Freitag, 19. April 2013

Brandenburgs Zuhälter entdecken die Sittsamkeit

"Ein wichtiger Teil des Gründungsauftrags der Brandenburger Hoch­schulen ist die enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft [...]" 
Aus: Wissenschaft, Forschung und Kultur im Land Brandenburg, Ausgabe 2011/2012 (aka "Imagebroschuere2010.pdf"), herausgegeben vom Brandenburger Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur

"Der Forschungserfolg wird mit Hilfe von Drittmitteln gemessen. Drittmittel nahm die BTU Cottbus 2002 in Höhe von 15.457.000 Euro, 2003 in Höhe von 16.657.000 Euro und 2004 in Höhe von 14.529.000 Euro und 2005 in Höhe von 13.494.900 Euro ein [...]. Der abnehmende Trend wirkt sich zweifach negativ aus: es fehlen nicht nur die Drittmittel selbst, sondern zusätzlich sinken die Zuweisungen des Landes." 
Aus: Die Finanzierung der Brandenburger Hochschulen und deren Bedeutung für die BTU Cottbus, Forum der Forschung 20/2007: Seite 101-110 (Link)
Insbesondere die taz berichtete die Tage ausgiebig von einem Wissenschaftsskandal an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus [1][2][3]: Ein Manager des Energieunternehmens Vattenfall promovierte 1999 an der BTU Cottbus. Inzwischen gibt es ganz gravierende Plagiatsvorwürfe gegen die Arbeit. Die Universität sträubt sich aber mit allen Kräften gegen eine intensive Prüfung der Vorwürfe und die eventuelle Anerkennung des Doktortitels. Vattenfall fördert Forschungsprojekte an der BTU Cottbus mit Summen in der Größenordnung von 800 000 € jährlich.
Allenthalben ist die Empörung groß, eine Universität verkauft ihre wissenschaftliche Redlichkeit! Bis in den Brandenburger Landtag und das Wissenschaftsministerium reicht die Entrüstung inzwischen, sie reicht von der Linkspartei bis zur FDP.
Irgendwie jedoch wird übersehen, daß es die Politik war, die überhaupt erst die Rahmenbedingungen geschaffen hat, die Universitäten in die Abhängigkeit von Geldgebern aus der Industrie trieb. Es war die Politik, die in ihrer Hochschulfinanzierung Drittmittel ernsthaft zum Indikator von Forschungserfolg machte. Und die dann Drittmittel zu einem der Kriterien für die Verteilung öffentlicher Gelder an Universitäten erhob. Und sollte die BTU Cottbus den Vattenfall-Doktor tatsächlich kassieren und Vattenfall - völlig unabhängig davon, versteht sich - zu der Einsicht kommen, daß die eigenen Gelder bei der BTU Cottbus doch nicht so gut angelegt sind wie erhofft und sich verabschieden? Dann wird die Universität nicht gelobt, sondern für den Verlust ihrer Vattenfall-Drittmittel mit Kürzungen öffentlicher Zuwendungen (den sogenannten "leistungsbezogenen Zuweisungen") bestraft. Denn in der durchökonomisierten Logik der Forschungspolitik ist ein Rückgang von Drittmitteln gleichbedeutend mit geringerem Forschungserfolg.

Wir haben eine Politik, die die Universitäten zum Geldverdienen ins Bett der Wirtschaft stößt und sich empört gibt, wenn es zu unsittlichen Berührungen kommt. Die Universitäten spielen in ihrer so gut wohl nur im Wissenschaftsbetrieb gedeihenden, merkwürdigen Mischung aus Feigheit, Narzissmus und Selbstüberschätzung allzu gerne beim Spiel mit. Zum glühenden Verteidiger der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre werden sie nur dann, wenn irgendwo wissenschaftliches Fehlverhalten medienwirksam aufgeflogen ist. Und über eine Wirtschaftselite, sie zum Aufpolstern ihres erbärmlichen Egos nicht auf die Anrede "Herr/Frau Doktor" verzichten kann, muß man wohl nichts weiter sagen.

Angesichts einer solch heuchlerischen, verlogenen Mischung aus Wissenschaftsbetrieb, Wirtschaft und Politik könnte einem die klassische, doktortitelfreie Prostitutions-Schutzgeld-Wir-Brechen-Dir-Die-Beine-Wenn-Du-Nicht-Zahlst-Mafia fast schon herzerfrischend ehrlich vorkommen...

3 Kommentare:

  1. Dann kann es ja nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Unis eigene Marketing- und Vertriebsorganisationen aufbauen, die für die Einwerbung von Drittmitteln zuständig sind. Da gäbe es dann Sonderaktionen, Rabattprogramme u.ä.

    Das könnte dann zu sowas führen: Ab einer Million jährlich für mindestens fünf Jahre gibt es einen Doktor gratis dazu. Neuförderer erhalten zusätzlich eine Studie und ein Paper in einer renommierten Zeitschrift über ein Produkt der Firma. Wer einen Förderer einwirbt, erhält attraktive Prämien, wie bei Zeitungsabos. Hinterher schreiben die Pressesprecher der Vattenfalls usw. den wissenschaftlichen Output der Unis, weil die Profs alle in Drückerkolonnen über Land ziehen, Förderer werben. Der Fantasie sind da kaum Grenzen gesetzt...

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    1. Ach, wenn die Realität da nicht schon so nah dran wäre! Der Präsident der TU Kaiserslautern sagte mal in einem Interview:
      "Wenn jemand seit zehn Jahren ein Drittmittelprojekt nach dem anderen an Land zieht, hat er gezeigt, was er kann. Dann muss ich als Hochschule auch bereit sein, das Risiko zu übernehmen und seinen Vertrag zu entfristen."
      Festanstellungen gibt es an Unis nur noch für Leute, die Geld eintreiben... Das zugehörige Berufsbild "Geldeintreiber", bzw. "Fundraiser" erklärt einem inzwischen schon das Arbeitsamt, bzw. die Agentur für Arbeit.
      Da überholt die Realität die Fantasie schon bald...

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    2. Oder es kommt zu römischen Zuständen an den Universitäten. Damals waren öffentliche Ämter nicht dotiert, und nur Vermögende konnten es sich leisten, so ein Amt zu bekleiden (schöner Ausdruck übrigens, die mussten ihre Ausstattung und Spesen selbst stellen). Der Prof muss nicht nur Drittmittel an Land ziehen, er sollte selbst auch möglichst nichts kosten. Dass die Studierenden ordentlich zur Kasse gebeten werden, versteht sich. Ist ja keine Wohltätigkeitsveranstaltung, so eine Uni!

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