarrazin hätte diesen Rat aber eigentlich nicht nötig haben sollen. Als jemand, der studiert und promoviert hat, sollte er schon mit den Grundlagen wissenschaftlichen Schreibens vertraut gewesen sein. Fast könnte man meinen, manch einer nutze diese Strategie bewusst: Man haut eine Unmenge detailversessenen Zeugs raus, an dem sich die Kritiker dann abarbeiten können, und sagt bei jedem nachgewiesenen Fehler, daß gerade dies eigentlich nur ein unwesentlicher Nebenaspekt gewesen sei. Und niemals wird jemand das ganze Werk widerlegen können! Diese Technik benutzen so viele, denen amorphes Dummschwätzen wie bei Pirinçci als Verteidigungsstrategie nicht intellektuell genug daher kommt...
"Was ist mit euch los? Seid ihr alle so "verschwult" das ihr Form und Inhalt nicht trennen könnt?"
Also verschwult bin ich schon, ja. Und mit dem Trennen von Form und Inhalt bin ich etwas kleinlich geworden seitdem GNTM, Bild, Dschungelcamp, jeder noch so sehr stinkende Haufen Müll "ironisch gebrochen" wird.
"Müsst ihr wirklich Begriffe wie Angst und Extremformulierungen weniger von Typen die nur ihre Bücher an den Mann bringen wollen nutzen um die Aussagen zu ignorieren? Wer lebt da in einer Filterbubble?"
Welche Typen gibt es denn, die keine Extremformulierungen benutzten und nicht nur ihre Bücher an den Mann bringen wollen? Dann nehme ich in Zukunft die als seriöse Referenz...
"Mir fällt zu deren Aussagen übrigens wenig ein da ich in einer Großstadt lebe in der das was Sarrazin beschreibt selbst beobachten kann."
Ich lebe auch in einer Großstadt und kann das, was Sarrazin beschreibt, nicht bestätigen. Stand Anekdotenwissen: 1:1.
"Wer im übrigen welchen Unsinn glaubt wird sich noch herausstellen. Vor den von dsog. rechten beschriebenen Szenarien hab ich übrigens keine Angst. Hat doch für mich als von den derzeitigen Zuständen nur Nachteile habenden Mann jede Menge Vorteile, oder?"
Und das finde ich wirklich großartig! Denn: ja! Genau das ist es doch! Die Verteidiger des Christlichen Abendlandes haben Angst vor einer Invasion aus einer patriarchalischen Machogesellschaft, in der viele Kinder zur Welt kommen, Frauen nicht emanzipiert sind, die in Autoritätshörigkeit und überkommenen Traditionen gefangen ist und sich abkapselt und Fremdem gegenüber feindlich eingestellt ist. Und was empfehlen sie gemeinhin als Gegenwehr? Wir selber müssen wieder mehr Kinder kriegen, die Frauen sollen sich wieder auf ihre traditionelle Rolle als Mutter besinnen, wir müssen uns wieder auf unsere religiösen Wurzeln besinnen und und uns abkapseln und wir brauchen eine starke Hand, die durchgreift und uns gegen das Fremde verteidigen kann! Hier schlägt doch voll die alte küchenanalytische Daumenregel zu: Das, was ich am meisten fürchte, ist das, was ich mir insgeheim am meisten wünsche! All die Ideen der "Islamkritiker" laufen am Ende nur darauf hinaus, diejenigen gesellschaftlichen Verhältnisse herzustellen, die sie in die islamischen Kulturen hineinprojizieren - nur eben in christlich. Die respektieren die Frauen nicht? Unsere Frauen zurück an den Herd! Die kriegen viele Kinder? Machen wir mehr Kinder! Die tolerieren keine Kirchen? Keine Moscheen bei uns! Die sind religiös und rückständig? Besinnen wir und auf unsere christlichen Wurzeln, Schluß mit diesem ganzen dekadentem Schwulenkram!
Wenn man keine Probleme damit hat, seinen Gott Allah zu nennen, dann müßte ein Rechter vor den Schreckgespenstern der Rechten wirklich keine Angst haben, im Gegenteil. Viel näher als in seinen orientalischen Phantasien könnte er seinem feuchten Traum von einer konservativen, homogenen und autoritären Gesellschaft kaum kommen!

2 Kommentare:

  1. "Das, was ich am meisten fürchte, ist das, was ich mir insgeheim am meisten wünsche!"
    GENIAL, wie der ganze Blog.
    Weiter so!
    Gruß aus Berlin

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  2. Sehr schön abgearbeitet. Ich hatte auch mit dem Gedanken an eine Antwort gespielt, bin aber nicht recht losgekommen.

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