Bisher dachte ich immer, das Gejammer über die angeblich beschnittene Meinungsfreiheit sei ein Phänomen irgendwelcher Spinner, die glauben belegen zu können, daß die Relativitätstheorie falsch sei, und die vom mit Denkverboten belegten Establishment einfach nicht anerkannt werden. Aber vieleicht zahlt es sich noch mal aus, daß ich dieses Blog ohne ausgiebiges Impressum betreibe, denn die Lage scheint viel ernster und das Problem inzwischen im Politischen angekommen. So hatte der Focus am 13.9. in seiner, die gibt wirklich, Rubrik "Philosophie" über den Mangel an großen Denkern in Deutschland geklagt. Beim Focus mutet das zwar an, als würde ein Blinder den Niedergang der Malerei beklagen, aber Schuld hat für ihn eindeutig die soziale "Bestrafung" ungenehmer Meinungen. Um am 2.10. dann stimmt Thea Dorn in der Zeit mit ein. Die traut sich sogar, den Namen Sarrazin zu erwähnen und sieht die Meinungsfreiheit noch nicht in Gefahr, solange der noch einen Verleger findet. Doch auch sie bejammert die "Political Correctness", die "Ecken und Kanten" bei öffentlichen Persönlichkeiten abstraft.
Aber vieleicht sollte man sich doch mal daran erinnern, daß die Meinungsfreiheit beinhaltet, daß ein jeder seine Meinung in Wort, Schrift und Bild verbreiten darf, und das darf ja selbst ein Sarrazin, nicht aber, daß die kundgetane Meinung öffentlich anerkannt, respektiert, ernstgenommen oder honoriert werden muß. Ja, vieleicht ist es mitunter ein Verust, wenn eine nicht respektierte Meinung einfach abgekanzelt wird. Aber darf man Schwachsinn nicht als das behandeln, was er ist? Und gerade das ist all das Geschwafel, das unter verstärkte Meinungsfreiheit gestellt werden soll: ein grob vereinfachendes, undifferenziertes, kurz, populistisches, Geschwätz. Wie soll man damit umgehen? Wie man mit den Kommentaren von Kindern und Idioten verfährt? Das ist zwar Schwachsinn, was Du gesagt hast, aber trotzdem danke, daß Du Dich eingebracht hast? Vieleicht könnte es nicht schaden, sich mal wieder daran zu erinnern, daß die Bildung einer Meinung auch etwas mit Bildung im intellektuellen Sinne zu tun hat. Und daß nicht jede blödsinnige Meinung unter Naturschutz gestellt gehört, nur weil ich so dämlich bin, sie nun mal zu vertreten. Und daß eine öffentliche Meinungsäußerung auch etwas mit Verantwortung zu tun hat, erst recht, wenn sie von einem Träger hoher politischer Ämter vorgenommen wird. Letztlich können all die Sarrazinen dieser Welt dankbar sein, daß die Gesellschaft so dumm ist, sie einfach abzukanzeln. Denn würde sich die Öffentlichkeit erstlich mit ihren Thesen auseinandersetzten, es bliebe nicht viel von dem Mist, den sie zwischen zwei Buchdeckel quetschen lassen. Und mit dem Märtyrertum der Meinungsfreiheit wäre dann auch nichts...
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