Donnerstag, 26. November 2009

Der wunderbare Gottesbeweis

Es gibt ein sehr faszinierendes Dogma in der katholischen Kirche, formuliert auf dem Ersten Vatikanischen Konzil, veröffentlicht in Dei Filius und zitiert im Katechismus:
"Die heilige Mutter Kirche hält fest und lehrt, daß Gott, der Ursprung und das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiß erkannt werden kann."
Bei diesem Satz frage ich mich dringlich, was er bedeuten mag: heißt "aus den geschaffenen Dingen", daß Naturwissenschaften unweigerlich auf Gott führen müssen? Oder das "natürliche Licht der menschlichen Vernunft", daß ein logischer Gottesbeweis möglich sein muß? Und wenn dies in einem wissenschaftlichen System ausgeschlossen ist, ist es dann Häresie? Und vor allem: kann ich mit meinem eigenen trüben Licht der menschlichen Vernunft auch Gott erkennen?
Zur Klärung dieser Fragen hat mich ein sehr freundlicher Jesuit auf das Buch Klassische Gottesbeweise in der Sicht der gegenwärtigen Logik und Wissenschaftstheorie (Münchener philosophische Studien, N.F. Bd. 4, Verlag Kohlhammer 1991, Hrsg. F. Ricken) verwiesen. Zwar habe ich bisher nur den ersten Beitrag darin gelesen (Otto Muck: Funktion der Gottesbeweise in der Theologie), aber ich bin schon dermaßen begeistert, daß ich mir einen Kommentar nicht verhalten kann.
Tatsächlich kann man, so wird da erklärt, den Ausdruck "gewiß erkennen" durch "beweisen" ersetzten, wenn drei Bedingungen vorausgesetzt würden:
1. Sicherheit der Erkenntnis ist dann gegeben, wenn sich die Erkenntnis auf entsprechende Erkenntnisgründe stützt.
2. Die Entfaltung von zureichenden Erkenntnisgründen für eine nicht unmittelbar einsichtige Aussage ist als "Beweis" zu bezeichnen.
3. Da uns ein Erkenntnisgrund für das Dasein Gottes nicht in einer unmittelbaren Einsicht gegeben ist, konnte aus der Gewißheit der Erkenntnis auf die Beweisbarkeit geschlossen werden.
Nun ist das mit der Überzeugungskraft der Beweise für Gott so eine Sache, dessen ist sich auch dieser Autor bewußt. Und daher steigert er sich zu diesem wunderbaren Satz:
"Beweisbarkeit in diesem Sinne ist von faktischer intersubjektiver Akzeptanz entkoppelt."
Was für eine großartige Erkenntnis! Ich würde mich so sehr freuen, eine Doktorarbeit in Mathematik zu sehen, die endet mit der Aussage "q.e.d., aber der Beweis ist von intersubjektiver Akzeptanz entkoppelt". Oder das Plädoyer eines Staatsanwalts, das endet mit "Damit ist bewiesen, daß der Angeklagte schuldig ist. Aber der Beweis ist von intersubjektiver Akzeptanz entkoppelt." (Ups, sowas hatten wir ja schon)
Natürlich werden auch Gründe für die Probleme mit der Akzeptanz genannt. Zum einen sind das Mängel in der "emotionalen Bereitschaft" (nicht sehr originell), zum anderen (schon besser), daß es auf die Akzeptanz der Voraussetzungen von Beweisen durch eine "Forschergemeinschaft" ankommt. Und diese Akzeptanz ist soziologisch bedingt, und hat nichts mit dem tatsächlichen Wahrheitsgehalt zu tun (der Name Thomas Kuhn fällt auch in einer Fußnote!). Eine solch geschmeidige Mischung aus Dogmatismus und Erkenntniskritik muß man den Katholen erst einmal nachmachen!
Und hier erkennt man auch die professionelle Handschrift: Während die Amateure aus der Kreationistenschule sich auf ein Alter der Erde von 6000 Jahren und den Salzgehalt in Meeren festlegen und mehr Angriffsfläche als ein Scheunentor bieten, kann man eher einen Pudding an die Wand nageln, als die Profis der Societas Jesu auf eine Position festlegen.
Und was das Dogma sagen soll, ist damit auch klar: gar nichts. Denn zwar muss man an Gott nicht einfach nur glauben, sondern man kann seine Existenz aus der Betrachtung der Welt heraus beweisen. Aber dieser Beweis ist Glaubenssache.

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