Montag, 27. Dezember 2010

Hegel-Preis für Mißachtung der Logik 2010

Ein Jahr geht seinem Ende entgegen, und wieder einmal prasseln all die unumgänglichen Rückblicke und Würdigungen auf einen nieder. Und es werden die Nobelpreise und Ig-nobel-Preise verliehen, das Wort und das Unwort des Jahres ausgezeichnet, doch eine kritische Würdigung vermisst man schmerzlich: Den Preis für die herausragendste Mißachtung der Logik des Jahres. Und diese Lücke wird dieses Blog nun schließen und den erstmals den Hegelpreis für die Mißachtung der Logik vergeben! Unsinnige Schlußfolgerungen aus dämlichen Prämissen zu ziehen ist ja so alltäglich, daß es einem nicht mehr weiter auffällt. Ja, ganze Berufgruppen leben gut davon. Umso mehr sollte man die wenigen hellen Geister schätzen, die sich erst gar nicht lange um die landläufigen Regeln logischen Schließens, um Unterschiede zwischen Korrelation und Kausalität, oder einfach nur um die Bedeutung von Begriffen scheren, sondern gleich kreativ und ungehemmt zu genehmen neuen Erkenntnissen voranschreiten. Nicht ganz klar, was gemeint ist? Dann Schluss mit der Theorie, schreiten wir gleich zu den Nominierungen für 2010 voran, dann wird auch klar, worum es geht!
Und hier sind sie! Eine Jury aus ausgewählten Autoren dieses Blogs hat einstimmig die folgenden Personen aus preiswürdige Nominierungen ausgewäht. Nachnominierungen sind auf formlosen, begründetem Antrag hin möglich. Die Kandidaten in chronologischer Reihenfolge:


Kandidat A: Kardinal Christoph Schönborn, Wien, Berufsgläubischer

Die erste Nominierung geht vedient an einen Experten fürs Kinderficken aus dem katholischen Klerus. Auf kat.net vom 5. März 2010 wird der Kardinal zitiert mit:
"Wenn der Zölibat Schuld [an sexuellem Mißbrauch] hätte, dann dürfte es in den Familien keinen Missbrauch geben."
Genau. Vermutlich muß man erst Jahre des Theologiestudiums bewältigen, um diesen Schluß einleuchtend zu finden. Hat man die Schlußweise aber erst einmal verinnerlicht, dann leuchtet einem einiges weitere ein: Wenn Alkoholkonsum Schuld an Verkehrsunfällen hätte, dann dürften nüchterne Menschen keine Unfälle haben. Schade, daß es ausgerechnet die Protestantin Käßmann sein mußte, die diesen Folgerung bis zur letzten Konsequenz trieb!

Kandidat B: Anton Stucki, Treuenbrietzen, Klärwerksbereiber
Herr Stucki beschallt in seiner Kläranlage Bakterien mit Musik von Mozart, um sie zu besserer Wasseraufbereitung zu animieren. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 2. Juni 2010 erklärt er die Logik hinter diesem originellen Vorgehen mit den Worten:
"Seine [d.h. Mozarts] Musik wirkt auf Menschen jeglichen Alters und jeglicher kultureller Herkunft. Warum also nicht auch auf Mikroben? Mikroben sind doch Wesen wie wir."
Genau. Zumindest wie die meisten von uns. Und Menschen jeglichen Alters und jeglicher kultureller Herkunft finden Klärbecken eklig. Die Frage, warum Mikroben sich trotzdem darin wohl fühlen, harrt als das "Stucki-Paradoxon" weiter ihrer Beantwortung durch einen kompetenten Klärwerksbetreiber!
Nicht tiefsinnig, aber schön, und so ebenfalls verdient nominiert.

Kandidat C: Dirk Niebel, Berlin, Entwicklungshilfeminister
2010 war ja ein Fußballjahr, da muß also auch ein Kommentar zum Fußball her. Und den hat Herr Niebel geliefert, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie ernst das gemeint war. Zwar ist die FDP ja die kompetente Spaßpartei (Steuersenkungen für Hotelübernachtungen, spätrömische Dekandenz beim Hartz IV,...), aber bei Politikern weiß man ja nie...
In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung vom 16. Juni, also nach erst einem Spiel der deutschen Mannschaft bei der WM, begründete er den Weltmeistertitel für Deutschland wiefolgt:
"Deutschland wird deshalb Weltmeister, weil Deutschland immer nur dann Weltmeister geworden ist, wenn die FDP in einer Bundesregierung gewesen ist."
Mit induktiver Logik in die bunte Welt der Kausalität! Die Tatsache, daß ich immer nur dann Sex hatte, wenn die CDU oder SPD den Kanzler stellten, sollte ich endlich mal in meine Wahlentscheidungen einfließen lassen! Danke, FDP! Dafür gibt's eine Nominierung auf dem Startplatz C.

Und schließlich:

Kandidat D: Roland Düringer, Wien, Komiker
Gleich noch eine Nominierung geht nach Österreich! Die Frage "Gibt es für Sie Gott?" beantwortete er im Kurier vom 21. Oktober vollendet mit: "Ja, natürlich. In dem Sinn, dass man das Wort Gott durchstreicht und dafür das Wort Leben hinschreibt: Mir hat noch keiner erklären können, was das Leben ist. Das ist das große Mysterium, weswegen die Wissenschaftler in der Schweiz Teilchen im Kreis schicken. Dabei haben die Indianer eh schon alles gewusst." Mal abgesehen davon, daß die Weißkittel zur Beantwortung der Frage, was das Leben ist, statt Teilchen im Kreis zu schicken, einfach mal bei Winnetou nachfragen sollten - ich selber bin auch überzeugt, daß es Gott gibt, sofern man "Gott" durch "Wackeldackel" ersetzt! Und Spinat schmeckt viel besser, wenn man ihn vor dem Servieren durch ein Steak ersetzt! Soviel einleuchtende Argumentation muß mit einer Nominierung belohnt werden!

Und jetzt ist der Leser gefragt, denn hier geht es ganz basisdemokratisch zu! Einfach in der Kopfzeile des Blogs abstimmen, wer der erste Träger des Hegelpreises für die Mißachtung der Logik werden soll!
Am 1. Februar wird der Gewinner verkündet und im Rahmen einer Feierstunde auf diesem Blog nicht über seinen Erfolg informiert!

Guten Rutsch!


7 Kommentare:

  1. Schönborn lässt seine Konkurrenz eiskalt im Regen stehn. Klasse.

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  2. Wieso war 2010 ein "Fußballjahr"? Ansonsten & trotzdem: wunderschöne Auswahl

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  3. der Autor möge doch bitte einen Gedanken an den Zusammenhang von Logik(-verständnis) und Grammatik verschwenden, ...

    darüberhinaus wirkt die Nominierung von A ziemlich lächerlich, da seine Aussage (und auch der Alkoholvergleich) durch Hinzufügen von "ausschließlich" plötzlich völlig korrekt wird^^

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  4. @anonym3:

    "darüberhinaus wirkt die Nominierung von A ziemlich lächerlich, da seine Aussage (und auch der Alkoholvergleich) durch Hinzufügen von "ausschließlich" plötzlich völlig korrekt wird"
    Da steht aber nicht das "aussschliesslich". Jetzt sind Sie nahe am Kandidaten D. Wenn man das, was da steht, durch was anderes ersetzt... ;-)
    Aber es stimmt schon, die Auswahl wirkt in Hinblick auf die Logik etwas willkuerlich.

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  5. Also Kandidat C muss doch so oder so einen Preis bekommen, sozusagen als Sonderpreis, wenn er sich als El-Cheffe eines Ministeriums präsentiert, welches er ja abschaffen wollte. Somit bleit ja nur noch die Wahl zwischen A, B & D und der Sonderpreis geht an C ;-) auch stellvertretend für seine Partei, die die Mißachtung der Logik ja beide als Lebenswerk ansehen

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  6. @ anonym 2:
    "Wieso war 2010 ein "Fußballjahr"?"

    Immerhin hatten wir 2010 eine Fußballweltmeisterschaft.


    @anonym 3:
    "der Autor möge doch bitte einen Gedanken an den Zusammenhang von Logik(-verständnis) und Grammatik verschwenden, ..."

    Das würde sicherlich ein längerer Grundlagentext... Aber die logischen Fehler sind in allen Fällen da. Bei manchen sind sie sehr offensichtlich. Kandidat B z.B. schließt, salopp gesagt, von "Alle Menschen mögen Mozart" und "Alle Menschen sind Lebewesen" auf "Alle Lebewesen mögen Mozart".
    Kandidat C ignoriert schlicht das "Induktionsproblem", das hier mal nicht nur als eine prinzipielle Frage der Wissenschaftstheorie auftaucht.
    Bei Kandidat A ist es ein bißchen tiefsinniger. Am besten wäre es wohl, den Begriff der Ursache hier prädikatenlogisch zu formulieren, um den Fehler auch formal herauszuheben. Oder man muß zur Logik höherer Stufe greifen...? Da muß ich erst mal drüber nachdenken, wenn ich Zeit habe.

    @Steven:
    "und der Sonderpreis geht an C"

    Ist es für die FDP nicht schon Trost genug, wenn sie bei wenigstens einer Wahl dieses Jahr über die 5%-Hürde kommt? ;-)

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  7. Ich wähle C) wegen kompletter Missachtung von Korrelation und Kausalität.

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