Schaltet man dieser Tage die Nachrichten ein, dann kann einen schon eine gewisse Verwirrung befallen. Nehmen wir nur den Irak. Der "Islamische Staat" bringe dort Jesiden um. Der "Islamische Staat", das sind Salafisten, so wie die, die Gottes Zorn schon ins Sauerland bringen wollten. Diese Salafisten sollen von den Wahhabiten Saudi-Arabiens unterstützt werden. Die wiederum sind Freunde des protestantischen Amerikas, da sie gemeinsam mit den USA gegen die Schiiten des Irans sind. Nun wollen die iranischen Schiiten die sunnitischen Salafisten umbringen, was die amerikanischen Protestanten, die die auch umbringen wollen, eigentlich ganz gut finden. Nicht gut finden die aber, wenn iranische Schiiten die schiitische Hisbollah unterstützen, weil die wiederum die jüdischen Israelis umbringen will.
Kurz, einem zivilisierten Christenmenschen fällt es immer schwerer, den Überblick darüber zu behalten, wer jetzt gerade wen umbringen will, und - noch wichtiger - wer dabei gerade die Guten und wer die Bösen sind! Das ist natürlich ein klarer Fall für den DWüdW-Leserservice! Da trifft es sich, daß DWüdW neben all den bekannten Forschungsgruppen auch den integrierten Exzellenzcluster "Monotheismus im Spiegel des Tötens" (MiST) beheimatet! So konnte DWüdW den Initiator des ganzen MiST-Clusters, Dr. Moses Meerteiler, dafür gewinnen, exklusiv für DWüdW-Leser eine übersichtliche Erklärung der ganzen involvierten Konfessionen zu erarbeiten.
Bitte, Dr. Meerteiler:
Liebe Leser,
um eine Übersicht über die auf den ersten Blick komplizierten Geflechte des Glaubens zu gewinnen, hilft es, sich zunächst den tiefen Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum anschaulich zu machen. Während die Christen, sagen wir mal, an den Osterhasen glauben, glauben die Muslime an den Weihnachtsmann. Und natürlich ist an den Weihnachtsmann glauben nicht gleich an den Weihnachtsmann glauben. So glauben die sunnitischen Muslime etwa an den Weihnachtsmann und daran, das Rudolph das Lieblingsrentier des Weihnachtsmanns ist. Die schiitischen Muslime glauben zwar auch an den Weihnachtsmann, aber nicht, daß Rudolph dessen Lieblingsrentier ist. Viel mehr glauben die, daß das wahre Lieblingsrentier des Weihnachtsmanns am 10. Oktober 680 n. Chr. brutal niedergemetzelt wurde. Dieses Niedermetzeln haben sie sich und den Sunniten bis heute nicht verziehen, während die Sunniten immer noch darauf beharren, daß es ja sowieso nicht das Lieblingsrentier gewesen sei. Daher mögen sich sie Schiiten und die Sunniten nicht besonders und bringen sich bei Gelegenheit auch gerne mal gegenseitig um.
Die Jesiden wiederum glauben nur so grob an den Weihnachtsmann. Auf jeden Fall glauben sie nicht, daß der Weihnachtsmann einen roten Mantel trägt und sie verehren auch noch Knecht Ruprecht. Für die Weihnachtsmanngläubigen sind sie damit Weihnachtsmannlästerer, die, um dem wahren Weihnachtsmann im roten Mantel eine Freude zu machen, alle umgebracht werden sollten.
Osterhasengläubige, die dies alles seltsam finden, sollten sich vor Augen halten, daß die Situation unter den Osterhasengläubigen ja auch nicht viel einfacher ist. Als katholischer Osterhasengläubiger glaubt man beispielsweise auch, daß der Osterhase einen Osterhasenstellvertreter auf Erden benannt hat, dessen Aufgabe darin besteht, dafür zu sorgen, daß zwischen den Menschen und dem Osterhasen alles im Reinen ist. Insbesondere soll der dafür sorgen, daß der Osterhase für die Menschen im Jenseits viele schöne Schokoeier versteckt. Das glaubt man so zumindest, wenn man römisch-katholischer Osterhasengläubiger ist. Ist man eher so ein Oserhasengläubiger wie die Piusbrüder, dann glaubt man auch an einen Osterhasenstellvertreter, ist aber nicht mit dem in Rom einverstanden. Weil man glaubt, daß der Osterhase es gut findet, wenn man lateinisch redet, wenn man dabei ist, ein Stück pappigen Teiges zu essen. Dieses Stück Teig ist für alle Osterhasengläubigen sehr wichtig. Sie glauben nämlich nicht nur an den Osterhasen, sondern auch, man müsse den Osterhasen aufessen. Allerdings nicht in echt, sondern nur in Form eines veganen Hasenbratenersatzes - eine spirituelle Tofuwurst, sozusagen. Als protestantischer Osterhasengläubiger isst man natürlich auch diese Tofuwurst, sogar mit Wein dazu. Man glaubt aber nicht an den Osterhasenstellvertreter, der für die Menschen die Ostereier klar macht, sondern daran, daß der Osterhase allen Menschen genug Verstand mitgegeben hat, um - räusper - den Willen des Osterhasen selbst erkennen zu können. In der Praxis liegen die Unterschiede aber eher im Detail. Als katholischer Bischof etwa bekommt man Stress, wenn man sich auf Kosten der Osterhasengläubigen eine goldene Badewanne einbauen lässt. Als protestantische Bischöfin darf man sich gar nicht erst eine goldene Badewanne einbauen lassen, weshalb die dann Frustsaufen und mit dem auf Kosten der Osterhasengläubigen bestimmt nur spartanisch ausgestatteten Phaeton in eine Polizeikontrolle rauschen. Die Welt ist ungerecht, und Gerechtigkeit ist allein beim Osterhasen.
Bleiben noch die Juden. Die glauben irgendwie auch an den Osterhasen, schreiben das Wort "Osterhase" aber in komisch aussehenden Buchstaben von rechts nach links und lassen dabei die Vokale weg. Überhaupt sind die Juden im Weglassen ziemlich gut. Sie glauben nicht, daß man den Osterhasen essen sollte, nicht mal als symbolische Tofuwurst. Außerdem lassen sie Schweinegeschnetzeltes in Sahnesauce und die Spitzen ihrer Penisse weg. Das haben sie aber wiederum mit den Weihnachtsmanngläubigen gemeinsam - auch denen, die sie umbringen wollen.
Man sieht also: was auf den ersten, flüchtigen Blick unheimlich verwirrend aussieht, ist bei näherer Betrachtung alles vernünftig und durchweg nachvollziehbar. Zum Abschluss ist noch ein Hinweis darauf angebracht, daß es auch Menschen gibt, die weder an den Osterhasen noch an den Weihnachtsmann glauben. Solche Menschen nennt man Atheisten und sie essen keine Tofuwurst aber Schweinegeschnetzeltes. Ganz offensichtlich sind sie daher gefährliche, prinzipien- und morallose Gesellen, denen der Zugang zur Liebe des Weihnachtsmanns oder Osterhasen auf immer verschlossen bleiben muß. Am besten, man geht hart gegen sie vor oder bringt sie gleich um.
Möge Ihr Herr Sie segnen!
Anmerkung des Herausgebers:
DWüdW ist ein Ort der freien Meinungsäußerung, daher hat sich der Chefredakteur entschlossen, diesen Text zu veröffentlichen. Doch die Tatsche, daß in diesem Text gleich sieben Konfessionen gleichzeitig beleidigt werden, findet DWüdW falsch. DWüdW distanziert sich von diesen Aussagen und respektiert jede Religion, unabhängig davon, wen sie schon so alles umgebracht hat oder noch umzubringen gedenkt. Zum Trost möchte DWüdW darauf hinweisen, daß Dr. Moses Meerteiler für seine Worte (völlig verdient!) in gleich sieben Höllen auf ewig wird büßen müssen! Ob nacheinander oder parallel, wird die ökumenische Theologie zu klären haben.
Wunderbar. Aber als Satire eher subtil, oder?
AntwortenLöschenSo subtil wie eine Waffenlieferung! :)
LöschenSubtil? :D
LöschenHab aufjedenfall gut gelacht. Auch wenns eig so traurig ist...
Ja, nett. Im Land der Besserwisser muss man aber leider damit rechnen, dass jede Satire bald einen Kommentator findet, der etwas Oberlehrerhaftes dazu absondert. Ich übernehme mal diesen Part (schweren Herzens und natürlich nur aus purem Altruismus, ist doch klar):
AntwortenLöschenIst es nicht ein ziemlich simplifizierendes Gedankengebäude, jeden beliebigen Konflikt (vor allem noch, wenn er im Nahen Osten besteht oder entsteht - Jackpot!) auf das Merkmal Religion zurückzuführen? Sicher, es ist über ein Jahrtausende etabliertes Verfahren, jede Form von kriegerischer Auseinandersetzung mit einfachen Gruppenkategorisierungen zu erklären, die natürlich bei den Konfliktparteien völlig inkompatibel sind (das war im 19. Jahrhundert die Nationalität, Anfang des 20. Jahrhunderts die Ethnizität vulgo Rasse, Mitte-Ende des 20. Jahrhunderts die (Wirtschafts-)Ideologie, und nach 1989 hat man sich nach kurzer Zeit der Orientierungslosigkeit wieder - auch dank solch ausgewogener Analytiker wie Samuel Huntington* - auf die Religion besonnen). Und dann kommen dabei monokausale Analysen ala „klar, die Weihnachtmanngläubigen und die Osterhasenverehrer glauben an so irrationalen Kram, die mussten sich ja irgendwann wieder mal die Köpfe einschlagen“ heraus. Und schon haben wir einen aktuellen Konflikt (wie z.B. Palästina) mit seinem komplexen Wechselspiel aus Religion, Historie, Ethnizität, Ressourcenkonflikte (Wasser, urbares Land, u.a.), ökonomische Faktoren, militär-strategische Gesichtspunkte, etc. etc. zusammengeschrumpft in einem einfachen Gedanken und können ihn bequem im Kopf verstauen (muss ja noch soviel Weiteres reinpassen). Dann noch eine flotte Schuldzuweisung (es ist allein die Hamas, nein die Israelis, nein die Religiösen, nein die internationalen Finanzmärkte, nein Amerika, nein die waffenproduzierende Industrie oder was weiß ich schuld), und schon hat man auch die Lösung des Problems – XY muss verschwinden, damit wir morgen alle in Frieden leben können.**
Ich biete mal an, am Beispiel des eingangs genannten IS das Problem aus einer anderen Sichtweise zu sehen: da ist eine Gruppierung, die sich lose zusammengefunden hat im Rahmen eines Konfliktes, der sich zwischen „Demokratisierern“ und der autokratischen Regierung in Syrien angebahnt hat (im größeren Zusammenhang des sog. Arabischen Frühlings“). Auch dieser Konflikt hat wieder viele Ursachen, Ideologie allein bestimmt nicht, und welche Seite gut oder böse ist, darüber kann man nach Gusto entscheiden (natürlich mit viel Polemik und persönlichen Diffamierungen des Kontrahenten, anders lässt sich eine Diskussion ja nicht führen). Im Rahmen dieses Konfliktes kommt es in einigen Regionen zu einem Machtvakuum, verursacht durch den Zusammenbruch der vorherigen staatlichen Ordnung und einer ineffizienten Herstellung durch die neuen Ordnungskräfte. Die Anführer des IS diese Lücke, rekrutiert international perspektivlose, unzufriedene und nicht zuletzt naive junge Männer für das Abenteuer Krieg und nutzt als gemeinsames verbindendes Element das Deckmäntelchen Religion, einfach weil es in ihrem Klientel gerade positiv besetzt ist (in der Ukraine z.B. ist es anders, hier wird Nationalität/Patriotismus als Gruppenparadigma genutzt). Fortsetzung folgt...
Und zwar hier...
AntwortenLöschenDiese jungen Männer halten sich nicht damit auf, langwierige Exegesen heiliger Schriften zu betreiben, sich erst einmal in einem Gesprächskreis zusammenzusetzen und die Unterschiede zwischen den Spielarten des Islams zu erörtern, wahrscheinlich nicht einmal mit allen 5 Gebeten, die im Islam vorgeschrieben sind (vielleicht aber auch im Krieg oder im Jihad nicht, wer weiß), sondern sie bauen mit militärischer Gewalt und einer klugen Taktik (Ausweitung der Herrschaftszone in den politisch zerissenen Irak in den Landesteil mit sunnitischer Mehrheit, die nach der Bevorzugung während der vorigen Regierung von der aktuellen Regierung diskriminiert werden) einen Machtbereich auf, in dem sie schalten und walten können, wie sie wollen. Und dann werden nicht nur religiöse Minderheiten angegriffen, sondern auch Sunniten, die sich aus ökonomischen Gründen gegen IS aufgelehnt hatten oder auf Seiten der Assad-Regierung stehen. Und warum? Weil die Protagonisten, junge Männer mit Waffen, in einem Bereich mit Machtvakuum von ihren Anführern gesagt bekommen haben, es wäre ok, und denken, es wäre ihr Fahrschein zu Ruhm, Anerkennung oder Reichtum.
Ist auch eine Erklärung, zugegebenermaßen sicher auch in einigen Punkten sehr verallgemeinernd, aber sicher nicht schlechter als „die Religion ist an allem schuld“.
tl;dr
Wer Religion monokausal für die Entstehung kriegerischer Konflikte verantwortlich macht, und denkt, er könnte sich so die Welt erklären, der lebt in der konfessionsfreien Filterblase und macht sich die Welt, widewide wie sie im gefällt.
P.S.: Den Mittelteil habe nur überflogen, da der Autor zu einem Gutteil nur über Festtagsbräuche und Kulinarisches fachsimpelt. Merke: will dir einer die Unterschiede zwischen Religionen mit Tofuwürstchen und Schweingeschnetzeltem erklärt, will er weniger dein Gehirn als mehr deinen Magen ansprechen.
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*Es ist nicht so, dass einzelne Thesen von Huntington nicht durchaus brauchbar sind – in Clash of Cultures hat er durchaus die aktuell aufgeflammten Konflikt in der Ukraine vorhergeahnt, und die Ukraine auf seine Liste der failed states genommen. Andererseits ist sein Theorem im Ganzen betrachtet, für die Beschreibung der Welt einfach zu simplifizierend, und zudem hemmungslos amerikazentriert gefärbt.
** Die Frage, ob ich denn eine tolle polykausale Lösung zu bieten habe, muss ich übrigens verneinen. Aber es geht bei Polemik ja auch nicht um Lösungen…
Besserwisserei ist schon ok, da kann ich mich selbst auch oft genug nicht beherrschen… ;)
LöschenUnd wahrscheinlich überrascht es jetzt auch nicht zu sehr, wenn ich sage, daß ich Religion selber auch nicht als einzige Ursache aller Konflikte betrachte. Aber in einer möglichen polykausalen Erklärung muß sie für mich eine zentrale Rolle spielen. Denn andere Erklärungen sind fest mit der Religion verwoben. Nehmen wir doch mal den Nationalismus, der zweifellos viele gewaltsame Konflikte hervorgebracht hat. Er strebt nach in innern kulturell oder ethnisch homogenen Staaten. Und die kulturellen und ethnischen Grenzen fallen oft genug, ja fast schon zwangsläufig, mit den religiösen Grenzen zusammen - eine andere Kultur, das meint oft auch eine andere Religion. Man muß sich nur an den ganzen Wirbel um das "Der Islam gehört (nicht) zu Deutschland" erinnern, um beeindruckt zu sein, wie schwer es in dem anscheinend so säkularen Deutschland fällt, Nation und Religion auseinander zu halten.
Selbst mit wirtschaftlichen Grenzen verhält es sich ähnlich. Unterschiedliche Wirtschaftsethiken lassen sich nur schwer von unterschiedlichen Kulturen und damit wieder von unterschiedlichen Religionen trennen.
Somit sollte man Konfliktlinien im Regelfall entlang religiöser Grenzen erwarten. Und oft genug findet man sie dort auch.
Dann findet sich eine weitere Eigenschaft der Religionen dazu: Sie bietet nicht nur eine Identifikationsmöglichkeit, wie sie das "wir gegen die" braucht, sondern auch noch eine Rechtfertigung - Gott will es so, Gott ist mit uns. Also sollte es auch nicht überraschen, Religion als Instrument in der Konfliktführung zu finden. Und man findet dieses Instrument oft.
Wenn man sich aber nun vor Augen führt, wie willkürlich und grotesk religiöse Überzeugungen und Praktiken in der Regel sind, vielleicht hilft es ja dabei, Spannungen Konflikten zu mindern, selbst dann, wenn sie eine bedeutende nationalistische oder wirtschaftliche Komponente haben?
Gute Erwiderung, nein wirklich - eine sehr gute Erwiderung. Danke für die Ausgewogenheit und Sachlichkeit, die man in Diskussionen so leider nicht immer findet.
LöschenInteressant ist, dass wir uns in den meisten Punkten (z.B. Polykausalität von Konflikten, Religion als Identifikations- und Diskriminationsmöglichkeit für Gruppen) einig sind, obwohl wir in deren Gewichtung und auch in unseren Lösungsansätzen, wahrscheinlich auch in unserer Weltanschauung sehr unterschiedlich sind.
Nur zwei Punkte (und dann schaue ich mal, ob ich mir das Besserwisser-Gen irgendwo entfernen lassen kann):
- ich bin der Meinung, dass Sie den Faktor Religion überbewerten. Ich weiß, dass es die aktuelle „westliche Denkrichtung“ ist (s. Samuel Huntington, aber sie spielen ja auch auf Max Weber an), aber ich denke Konflikte gerne erst einmal von einer materiellen Basis her (Nach Brecht: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral"), d.h. gibt es in der Konflikt-Region einen Mangel an Ressourcen (z.B. Sahel-Zone) oder einen diskriminierenden Zugang zu Ressourcen (z.B. in vielen Ländern des Nahen Ostens), z.B. durch autokratische Regierungen. Wenn dann ein Konflikt entsteht, ist es meiner Meinung nach Kontext-abhängig, welches Identifikationsmerkmal gewählt wird – im Nahen Osten haben wir ein schwach ausgeprägtes Nationalgefühl (evt. auch durch Nachwehen des Kolonialismus + eine Tradition einer autokratisch geprägten Herrschaft), daher ist es die Religion. Im Ukraine/Russland-Konflikt haben wir einen Mehrheitsanteil an Konfessionslosen, daher ist es hier eher Nationalität/Patriotismus (hier ist der Ressourcen-Konflikt für mich auch nicht so eminent, daher denke ich, dass die Auseinandersetzung bald in eine kalte Phase übergeht oder hoffentlich sogar beendet wird). Daher denke ich auch, dass sich Konflikte beenden lassen, wenn eine für alle Seiten zufriedenstellende Ressourcenaufteilung erreicht werden kann (Frei nach Churchill: „Religion may be a good Starter, but it is a poor sticker“).
- Zur Rechtfertigung: auch hier sehe ich keine herausgehobenen Rolle der Religion. Wenn man sich anschaut, mit welchen Rechtfertigungen im Namen von Nationalismus und Ethnizität gehandhabt wurde (Erbfeindschaft zw. Dt. und Frankreich; Überlegenheit der „weißen Rasse“; aber auch aktuell die z.T. wahnwitzige Propaganda von russischer und ukrainischer Seite), dann hat das für mich in manchen Fällen nicht weniger metaphysisches Potential als ein „Gott will es, Gott mit uns“.
Zum Schluss auf Ihre Frage noch eine Gegenfrage: Könnte man Religion nicht auch in dem Sinne als Möglichkeit sehen, Konflikte zu dämpfen, indem man im richtigen Moment die gemeinsamen statt die trennenden Momente betont? Immerhin hat die Religion gegenüber Nationalität oder Ethnizität einen entscheidenden Vorteil – ihre Wandelbarkeit (manche würden auch Beliebigkeit sagen).
Entschuldigung für die späte Veröffentlichung - der Spamfilter mag Ihre Kommentare aus irgend einem Grund wohl nicht besonders…! :)
LöschenIst man sich über die grundsätzlichen Einflußfaktoren einig, dann ist ihre Gewichtung ein Problem, über das man noch lange diskutieren kann, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Also nur einige knappe Anmerkungen von mir:
Der Konflikt in der Ukraine ist zugegebenermassen ein besonders schlechtes Beispiel für religiös befeuerte Auseinandersetzungen. Allerdings will ich auch gar nicht den Anspruch erheben, alle Konfliktsituationen zu erfassen. Ein solcher Anspruch wäre zweifellos eine gefährliche Übervereinfachung der Realität.
Und obwohl mir der Ansatz, Ressourcenprobleme als Wurzel von Konflikten zu suchen, durchaus sympathisch ist, so scheint er mir selber viel zu kurz zu greifen. Dazu scheinen mir zum einen viele Akteure selber materiell zu gut gestellt (kommen nicht genug Krieger aus privilegiertem Umfeld?). Zum anderen sind viele konkrete Ziele (sagen wir, die Einführung religiöser Rechtsprechung, die Errichtung religiös legitimierter Regierungen) eindeutig zu stark an der Religion ausgerichtet, um mit dem Streben nach materiellem, diesseitigen Wohlstand verträglich zu sein. Und die Vehemenz, mit der diese Ziele verfolgt werden, lässt mir die Religion als ziemlich guten "Sticker" erscheinen…
Und ein Blick durch die Geschichte lässt mich fürchten, daß Religion sich sehr viel besser zum Betonen des Trennenden einsetzen lässt aus zum Betonen des Einenden. Leider.
Der Spam-Filter mag die Kommentare wahrscheinlich nicht, weil sie viel zu lang (auch langatmig sind), daher nur noch ein letzter in aller Kürze...
AntwortenLöschenSie haben recht, über Gewichtung von Problemen zu diskutieren, ist langwierig und sicher nicht Zielrichtung einer Kommentarspalte.
Mit ihrem letzten Absatz - dem Blick in die Geschichte haben sie recht. Ich persönlich glaube aber (ja, glaube) in diesem Zusammenhang nicht an einen historischen Imperativ, sondern an die Lern- und Wandlungsfähigkeit jeder neuen Menschengeneration (auch wenn dieser Glaube gerade in den letzten Monaten wieder sehr auf die Probe gestellt wird).