Dienstag, 12. März 2013

Von Kometen geblendet

Es gibt in den Medien ein beeindruckendes Phänomen. Sprechen Politiker, staatliche Institutionen, Wirtschaftsverbände, so demonstrieren Journalisten gerne ihre Fähigkeit zur gnadenlosen Kritik. Fast schon stolz erscheinen sie, gelingt es ihnen, einer Ministerin eine Frage zu stellen, die sie "überfordert". Ganz anders ist es aber, wenn eine Institution wie die NASA etwas verkündet. Sofort fallen Journalisten allesamt in eine ehrfürchtige Schockstarre und tragen ohne eines Moments des Nachdenkens weiter, was die NASA so alles meint. Denn hey - Hallooo? - , es ist die NASA! Heute z.B. schreibt Spiegel Online anläßlich des erwarteten hellen Kometen C/2011 L4 PanStarrs:
"Laut der US-Weltraumbehörde Nasa gibt es im Schnitt alle fünf bis zehn Jahre die Möglichkeit, einen Kometen mit bloßem Auge am Himmel zu sehen."
Und stimmt, das hat sie tatsächlich so gesagt. Und es ist trotzdem völliger Quatsch. Man muß nur einmal die hellen Kometen der letzten Jahre durchgehen. Nehmen wir, durchaus realistisch, an, ein Komet ist mit bloßem Auge sichtbar, wenn er heller als 6. Magnitude (6m) wird. Dann finden sich im Zeitraum von 2000 bis 2012 (einschließlich) insgesamt 21 Kometen, die mit bloßem Auge sichtbar waren - d.h. etwa 1,6 pro Jahr:

Helle (< 6m.0) Kometen (Katalognummer und Name) nach Jahren:

2012
keiner

2011
keiner

2010
C/2009 R1 McNaught
103P/Hartley 2

2009
C/2007 N3 Lulin

2008
C/2007 W1 Boattini

2007
C/2006 P1 McNaught (*)
C/2007 F1 LONEOS
17P/Holmes (*)
8P/Tuttle

2006
C/2006 A1 Pojmanski
C/2006 M4 SWAN
73P/Schwassman-Wachmann 3

2005
C/2004 Q2 Machholz (*)

2004
C/2001 Q4 NEAT (*)
C/2002 T7 LINEAR (*)
C/2004 F4 Bradfield

2003
C/2002 V1 NEAT (*)
C/2002 X5 Kudo-Fujikawa

2002
C/2000 WM1 LINEAR (*)
C/2002 C1 Ikeya-Zhang (*)
C/2002 F1 Utsunomiya

2001
C/2001 A2 LINEAR (*)

2000
keiner

Gut, zugegeben, ziemlich viele dieser Kometen konnte man nur an sehr dunklen Orten als kleines Pünktchen mit bloßem Auge erkennen. Aber selbst wenn wir uns auf die leicht zu sehenden, mitunter gar spektakulären Kometen dieser Zeit beschränken, bleiben immerhin noch 9 (die mit den Sternchen in der Liste) innerhalb von 13 Jahren. Oder im Schnitt alle 1,4 Jahre einer.
Vielleicht setzt sich irgendwann ja einmal unter Journalisten die Erkenntnis durch, daß auch ehrwürdige wissenschaftliche Institutionen im 21. Jahrhundert PR betreiben (müssen) und die Dinge gerne mal ein bisschen eindrucksvoller, spektakulärer darstellen, als sie tatsächlich sind. Aber dann müsste man sich auch trauen, selber mal über Behauptungen sogar der NASA nachzudenken. In diesem speziellen Fall hätte das SpOn sogar leicht fallen können: Für mindestens sieben dieser Kometen in den letzten 13 Jahren hatte Spiegel Online seinerzeit selbst verkündet, daß man sie mit bloßem Auge sehen könne [1][2][3][4][5]!

Nachtrag 14.3.:
SpOn legt heute noch ein bisschen nach:
"Zuletzt war der Komet Hale-Bopp 1997 am nächtlichen Sternenhimmel mit bloßem Auge zu bewundern."

3 Kommentare:

  1. Vielleicht meinten die ja die Kometen, die man von der 300 E Street SW in Washington D.C. aus sehen kann? Das könnte dann wieder stimmen (bin aber zu faul, das zu recherchieren).

    Helle (< 6m.0) Kometen : Du meintest bestimmt Helle (> 6m.0) Kometen oder? Die sollen ja heller sein, nicht dunkler als 6m.

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  2. Möglicherweise. Und vom Archiv im Keller aus betrachtet sind es dann noch weniger!

    Nee, das ist das Abartige bei diesen Astronomen. Die drehen ihre Skalen auch einfach mal um. Je kleiner die Zahl, desto heller das Objekt: Sonne -27, Vollmond -13, Vega 0 und die schwächsten Objekte, die man mit dem Auge gerade noch sehen kann so um die 6...

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    1. Keller: Ganz richtig. Der Zusammenhang von Kellerräumen in Behörden und interstellaren Angelegenheiten ist in der einschlägigen Literatur hinlänglich beschrieben.

      Skalen: Da hätte ich vor dem Klugscheißen doch mal Wikipedia bemühen sollen. So'n Mist, jetzt stehe ich da wie einer, der nicht einmal die elementare Kulturtechnik des Copy&Paste beherrscht...

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