Klingt als Thema ja spannend:
"Seid ihr eigentlich unabhängig? Recherchiert ihr wirklich? Aus welchen Quellen stammen eure Informationen? Wir sind also selbst angesprochen, und deshalb ist dieser Text eine Art teilnehmende Beobachtung: Woher kommt die Wut? Wohin führt der Vertrauensverlust? Und: Was kann man dagegen tun?"Da bin ich ja dabei! Aber erst mal lassen wir die Faktenlage klären:
"Viele wichtige Zeitungen und Sender haben in den letzten Jahren in Qualität investiert, trotz der Anzeigen- und Auflagenkrise. Es werden heute mehr investigative Reporter beschäftigt denn je, und viele Reportagen verbinden mittlerweile faktenreichen Journalismus mit einer wunderbaren Sprache."Ah, ich seh' schon, eigentlich gibt es nix zu meckern!
"Zudem haben sich Redaktionen neue Codes of Ethics gegeben, auch ZEIT und ZEIT Online, um nach innen und außen zu dokumentieren, wie sie ihre Unabhängigkeit wahren. Wer also den Journalismus pauschal schlechtredet oder nur noch Untergang sieht, der liegt falsch."Ist klar, hab' verstanden, im Grunde alles rosig, es geht halt nur um Detailfragen. Sprechen wir die nach dem Eigenlob mal knallhart an:
"Wahr ist aber auch, dass Journalisten in den vergangenen Jahren in entscheidenden Momenten versagt haben."Und zwar, wo haben sie versagt?
"Vor und während des US-Einmarschs im Irak etwa. Damals, 2003, gaben viele, vor allem amerikanische Medien im Grunde nur US-Regierungspropaganda wieder – und zogen mental mit in den Krieg."Vor allem die amerikanischen Medien haben also versagt. Naja, ok, vielleicht doch noch ein Beispiel für das Versagen deutscher Medien?
"Nicht vergessen ist auch, dass einige Journalisten die Exzesse, die der Finanzkrise im Jahr 2008 vorangingen, zwar untersucht und kritisiert haben. Aber den großen Crash sahen auch sie nicht kommen."Aha. Untersucht und kritisiert haben sie zwar schon, aber versagt dann doch, weil sie nicht hellsichtiger als alle anderen waren? Hm, ja, das ist wahre Strenge gegen sich selbst! Bravo! Das war's dann allerdings auch erst mal mit den Beispielen.
"Nun haben Redaktionen aus ihren Fehlern gelernt, […]."Praktisch, sich seinen Lernfortschritt selbst zu bescheinigen! Immer wenn ich das versuche, kauft man's mir nicht ab, war schon auf der Schule so...
"Aber die Fehler von damals wirken nach. Viel von der Kritik, ja dem Hass, den die Ukraine-Berichterstattung hervorgerufen hat, erklärt sich vermutlich auch daraus."Die Kritik an, ja der Hass durch die Ukraine-Berichterstattung erklärt sich durch das Verhalten amerikanischer Medien während des Irakkrieges 2003 und die Nichtvorhersage der Finanzkrise?
Ja, nach sehr gründlicher Überlegung klingt das absolut einleuchtend! Wobei - nach einem klitzekleinen bisschen mehr Überlegen kommt mir noch eine andere Erklärungsmöglichkeit in den Sinn: Viel von der Kritik an der Ukraine-Berichterstattung könnte sich auch aus Fehlern in der Ukraine-Berichterstattung erklären? Ja? Jaaa?
"Aber es sind nicht nur alte Fehler, die das Vertrauen schwinden lassen, es kommt noch etwas anderes, Gegenwärtiges hinzu:"Ah, jaaaa! Nämlich...?
"die tägliche Skandalisierung."Oh. Hm. Jetzt gleich zum Thema German Wings-Absturz?
"Die Klickzahlen der Nachrichtenseiten schossen in die Höhe, und in den Tagen danach verkauften sich die Boulevardzeitungen besonders gut, die Einzelheiten über den Co-Piloten und dessen Krankengeschichte liefern konnten."Man ahnt schon, wohin das führen soll: Der Leser ist schuld!
"Es gibt also, paradoxerweise, eine maßlose Lust am Skandal – und zugleich eine weit verbreitete Enttäuschung über die Medien, die diese Lust bedienen."Der Leser will es und beschimpft die Medien, wenn sie es ihm geben! Immerhin, das angerissene Thema Fehler der Journalisten, etwa in der Ukraine-Berichterstattung, haben wir damit elegant und komplett abgehackt. Aber ich wage jetzt mal einen ganz ausgefallenen Gedankengang:
Wenn der Journalismus auf Ethik pfeifen und den Lesern einfach Skandale und persönliches Klein-Klein liefern muß, weil es nun mal das ist, wonach der Leser verlangt - ja, sollten die Journalisten dann nicht einfach auch mal ein paar Loblieder auf Russland und Putin schreiben? Denn wie sie am ganzen Protest in den Kommentaren unter ihren Artikeln merken, ist es doch das, was eine ganze Masse von Lesern offenbar haben will? Einfach mal auf die NATO schimpfen und Putins Politik auch mal loben, das wird Altleser neu begeistern und neue Leser anlocken! Geht nicht? Das wäre ja gegen die journalistische Ethik? Verstehe, wenn es nur um irgend so eine Flugzeugkatastrophe und heulende Angehörige geht, dann kann man auf moralische Erwägungen auch ruhig pfeifen. Wenn's aber um wirklich Wichtiges geht, internationale Politik und so, dann muß man bei seinen Überzeugungen bleiben! Die nennt man dann "Qualität".
Heuchler.
So nennt man so jemanden nun mal, da kann man nichts machen, selbst wenn die Journalistenhaut durch all die heftigen Beschimpfungen schon dünn geworden ist.
Na gut, überspringen wir lieber den Textteil, in dem über die gemeiner Weise vom Publikum so geschätzten Satireformate gejammert wird und auch das Problem mit der "Fünften Gewalt", der sich online äußernden Öffentlichkeit. Nur der Schluß ist interessant:
"Deshalb ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass alle Akteure der fünften Gewalt im öffentlichen Diskurs ihr Gesicht zeigen. Auf Facebook ist das sowieso schon der Fall, auf Twitter nutzen viele ihren bürgerlichen Namen, aber auf Plattformen wie YouTube und in den Kommentarspalten der Onlinemedien streifen sich fast alle Akteure der fünften Gewalt eine Tarnkappe über. Warum muss das so bleiben?"Naja, das Thema "Anonymität im Netz" wurde ja schon in der Vergangenheit ausgiebig diskutiert und die Antworten auf diese Frage sind immer noch die selben - einfach mal googlen!
Fazit ist nun: Journalisten der Zeit loben sich erst mal ein bisschen, streuen dann etwas Pseudo-Selbstkritik ein, ärgern sich erst über den dummen Leser, der seinen qualitativ hochwertigen Journalismus wegen Fehlern in der Vergangenheit nicht erkennt und dann über den dummen Leser, der sich über den minderwertigen Journalismus beschwert, den man ihm gibt, weil man's muß, dann über den dummen Leser bzw. Zuschauer, der seine Aufmerksamkeit lieber Satiresendungen als Topjournalismus schenkt. Und zum Schluß fällt ihnen als Antwort auf die Eingangsfrage
"Wohin führt der Vertrauensverlust? Und: Was kann man dagegen tun?"ganz im Ernst nichts anderes ein, als die Abschaffung der Anonymität im Internet zu fordern?
Da muß ich meine Beschimpfung von vorhin doch noch ein bisschen differenzieren:
Heuchler und Schwachköpfe!
Ja logisch, »Der Leser ist schuld!«, das haben Sie sehr richtig erkannt.
AntwortenLöschenDer Leser lechzt ja bekanntlich danach, von den Medien tagaus tagein mit nix wie Schund & Schmarrn abgefüttert & verarscht zu werden, und so bleibt der "Vierten Gewalt" ja gar nix anderes übrig, als sich dem Diktat der "Fünften Gewalt" zu unterwerfen. Die arme Qualitätsjournaille kann einem wirklich leidtun, sich vom garstigen Leser fortwährend dazu gezwungen zu sehen, ihm statt Qualität minderwertigen Quatsch andienen zu müssen ..
So viel Arroganz und Selbstgerechtigkeit in einem Text, das schafft nur die ZEIT (und vielleicht noch Kai Gniffke)!
AntwortenLöschenDumm nur, dass die arrogante Zeit nach wie vor solch einen blendenden Ruf bei ihren Lesern hat.
LöschenEinen überschaubar gebildeten Bild-Leser mit Argumenten davon zu überzeugen, dass in seiner Postille Käse steht, ist durchaus möglich, beim Akademiker mit Zeit-Abo ist dies dagegen ein aussichtsloses Unterfangen.
Für mich gibt es ja nur noch ein Qualitätsmerkmal, nach dem ich deutsche Magazine bewerte: Beschimpfen Sie mich ganz persönlich mit Kindergartenbegriffen wie "Putinversteher", weil ich ihre Arbeitsethik kritisiere?
AntwortenLöschenHier sieht man, wie die Medien die Rolle des Kabaretts übernehmen.
AntwortenLöschenIch kann über so einen idiotischen Artikel nur lachen...
Inhalt des ZEIT-Artikels: Publikumsbeschimpfung und Selbstbeweihräucherung. Endlose Wiederholung des Immergleichen.
AntwortenLöschenWer es wie Hamann in der Zeit nötig hat, besonders extreme Einzelfälle von spontaner Raserei auf seiten von Lesern herauszusuchen, um quasi "den" Internetuser abzuqualifizieren, der hat nicht begriffen, dass vom Einzelfall nicht aufs Ganze geschlossen werden darf. Doch natürlich wissen das die Damen und Herren sehr wohl; es hindert sie nur nicht, diese unseriöse Rabulistik anzuwenden. Irgendwie muss man doch dem Leser klarmachen, dass er vom Wohlwollen der Journalisten abhängt.
Muss man dann Einzelfälle von Journalismus-Versagen nicht auch so bewerten? Nein. Einzelfälle wie der von Caren Miosga, die in den tagesthemen den russischen Präsidenten und Außenminister als Hunde darstellt, müssen einem strengeren Urteil unterworfen werden, da hier erfahrene Journalisten am Werk sind, die Millionen von Menschen damit erreichen und genau wissen, welche Wirkung sie mit dieser Stürmer-Methode erreichen. Ich möchte auch nicht wissen, welche Anfälle von Raserei eine Miosga, ein Roth oder Buhrow abseits der Kamera vom Stapel lassen; danach würde ich ihre Leistung als Journalisten auch nicht bewerten. Aber wo jemand Einfluss auf Millionen von Menschen nimmt, gelten andere Maßstäbe von Verantwortung.
Seriosität begänne damit, dass Medien sich nicht selbst eine Legitimation zusprechen, die ihnen nicht zukommt: Zeitungen sind eben KEINE "vierte Gewalt", sie sind nämlich durch nichts demokratisch legitimiert! Kein Bürger hat sie gewählt und abwählbar sind sie ebenfalls nicht. Wer gibt Zeitungen heraus? Es sind enorm reiche Verleger - in Deutschland gehören bis auf 2 Personen alle Verleger, die eine Auflage über 200.000 haben, zu den 500 reichsten Personen in Deutschland. Sie üben eine gewaltige Meinungsmacht aus und müssten kontrolliert werden - nicht vom Staat, sondern von mündigen Lesern. Das Internet macht dies erstmals möglich. Kann es sein, dass sie genau deshalb das Internet und deren User so verächtlich machen, Herr Hamann von der Zeit? Er teilt die Leser ein in das Drittel, das sich von der Zeit Orientierung geben lässt - das sind die Guten - und jene, die Lust am Skandal haben oder Ekel (vor sich selbst). Letzteres dürfte bei ihm nie vorkommen.
Und wenn Hamann den Medien Lernbereitschaft attestiert: Besteht die vielleicht darin, dass Leser-Kommentare beschnitten werden? Falls sie am Thema vorbeigehen, ist das immer noch das Problem des Lesers, der einen solchen Kommentar schreibt. Oder besteht die darin, dass z. B. die SZ die Möglichkeit des Kommentars unter dem Artikel gleich ganz abschaffte? Wie argumentierte deren Online-Chef Plöchinger noch ein paar Monate vorher: "Störer" müssten "hart wegmoderiert" werden. Nun, das haben sie geschafft. Mich als Leser gibt es dort nicht mehr. Die ZEITungen arbeiten daran, den Leser - Verzeihung: Störer - wegzumoderieren. Und mit solchen billigen Publikumsbeschimpfungen wie Hamann sie betreibt, wird sich das nicht ändern.
Die Lügenpresse lügt nicht, sagte die Lügenpresse verzweifelt mit dem Rücken zur Wand.
AntwortenLöschenDas Lügen ist ja nicht das Entscheidende - wer lügt nicht schon mal - sondern die ungeheure Systematik, die auf den engen Schulterschluss mit den Interessen der Machtcliquen und die Verflechtung mit den transatlantischen Netzwerken hindeutet und ja auch von dem Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger wissenschaftlich nachgewiesen worden ist. Diese Verschwörung von Journalismus und Macht ist der eigentliche gigantische Skandal. Siehe:
http://fassadenkratzer.wordpress.com/2014/10/31/der-journalismus-als-herrschafts-instrument/
Wunderbarer Artikel! Nachdem ich mir die nahezu 1000 Comments der Leser unter dem Artikel durchgelesen habe, und mit knapp 20 "Antworten" ohne Inhalt und selbstkritik abgespeist wurde, lässt mich das Gefühl nicht los als würden diese die Leser nur aus der Reserve locken um zu sehen oder weiterzuleiten wer sich schon vor dem großen Knall gegen das "System" stellt...
AntwortenLöschenDie bei der Zeit nehmen Beispiele aus den Jahren 2003 und 2008? Das ist geradezu obszön, bitter und skandalös. Ich kann mich nicht erinnern, dass es damals schon so etwas wie [stark] frequentierte Kommentarspalten gab. Götz Hamann kann nur Leserbriefe meinen; die Dinger mit der Briefmarke drauf.
AntwortenLöschen"Deshalb ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass alle Akteure der fünften Gewalt im öffentlichen Diskurs ihr Gesicht zeigen. Auf Facebook ist das sowieso schon der Fall [...]".
So so, auf Facebook wird also Gesicht gezeigt. Ich behaupte glatt das Gegenteil! Ebenso sehe ich bei Twitter in sehr seltenen Fällen Klarnamen. Entweder ich bin nicht mehr up to date, oder die Zeit wünscht sich durch die Blume etwas herbei. Wenn die Zeit auf kurz oder lang eine Verifizierung ihrer User anstrebt soll sie es geradeaus sagen, aber apellarisch den erhobenen Zeigefinger strecken und auf Facebook oder Twitter verweisen? Ziemlich gewagt, plump und dumm.
Sehr guter Artikel, der mich weiter in meiner Meinung bestärkt hat, dass bei der Zeit Mummenschanz betrieben wird.
Ausgezeichnet Analysiert. Gute Arbeit!
AntwortenLöschenWas fuer ein verblendeter, selbstgerechter und extrem hochnaesiger Haufen "DIE ZEIT" doch ist... unglaublich.