Sonntag, 17. Januar 2016

Gangsta-Style tiefgefroren

Das Hemd, das der mexikanische Drogenbaron "El Chapo" Guzmán in einem Interview vor seiner Verhaftung trug, ist, so hört man, zu einem Verkaufsschlager geworden. Und hier und da wird sich über die Käufer dieses Hemdes lustig gemacht. Dabei verstehe ich nichts mehr als die Männer, die dieses Hemd haben wollen! Jeder, der schon einmal seinen Abend damit verbracht hat, Zucchinischeiben zu braten, dann eine halbe Stunde Diskussion durchgestanden hat, welches Kind zum Abendessen aus der roten und welches aus der blauen Tasse trinken darf und, wenn die Kleinen endlich im Bett sind, umfangreichen Ausführungen der Dame an seiner Seite zum Zustand des Gemüses beim Mittagessen in der Kita lauschen durfte - ein jeder mit dieser Erfahrung versteht Männer, die das Hemd eines Drogenbosses tragen wollen. Oder die Neue aus der Buchhaltung vögeln. Oder sonst was tun für die flüchtige Illusion, noch am Leben zu sein. Diese armen Idioten haben mein absolutes Verständnis! Ist bei mir ja auch nicht anders. Nur habe ich das Glück, keine teuren Seidenhemden oder so einen Quatsch zu brauchen. Mein Katalysator der Illusion ist einfach, billig und sozial verträglich: Tiefkühlpizza!

Was gab es zu essen, wenn die Eltern früher mal verreist waren? Tiefkühlpizza! Was gab es damals, nach dem Auszug in die erste eigene Wohnung, zu essen? Tiefkühlpizza! Tiefkühlpizza, besonders die ganz billige, ist der Geschmack der Freiheit! Wild und ungebunden und voller Hoffnung! Und so schiebe ich mir heute, in einem ruhigen Moment, eine Tiefkühlpizza in den Ofen. Und kurz darauf nehme ich dann ein Stück Tiefkühlpizza in den Mund, schließe die Augen und spüre kurz das Gefühl, den Geschmack von früher. Als man jung war und frei und glaube, noch ein Leben zu leben zu haben! Bis dann von nebenan das Krakeele wieder losgeht, wer jetzt den Spielzuegbagger fahren darf und die Liebste eine Diskussion eröffnen will, ob die Einladungskarten zum Kindergeburtstag nicht doch besser auf farbiges Papier gedruckt werden sollten.
Machen wir uns nichts vor. Noch schaltet man vielleicht ab und an bei Böhmermann rein. Aber der Tatort ist auch schon ganz ok. Und im Anschluß an ein, zwei Jahrzehnte Tatort folgt gleich das Musikantenstadel. Nach dem Musikantenstadl versucht sich ein mäßig begnadeter Kirchenorganist noch ein Mal an Von guten Mächten wunderbar geborgen, und das war's dann.
Nein, setzt mir als Symbol der Hoffnung auf ein ewiges Leben kein Kreuz auf mein Grab! Legt mir Tiefkühlpizzen darauf!

6 Kommentare:

  1. Der Typ ist letztlich ein Massenmörder. Was in Mexiko derzeit abgeht, spottet jeder Beschreibung. Da werden Menschen abgeschlachtet, die Leichen öffentlich aufgehängt, gefoltert. Ganze Studienklassen, die demonstrieren, werden gnadenlos erschossen. Und alles, was unserer boulevardesken Zeitungslandschaft dazu einfällt, ist über Guzman´s Hemd zu schwadronieren.

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    1. Klar ist er das. Aber von ihm geht, wie von anderen großen Gangsterbossen auch, eine Faszination aus, die schon an Popstars erinnert. Und das spiegeln die Medien auch wieder.

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  2. Was "nach dem Tatort" angeht, wirst du dich umorientieren müssen: "Am 12. Januar 2016 gab der ORF bekannt wegen sinkender Einschaltquoten keine regulären Sendungen mehr produzieren zu wollen. Für 2016 und 2017 ist jeweils eine Silvesterausgabe geplant." (Wikipedia) Oder wird das Siechtum verlängert, weil nur noch einmal im Jahr gestadlt wird?

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    1. Oha! Hoffentlich springt da der MDR ein! Ansonsten hilft nur noch rechtzeitig selber machen!

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    2. Ach was selbermachen (die waren aber sehr, sehr gut!), da kann man doch einfach die letzten Jahrgänge Musikantenstadl in die Endlosschleife füttern und auf Dauerbetrieb schalten. Das ist wie bei Silvesteransprachen, merkt niemand von wann das ist.

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    3. Jo mei, der Hansi Hinterseer! Fesch schaut er immer noch aus! Und ich hab' schon g'dacht, der hätt' sich längst totg'soffen! :)

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