Sonntag, 28. Juni 2015

Gottes lausige Schöpfung

Es gibt nicht besonders viele Entscheidungen in meinem Leben, von denen ich im Nachhinein sagen würde, sie seien uneingeschränkt richtig gewesen. Eigentlich sogar erstaunlich wenige… Hm, vielleicht sollte ich besser nicht allzu sehr darüber nachdenken. Aber eine der wenigen eindeutigen Ausnahmen ist die schon in jungen Jahren getroffene Entscheidung, mir das Haupthaar abzurasieren. Käme ich aus der ostdeutschen Provinz, ein solcher Schritt wäre wohl voll im abstoßenden Mainstream gewesen. In meinem Umfeld dagegen fiel es auf (und ich war auch bei Menschen, die mich kannten, immer jeglicher Sympathie für rechtes Gedankengut unverdächtig). Und die Vorteile, die diese Entscheidung mit sich brachte, zeigten sich schnell und deutlich.
Zuerst einmal, ein kahler Kopf macht einen Mann einfach ungemein sexy! Jaja, ich weiß, dies ist für gewöhnlich ein umstrittener Punkt. Ich kenne das verächtliche Schnauben der Haarträger an dieser Stelle. Aber glücklicherweise ist dies eine Frage, die sich jetzt und hier schnell und eindeutig klären läßt. Hier: A, B oder C? Finde den Sex!
In diesem Punkt sollten wir uns also einig geworden sein. Die übrigen Punkte sind dagegen unstrittig:
Egal ob Regen oder Wind, egal ob man gerade aus der Dusche oder dem Bett kommt, die Haare liegen einfach immer perfekt! Außerdem spart man durch den richtigen Haarschnitt eine Menge Zeit und Geld. Und zu Zeiten, in denen der Frisör für keine 10 Minuten schnippeln mehr Geld sehen wollte als ich die ganze Woche für's Mittagessen ausgab, war diese Ersparnis durchaus wesentlich.
Ein weiterer Vorteil kommt mit dem Alter hinzu. Da werden die Haare allmählich dünner. Doch praktischer Weise gibt es niemanden mehr, der noch wüßte, wie ich mit Haaren aussah. Nicht einmal ich selbst erinnere mich noch so recht daran. Da ist Haarausfall auch kein Thema!
Der letzte und größte Vorteil aber zeigt sich erst, wenn die Kinder in den Kindergarten gehen: Man muß keine Angst vor Läusen haben!

Ja, ich kann mich auch nicht erinnern, daß zu meiner Kindergarten- und Schulzeit Läuse ein Thema gewesen wären. Und die Mutter meiner Kinder ging zwar in einer ganz anderen Ecke in den Kindergarten, kann sich aber auch nicht an Läuse erinnern. Und der Apotheker, der uns die Läusekur verkaufte, meinte, er könne sich auch nicht daran erinnern, vor 20 Jahren Läusemittel verkauft zu haben. Vielleicht ist die Rückkehr der Läuse, wie die Rückkehr der Suppenküchen oder der Tagelöhner, einfach ein weiteres Symptom der gesellschaftlichen de-Evolution in Europa. Auf jeden Fall aber zupft die Mama nun sich und den Kleinen verzweifelt bis dezent hysterisch in den Haaren herum. Mich selber läßt dieses Problem hingegen irgendwie kalt. Und so kann ich währenddessen einfach dasitzen und mir so meine Gedanken machen. Z.B. darüber, daß die Kopflaus ausschließlich den Menschen befällt, und keine Tiere. Als Mensch mit eher materialistischem Weltbild würde ich ja sagen, daß sich die Kopflaus Pediculus capitis evolutionär halt auf einen einzigen Wirt, eben homo sapiens, spezialisiert hat. Von einem religiös-kreationistsischem Standpunkt aus ist die Laus dagegen sehr viel spannender: Offenbar hat der liebende Herrgott in seiner unergründlichen Weisheit ein Wesen geschaffen, das allein auf dem menschlichen Kopf lebt, nirgends sonst, um dort durch das Einspeicheln von in die Haut geritzten Wunden Juckreiz auszulösen. Na schönen Dank auch! Aber wenn Gott ganz offenbar will, das Läuse des Menschen Haupt bevölkern, ist dann nicht die Läusebekämpfung ein Frevel gegen Gottes Schöpfung?
Als ich der Mama, sie war mit Tränen in den Augen kurz davor, ihrer verblüfften Tochter ein Glas Mayonnaise in die Haare zu schmieren (darin sollen Läuse angeblich ersticken), aus dem Hintergrund des Raumes diese Gedanken zur Diskussion hinwarf, schrie diese aber nur gereizt in meine Richtung:
"Seh' ich vielleicht aus wie irgend so ein verkackter Jesus-Freak!?!"
Die doch eher direkte Wortwahl in diesem Moment sollte man mit Blick auf ihren emotional etwas angefassten Zustand entschuldigen. Aber eine Person, die auch in der Stunde der Not und des Kummers ihre Hoffnung immer noch lieber auf ein Glas Mayonnaise setzt als auf Gott - die hat man doch wirklich gerne um sich!

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