Mittwoch, 9. November 2011

Long live the Aufblühvermeidungsabfluß!

Vor ein paar Jahren hatte ich einmal versehentlich eine im Auftrag des französischen Kulturministeriums verschickte E-mail bekommen, in der es um eine Befragung unter französischen Muttersprachlern in der Wissenschaft ging. Es sollte festgestellt (d.h. natürlich evaluiert) werden, wie es der frankofonen Seele unter dem zeitgenössischen Zwang ergeht, die Ergebnisse ihrer wissenschaftlicher Bemühungen international in englischer Sprache zu publizieren. Was hatte ich mich damals amüsiert! Angehörige eines Volkes, so sprachunbegabt, daß es auf internationalen Veranstaltungen immer mit den Chinesen um den ersten Platz im schlechtesten Englisch konkurriert, und die sich bereits (ernsthaft!) für "bilingue" halten, wenn sie "Hello" und "My - öhhhhh - name is..." sagen können, ja, diese Menschen leiden sicher sehr, wenn sie die Perlen ihrer civilisation française (auch bei diesem Begriff: ernst gemeint) in barbarischen fremden Zungen verbreiten müssen.
Aber jetzt lache ich nicht mehr. Denn am morgigen Donnerstag beginnt in Essen die Deutsch schafft Wissen - Konferenz, veranstaltet vom Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Institut für Deutsche Sprache. Und worum geht es da? "Wissenschaft ist ohne Sprache nicht denkbar." Ach was! Telefonieren auch nicht. Aber das meine ich ja auch nicht. "Im Sinne einer akademischen Mehrsprachigkeit gilt es, die heutige Bedeutung der deutschen Sprache in den Wissenschaften zu festigen." Genau, das meine ich. Nachdem die Deutschen den Wissenschaften erst die Worte Gedankenexperiment und Bremsstrahlung, dann Blitzkrieg und Führerprinzip geschenkt haben, wird es höchste Zeit, daß wir - im Sinne einer akademischen Mehrsprachigkeit - endlich wieder mehr Deutsch in die Welt der Forschung und Technologie tragen. Und dieses Blog - äh, Zwischennetzlogbuch?- scheut sich nicht, seinen Beitrag, quasi als inoffizielle Ergänzung zu besagter Konferenz, zu leisten! Daher wollen wir hier zum feierlichen Anlaß einmal im lupenreinen akademischen Deutsch erklären, was ein CCD eigentlich ist. Das soll natürlich heißen, ein LGB, ein Ladungsgekoppeltes Bauteil. Denn wie die deutsche Sprache in der Wissenschaft, so wird auch das LGB im allgemeinen Bewusstsein nicht genug gewürdigt.

Ein Charge Coupled Device Ladungsgekoppeltes Bauteil ist das wichtigste optoelektronische Bauteil. Es wandelt Licht in elektrische Ladung um und spielt damit u.a. die Rolle des "Films" in elektronischen Kameras aller Art. Dabei ist die erzeugte Ladungsmenge direkt proportional zur Lichtmenge, zumindest solange die full well capacity Vollbohrungskapazität nicht erreicht ist. Übersteigt die produzierte Ladungsmenge die Vollbohrungskapazität deutlich, dann kann es zum blooming Aufblühen kommen. Ladungen fließen von einem pixel Bildpunkt in benachbarte Bildpunkte. Dieser Effekt wird in modernen LGB durch eingebaute anti-blooming drains Aufblühvermeidungsabflüsse unterdrückt. Durch diese können Ladungsüberschüsse aus dem LGB abfließen. Die charge transfer efficiency Ladungstransfereffizienz wird durch buried channels vergrabene Rinnen erhöht. Diese konzentrieren die Ladungen unter der Oberfläche des LGB. Hier wird man aber zu einem Kompromiss gezwungen: Geringere Empfindlichkeit gegen Aufblühen geht einher mit einer geringeren Vollbohrungskapazität. Denn je tiefer der Aufblühvermeidungsabfluß, desto niedriger der Potentialwall zwischen Aufblühvermeidungsabfluß und vergrabener Rinne.

Holy shit, um wieviel poetischer ein akademisch trockener Text klingt, überträgt man ihn gewissenhaft in die Sprache eines Goethe und Schiller! Dig it!

5 Kommentare:

  1. Also, so richtig komplett ist die Übersetzung nun aber nicht. ;-) Um nur kurz ein paar Kleinigkeiten herauszugreifen, anstelle von "optoelektronisch" wäre das deutsche Wort "sichtstromig" doch weit passender, für "Kamera" könnte man "Lichtauffanggerät" verwenden, "proportional" läßt sich in "verhältnismäßig" umformen, die "Kapazität" in "Aufnahmefähigkeit", das Gegenstück zum "Produzieren" wäre das "Herstellen", "modern" ist wohl am besten mit "neuzeitlich" zu übersetzen...
    Zu mehr hab ich jetzt wirklich keine Lust, auch wenn das Gebiet der offensichtlichen Fremdwörter noch lange nicht erledigt ist, und, wenn man die Lehnwörter ebenfalls konsequent ausmistet, von dem Text wohl nur noch die Satzzeichen übrigbleiben.
    Man wird sehen, ob die Thematik des "Sprachschutzes" bei der Tagung der Christlich (griech.)-Demokratischen (griech.) Union (lat.) auch wieder aufgeworfen wird.

    P.S.: Soweit ich informiert bin, sprach man im Bildungsbürgertum des frühen 19. Jahrhunderts vorzugsweise französisch, womit sich die Sache der "Sprache Goethes und Schillers", die immer wieder gerne betont wird, ohnehin erledigt.

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  2. Wäre es nicht überlegenswert, als Lingua franca in den Wissenschaften wieder Latein einzuführen, wie in früheren Jahrhunderten? Weil es nämlich auf Latein viel schwerer fiele, Blödsinn zu labern ohne dass es auffällt.

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  3. "Cloaca contra florescendum" (oder zumindest etwas Ähnliches) klänge in der Tat sehr schön. Aber ob auf Latein nicht auch jeder Blödsinn gelehrt klänge? Ich bin mir da nicht so sicher...

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  4. Full well capacity klingt auch sehr schön wenn man Vollbrunnenkapazität daraus macht. Oder Brunnenvollkapazität.

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  5. Oder "voll gute Kapazität"... :)

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