Samstag, 25. August 2012

Mit dem Nazimob in eine bessere Zukunft

Vor einigen Jahren veröffentliche Nicolaus Fest in der Bild Sätze wie:
"Es begann die Zeit der großen „ethnischen Säuberungen“. Überall wurde umgebracht, deportiert und vertrieben [...] Aber es brachte auch homogene Gesellschaften – und damit vielen europäischen Ländern Frieden und Stabilität." 
"Nachdem vor nicht einmal 80 Jahren ganze Völkerschaften der inneren Stabilität Europas geopfert wurden, scheinen die Vorteile homogener Gesellschaften inzwischen fast vergessen."
Es erschien mir damals schon fast unglaublich, daß eine große deutsche Zeitung wirklich den Raum zur Verfügung stellt, um den Zweiten Weltkrieg und seine Völkermorde als schmerzlichen Opfergang zum Wohle Europas zu verklittern. Heute schrieb dann Jasper von Altenbockum in der FAZ:
"Ein wütender Mob zündete vor 20 Jahren das Asylantenheim in Lichthagen an. Der Terror brachte manchen Sozialromantiker zur Besinnung und machte den Weg für eine gesteuerte Einwanderungspolitik frei."
Auch er half, Sozialromantiker
zur Besinnung zu bringen.
Diese Einleitung wurde inzwischen offenbar gehen eine harmlosere Version ausgetauscht. Der Geist des Artikels bleibt aber erhalten:
"Erst „Lichtenhagen“ brachte manche dieser Sozialalchimisten zur Besinnung."
Der Ungeist, aus reinem - und natürlich zu verachtenden - Verbrechen Gutes erwachsen zu sehen, er hat offenbar nicht mehr nur die Bild befallen.

Nun wird eine einzelne Frau wie die Ruderin Nadja Drygalla sozial geächtet, weil sie einen rechtsradikalen Lebenspartner hat. Nach einem Gespräch reist sie offiziell freiwillig von den Olympischen Spielen ab, ihr Antrag auf Sportförderung würde nun "auf Eis liegen". Und manch einer ist auch noch stolz auf die klare Position der Gesellschaft, was Toleranz gegenüber rechtem Gedankengut angeht. Wenn dagegen Redakteure von ganz großen, teilweise sogar angesehenen, deutschen Zeitungen intellektuell verbrämt die süßen Früchte von rechtem Mord und Terror hervorheben, dann passiert - nichts. Es gibt keine breite gesellschaftliche Ächtung, keine Entlassung, keine Versetzung, vermutlich nicht einmal weniger Einladungen zu Grillparties. Was bleibt ist allein die Botschaft: Rechte Gewalt und Terror seien schrecklich, aber brächten doch zumindest die Linken zur Vernunft und Europa die Stabilität.

Vielleicht sollte man sich um die geistige Verfassung Deutschlands wirklich Sorgen machen.

5 Kommentare:

  1. Ich schlösse mich Ihrer Forderung nach Ächtung, Entlassung und Versetzung gerne an. Aber ich lese (und kaufe!) diese Druckerzeugnisse nicht, insofern mich deren absurdes Gedankengut (?) gar nicht erst erreicht.
    Der letzte Satz Ihres Artikels ist ungewohnt schwach. Kein´"Vielleicht", und man "sollte" nicht, man "muß"! Aber "darf" man...?
    Sich Hoffnungen machen nämlich?
    gez.
    Unterzeichner

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    1. Die Hoffnung darf man wohl nicht aufgeben. Aber die Art der Hoffnung hat sich in meinem Fall sehr gewandelt. Ich habe mich von solch absurden Gedankengut auch ferngehalten, in der Zuversicht, daß die staatlich-demokratischen Strukturen damit schon klar kommen werden. Aber inzwischen gibt es deutsche Polizisten, die Ku-Klux-Clan spielen und mit einem ermahnenden Zeigefinger davon kommen, weil ihnen nicht klar war, daß es dabei um Rassismus geht. Es gibt Ermittlungsbehörden, die aus (wenn wir es mal ganz wohlwollend interpretieren) unfassbarer Inkompetenz Naziterroristen zuarbeiten. Es gibt Medien mit einer Reichweite im zweistelligen Millionenbereich, die Thesen verbreiten, bei denen einem Nazi vor Rührung die Tränen in die Augen steigen müssten. Bis in die politischen Talksendungen hinein wurde darüber gesprochen, ob genetisch minderwertige Zuwanderer uns Deutsche durch ihre Vermehrung auszulöschen drohen. Und daß Südländer arbeitsfaule Verschwender sind, ist als Ansicht nicht nur am Stammtisch, sondern auch diversen Zeitungen nicht mehr peinlich.
      Meine erste naive Hoffnung wurde schon reichlich enttäuscht...

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  2. Besonders schön gefällt mir ja auch dieser Teil:
    "Wer Fragen wie diese vom Tisch fegt mit der Bemerkung, eine Wohlstandsgesellschaft wie die deutsche müsse ja wohl dieses oder jenes aushalten und sei überhaupt nur intakt, wenn sie ihre Selbstverleugnung moralisch herbeisehne, hat entweder ein Interesse an Instabilität oder wohnt nicht in Berlin-Neukölln oder einer Plattenbausiedlung, sondern im Kiez oder in der Toskana."

    Solche Bemerkungen kommen nämlich wirklich fast nur von Leuten die nicht in Berlin-Neukölln wohnen (hier kann man auch gerne Duisburg-Marxloh einsetzen). Aber der Herr von Altenbockum ist bestimmt ein Experte für soziale Brennpunkte, weil er schonmal mit der S-Bahn von der Oper nach Hause gefahren ist und da waren so laute Türken drin.

    Eines muss ich aber kritisieren: Ich hatte gehofft durch DWÜDW zu erfahren was uns die NSU-Morde gesellschaftlich gebracht haben. Ich habe leider keine Lust zu warten bis in 20 Jahren die FAZ etwas dazu schreibt.

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    1. Also, daß sich jemand wie Herr Altenbockum nach dem Opernbesuch in die S-Bahn bemüht, kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Das würde ja gleich die ganze geistige Erhebung wieder zunichte machen, für die man ja auch nicht wenig des im Qualitätsjournalismus hart verdienten Geldes hinblättern muß. Aber bestimmt kennt er jemanden, dessen Sohn schon mal in der S-Bahn war oder gar auf Klassenfahrt in Neukölln, so daß er über die Zustände dort bestens informiert ist. Und was diese Migranten in der Karl-Marx-Straße (allein dieser sozialromantische Terroristenname!) jeden Tag so veranstalten, dagegen waren die Pogrome in Lichtenhagen doch wirklich nur ein harmloser kleiner Fackelzug...

      Ich bedauere es natürlich, Leser in Bezug auf die positiven Auswirkungen des NSU enttäuschen zu müssen. Aber ich muß um Verständnis bitten. Nicht, daß der Zynismus von DWüdW hier Grenzen kennen würde. Aber z.Z. ist sie einfach noch zu sehr damit beschäftigt, herauszuarbeiten, was die RAF-Morde so alles an positiven Auswirkungen hatten. Schließlich wollen wir Herrn Altenbockum mal so richtig auf der Palme erleben!

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    2. Ja, ein kurzer Blick in die Verlagseigene Vorstellung des Herren von Altenbokum zeigt seinen für Neuköln typischen Lebenslauf. Zunächst ein Studium in in Tübingen, Berlin und Münster (ohne Abschluß) worauf unser Anwalt des gesunden Volksempfindens dann in die Washington University in St. Louis wechselte. Mit schlappen 56.000 Dollar Studiengebühren pro Jahr ein Schnäppchen... Dann eine Promotion in Münster und direkt zur FAZ.

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