Dienstag, 26. April 2011

Die Hölle, das sind die Zahnzwischenräume!

Lange Jahre meines Lebens glaubte ich ja, es gäbe im Wesentlichen nur zwei Arten von Problemen. In die erste Kategorie fallen Probleme, wie man sie hat, wenn man in Somalia lebt, oder wenn man die Diagnose "Lungenkrebs" bekommt. Richtige Probleme eben. In der zweiten Kategorie sind die Probleme, die man sich frei nach Geschmack und Vorlieben selbst zusammenstellt, wenn man nicht genug Probeme der Kategorie Eins hat. Probleme wie "Bedrohen radioaktiv verseuchte Fischstäbchen meine Gesundheit?"; "Komme ich in die Hölle, wenn ich vorehelichen Sex habe?"; "Mache ich mich des Mordes an wehrlosen Kreaturen mitschuldig, wenn ich ein Frikadellenbrötchen esse?". Seit diesem Osterwochenende weiß ich aber, es gibt noch eine dritte, grundsätzlich verschiedene Art von Problemen. Sie kamen in mein Leben. Da macht man einen schönen Ausflug, geht mit einer anmutigen Frau essen in ein nettes Fischrestaurant, und schlendert danach bei mildem Wetter noch durch die Altstadt. Und plötzlich legt die Dame mit leidendem Gesichtsausdruck ihre Hand an ihre Wange und sagt im gequälten Ton: "Au, verdammt, jetzt habe ich den ganzen Nachmittag Hummer zwischen den Zähnen."
Natürlich, ich habe gleich mitleidig genickt. Aber es war mir sofort klar: Schmerzhafte Hummerreste in den Zahnzwischenräumen - das verlangt als Problem ganz klar nach einer eigenen Kategorie! Die der Luxusprobleme eben. Und man sollte sie nicht unterschätzen! Natürlich können sie nicht mit den Problemen der Kategorie Eins mithalten, aber im Gegensatz zu den Problemen der Kategorie Zwei verschwinden sie nicht in dem Augenblick, in dem man aufhört, über sie nachzudenken. Die quälenden Schmerzen im Zahnfleisch bleiben. Und doch werden diese Probleme gesellschaftlich völlig vernachlässigt. Während die Menschheit auf Probleme der Kategorie Eins mit der Erfindung von Chirurgie, Schuldnerberatung und Zyankalikapseln reagiert hat, und bei Problemen der Kategorie Zwei ganze Heerscharen von Homöopathen, Pfaffen und Rohkostgurus ihre gebührenpflichtigen und unnützen Dienste anbieten, bleibt der Mensch mit seinen Problemen der Kategorie Drei allein gelassen zurück. Trost kommt alleine von einer der wenigen Persönlichkeiten, die die Bedeutung solcher Probleme richtig zu erkennen vermochten. Ich meine nicht Oscar Wilde, sondern Friedrich Nietzsche:
"Was eigentlich gegen das Leiden empört, ist nicht das Leiden an sich, sondern das Sinnlose des Leidens."
Und sinnlos, das sind die Probleme vom Typ Drei ja eigentlich nicht. Schließlich erinnern sie einen wunderbar daran, daß man Probleme vom Typ Eins und Zwei nicht nötig hat!

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