Montag, 23. Juni 2014

Emotional beeindruckende Goldfischbilder

Da bin ich doch eben zufällig über die Onlineversion von Harald Martensteins aktueller Zeit-Kolumne gestolpert, "Über Verbote und Spielhallen". Und da bin ich auch gleich hängen geblieben:
"In Hamburg wurde die Gestaltung von Spielhallen gesetzlich geregelt. Man nennt dieses Dokument das 'Hamburgische Spielhallengesetz'. Das letzte Gesetz, das mich emotional so stark beeindruckt hat, sind die Zehn Gebote gewesen."
Eine Hammer-Eröffnung, was? Boah! Da will man doch gleich wissen, was in jenem Dokument, das sie das "Hamburger Spielhallengesetz" nennen, drin steht. Netterweise ist es gleich in der Kolumne verlinkt, und so habe ich mich aufgeregt hineingestürzt. Und siehe da, ich wurde bitterlich enttäuscht! Es ist einfach nur ein dröger Gesetzestext wie alle Gesetzestexte, die ich als Nicht-Jurist gelesen habe. Aber vielleicht liegt das einfach nur an mir, ich war schon von den Zehn Geboten nicht sonderlich beeindruckt, weder emotional noch intellektuell. Ich habe nie verstanden, was Menschen an einem Gesetzeskanon, der munter Religion ("Du sollst dir kein Gottesbild machen"), Strafrecht ("Du sollst nicht morden") und Ladenschlussgesetz ("Am siebten Tage sollst du ruhen") mischt, ach so toll finden können. Aber Herr Martenstein erklärt im weiteren Text ja, was ihn so tief beeindruckt hat. Also, am Hamburger Spielhallengesetz, nicht an den Zehn Geboten:
"Laut Hamburgischem Spielhallengesetz ist es verboten, in und vor Hamburger Spielhallen das Bild eines Goldfisches zu zeigen."
Ach. In dem Hamburgischem Spielhallengesetz, das ich gelesen habe, stand davon nichts. Und es stand auch nichts von all den anderen, das Martensteinsche Gemüt aufwühlenden Dingen. Alles, was in Paragraph 4 (1) des Gesetzes steht, ist:
"Von der äußeren Gestaltung der Spielhalle darf keine Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele ausgehen oder durch eine besonders auffällige Gestaltung ein zusätzlicher Anreiz für den Spielbetrieb geschaffen werden."
Und das finde ich emotional echt nicht so wahnsinnig beeindruckend. Aber wovon Herr Martenstein eigentlich (und offenbar ohne es selbst zu wissen) spricht, das sind die "Hinweise zur Gestaltung und Einrichtung von Spielhallen, § 4 HmbSpielhG" des Hamburger Senats an die Bezirksämter, und nicht das Spielhallengesetz. Diese Hinweise sollen die Gesetzesformulierung von der "besonders auffälligen Gestaltung" konkretisieren. Und ja, in diesem Dokument wird tatsächlich das Bildnis eines Goldfischs als unzulässig erklärt, wie auch Abbildungen anderer "Glückssymbole". Dabei soll aber nur beispielhaft gezeigt werden, "welche Abbildungen und Bezeichnungen bei der Außenwerbung für Spielhallen bzw. bei der äußeren Gestaltung der Spielstätte unzulässig oder nur unter bestimmten Rahmenbedingungen zulässig sind." Herr Martenstein kann also beruhigt sein, es ist ihm auch weiterhin nicht verboten, vor einer Spielhalle das Bildnis eines Goldfischs zur Schau zu tragen und es wird ihn auch niemand anzeigen, wenn er "vor Spielhallen mit verbotenen Bildern von Goldfischen dealt", wie er es sich in seiner Kolumne gerne ausmalt. Es ist im lediglich untersagt, seine Spielhalle damit zu bewerben. Und zwar unabhängig davon, ob er diese Regelung emotional und intellektuell zu erfassen vermag oder nicht.
Zum Schluß fragt Herr Martenstein übrigens noch:
"Denken diese Bürokraten, dass wir alle Vollidioten sind? In Wirklichkeit sind wir verdammt schlau."
Keine Ahnung, wie die Bürokraten denn auf Vollidioten kommen könnten. Unerklärlich! Zumindest was das "alle" angeht... Denn wir sind nicht nur alle verdammt schlau, manche von uns sind sogar so schlau, die müssen ein Gesetz nicht einmal lesen, bevor sie darüber schreiben.
Die Zehn Gebote, zum Beispiel...


PS:
Nur der Vollständigkeit halber: Die Credits für die Entdeckung der skandalösen Gestaltungsvorschriften gebühren wohl eigentlich der Hamburger FDP, und nicht Herrn Martenstein mit seiner Kolumne.

PPS:
Und ja, ich weiß, Martenstein-Bashing ist eigentlich zu einfach. Aber bei so viel gelebter Ignoranz konnte ich einfach nicht widerstehen…

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für den Artikel, ich hab mich wieder mal schlapp gelacht.

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