Sonntag, 23. März 2014

This is propaganda

...you know, you know.*

Um über das Sprechen über die Ukraine und Russland zu sprechen, sprechen wir am besten erst einmal über Speck:
"Suppose the old type of salesmanship, acting for a meat packer, was seeking to increase the sale of bacon. It would reiterate innumerable times in full-page advertisements: 'Eat more bacon. Eat bacon because it is cheap, because it is good, because it gives you reserve energy.'
The newer salesmanship, understanding the group structure of society and the principles of mass psychology, would first ask: 'Who is it that influences the eating habits of the public?' The answer, obviously, is: 'The physicians.' The new salesman will then suggest to physicians to say publicly that it is wholesome to eat bacon. He knows as a mathematical certainty, that large numbers of persons will follow the advice of their doctors, because he understands the psychological relation of dependence of men upon their physicians."
Edward Bernays: Propaganda (1928)*

Nun muß nicht nur Speck, sondern auch eine politische Bewegung wie die des Maidan dem Deutschen verkauft werden. Und dieses Produkt ist nicht leicht zu vermitteln. Aus Abstand betrachtet besteht die Maidanbewegung aus einigen Tausend Menschen auf einem einzigen Platz in einer einzigen Stadt der Ukraine. Und sie sollen als Repräsentativ für 45,4 Millionen Ukrainer dargestellt werden (Was sie, wie wir inzwischen ja wissen, nicht sind und nie waren). Mehr noch, auch die Heterogenität dieser Gruppe, die wohl von idealistischen EU-BEgeisterten über Anhänger der korrupten Ex-Elite um Timoschenko bis hin zu stammen Faschisten reicht, sollte nicht zu offensichtlich werden.
Um ein solch schwieriges Produkt leichtgängig zu machen, braucht es Verkäufer, die der Deutsche sympathisch findet und denen er Vertrauen entgegen bringt. Und anstatt solche Personen mühevoll aus dem Nichts aufzubauen, liegt es nahe, Menschen zu nehmen, die in Deutschland schon eine gewissen Bekanntheit und Beliebtheit erfahren. Es ist offensichtlich, wen man wählte - es waren der Ex-Boxer Vitali Klitschko ("Oppositionsführer") und und die Sängerin und ESC-Gewinnerin Ruslana ("Stimme der Revolution") [*, *,*,*,*]. Es ist leicht, die öffentliche Meinung in Deutschland um eine einfache Pro-Maidan-Haltung zu sammeln, wenn der sympathische Boxer und die hübsche moderne Sängerin sagen, wer die Guten und wer die Bösen sind.

"The lecture, once a powerful means of influencing public opinion, has changed its value. The lecture itself may be only a symbol, a ceremony; its importance, for propaganda purposes, lies in the fact that it was delivered."
Edward Bernays: Propaganda (1928)

Wie Vitali Klitschko von Deutschland systematisch als Politiker aufgebaut wird [*], zeigt sich besonders schön an Klitschkos Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz Anfang Februar. Oder vielmehr daran, daß Klitschko eine Rede auf der Sicherheitskonferenz hielt. Denn an sich sollte doch die Tatsache, daß eine Person, deren politische Gehversuche sich im wesentlichen auf einen Abstecher in den Kiewer Stadtrat beschränken und die keine besondere demokratische Legitimation als Sprecher der Opposition hat, auf einer so hochkarätigen Konferenz spricht, stutzig machen. Und tatsächlich ist die Tatsache, daß Klitschko dort gesprochen hat, die eigentliche Botschaft. Die Botschaft ist, daß Klitschko der richtige Ansprechpartner in der Ukraine ist und die Führer des Westens ihm zuhören. Und die Botschaft ging am 2. Februar mit der Meldung "Klitschko hält Rede auf Sicherheitskonferenz" durch alle Nachrichten.

"The media through which a political campaign may be brought home to the public are numerous and fairly well defined. Events and activities must be created in order to put ideas into circulation, in these channels, which are as varied as the means of human communication."
Edward Bernays: Propaganda (1928) 

Neben einer Rede auf einer Konferenz gilt es natürlich, weitere Ereignisse herbeizuführen, die der Aufmerksamkeitsgewinnung und Vermittlung der eigenen Position dienen. Einfachster und am häufigsten beschrittener Weg in dieser Hinsicht ist natürlich ein Besuch auf dem Maidan in Kiew. McCain besucht den Maidan [*], Chodorkowski besucht den Maidan [*], Gabriel besucht den Maidan [*], jedes Mal sendet der Besuch einer auch nur halbwegs medialen Person eine Botschaft, die es zuverlässig in die Medien schafft.
In die Kanäle der Medien zu gelangen ist im Falle einer Krise allerdings gar nicht so schwer. Diese sind so sehr interessiert an einem zu vermeldenden Ereignis, daß sie zur Not auch noch ein Video mit dem reißerischem Titel "Steinmeier telefoniert mit Lawrow" verbreiten [*]. Und dabei manchmal auch unfreiwillig komische Titelzeilen produzieren:



"The extend to which propaganda shapes the progress of affairs about us may surprise even well informed persons. Nevertheless, it is only necessary to look under the surface of the newspaper for a hint to propaganda's authority over public opinion. Page one of the New York Times on the day these paragraphs are written contains eight important news stories. Four of them, or one-half, are propaganda. The casual reader accepts them as accounts of spontaneous happenings. But are they?"
Edward Bernays: Propaganda (1928)

Die Meldung eines Ereignisses kann sehr viel mehr bewirken, lässt man sie nur gekonnt aus dem Kontext fallen. Allein durch den Verzicht auf Einordnung und dem Herstellen von Beziehungen zwischen einzelnen Vorkommnissen bleiben alle Aussagen wahr, und doch bekommt die Meldung eine ganz andere Bedeutung. Ein ebenso einfaches wie eindrucksvolles Beispiel für dieses Vorgehen war der Test einer mobilen russischen Interkontinentalrakete am 4. März des Jahres. Mühelos schaffte es dieses Ereignis in sämtliche Krimkrisenliveticker, z.B.:

"Krise um die Krim: Russland feuert Interkontinentalrakete ab" [*]
"Konflikt in der Ukraine - Liveticker: Moskau testet Interkontinentalrakete" [*]
"KRIM-LIVE-BLOG Russland provoziert mit Raketentest" [*]

Nun sind solche Raketentests aber überhaupt keine Seltenheit. Und um einen Überblick zu bekommen, ist keine exotischere Quelle notwendig als die Wikipedia. Die Artikel "[Hier Jahreszahl einsetzen] in Spaceflight" sammeln alle Raketenstarts eines Jahres, auch wenn sie unterhalb einer Erdumlaufbahn verbleiben, und auch Tests militärischer Langstreckenraketen sind enthalten. Demnach war der letzte Test einer russischen Interkontinentalrakete vor dem 4. März am 27. Dezember 2013. Davor am 24. Dezember. Am 30. Oktober wurden gleich vier Raketen getestet. Der letzte Test davor war am 9. September. Davor am 6. Juni... Der Teststart vom März passt problemlos in das langfristige Schema russischer Raketentests und steht offenbar in keinem besonderen Zusammenhang mit der Krimkrise. Und wenn Russland häufiger Interkontinentalraketen testet als die USA (bei denen waren es 2013 fünf Teststarts), dann sollte man die Gründe wohl eher in Richtung des amerikanischen Raketenabwehrschirms suchen. Bemerkenswerterweise wissen die meisten Medien auch um den fehlenden Bezug zwischen dem Raketentest am 4. März und der Krimkrise, über die sie Livetickern, und schreiben dies irgendwo im Text mehr oder weniger deutlich dazu. Bei der Zeit z.B. begann eine Meldung im "Krim-Live-Blog" mit dem Satz "Russland hat eine mit Nuklearsprengköpfen bestückbare Interkontinentalrakete getestet." und endet nach langweiligen Details mit "Der Abschuss war offenbar bereits seit Längerem geplant. Die US-Regierung war zuvor über den Test informiert worden." [*] Was beim Leser solcher Raketentestmeldungen im Krisenticker bleibt, ist der Eindruck, im sich zuspitzenden Konflikt werden bereits die Atomraketen hervorgeholt. Um dies zu sehen, genügt ein Blick in die Leserkommentare zu den Meldungen. Die Medien freut's, können sie doch ernsthaft die selbst provozierten Fragen beantworten wie "Wie weit sind wir vom 3. Weltkrieg entfernt?" [*]

"By playing upon an old cliché, or manipulating a new one, the propagandist can sometimes swing a whole mass of group emotions."
Edward Bernays: Propaganda (1928)

Es ist natürlich offensichtlich, daß Emotionen leicht in die gewünschte Richtung gelenkt werden können, wenn nahtlos an schon bestehende Vorurteile angeknüpft werden kann. Und im Falle Russlands ist dies so unverschämt einfach, jeder Praktikant könnte das übernehmen. Schließlich ist Russland Nachfolger der Sowjetunion, und die war ein finsteres, tyrannisches Land, daß in seinem unersättlichen Machthunger nur darauf lauerte, den Westen zu zerfetzen. Und los geht's:

"Putin: Erneuerer des sowjetischen Imperiums" Welt
"Wladimir Putin strebt nach alter Sowjetmacht" RP online
"'Sowjetunion light' - Russlands Territorial-Hunger: Welche Staaten stehen noch auf Putins Speise-Karte?" Focus

Dazu noch ein Stalinvergleich der "Stimme der Revolution" Ruslana:
"Es ist Terror wie bei Stalin" [*]
und als Höhepunkt einen Blick auf die Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 16. März:

(via meedia)

Vielleicht ist es feiner Sinn für Ironie, wenn deutschen Medien zu einem Ereignis, daß aus russischer Sicht die Korrektur eines Fehlers der Sowjetunion darstellt (nämlich die Umgliederung der Krim aus der Russischen an die Ukrainische Sowjetrepublik 1954), nichts weiter einfällt, als es in der Tradition der Sowjetunion zu interpretieren. Und Putin zugleich vorzuwerfen, er könne sich einfach nicht aus der überkommenen Logik des Kalten Krieges lösen.

"At the same time, the manipulators of patriotic opinion made use of the mental clichés and the emotional habits of the public to produce mass reactions against the alleged atrocities, the terror and the tyranny of the enemy."
Edward Bernays: Propaganda (1928)

Nach all den Assoziationen zur Sowjetunion sollte die Bereitschaft der Deutschen, den russischen Aggressoren jede Gräultat und allen Terror zuzutrauen, groß sein. Allein, es gibt so wenig tatsächliche Gewalt zu berichten. Kiew produzierte noch ein paar martialische Bilder von brennenden Barrikaden auf dem Maidan, aber auf der Krim? Als Golineh Atai für die Tagesschau am 1. März aus Simferopol berichten musste [*], stand sie noch vor einem Hintergrund, in dem allenfalls Katzen um die Mülltonnen zu schleichen schienen, und berichtete, daß von all der dramatischen Zuspitzung der Lage nichts zu sehen sei.
Screenshot Tagesschau vom 1. März.
Nur gut, daß Frau Atai gleich durch ihren Kollegen Stephan Stuchlik ersetzt wurde. Der gab sich sichtlich mehr Mühe und wählte für seine Reportagen wenigstens ein Weltkriegsdenkmal mit Panzer und Sowjetflagge als Hintergrund, damit, wenn schon sonst nicht viel dramatisches geschieht, wenigstens die Assoziationen von militärischer Invasion durch die neue Sowjetunion stimmen [*].
Screenshot Tagesschau vom 5. März.
Selbst ein Presseereignis konnte er am 16. März noch mit dramatisch wackelnder Handkamera präsentieren [*]. Vielleicht wollte der WDR ihm aber auch einfach nur keine Stativstange für das Mikrofon spendieren...
Natürlich sind aber auch inhaltlich subtile Ausgestaltungen gefragt. Etwa in der Tagesschau vom 18. März [*]. Zunächst heisst es dort in indirekter Rede noch vage: "Es habe eine Schiesserei auf einer Militärbasis gegeben. […] Angeblich wurde dabei ein ukrainischer Soldat getötet." Um gleich darauf die Einschätzung der pro-westlichen Regierung in direkter Rede wiederzugeben: Der Konflikt ist in die militärische Phase übergegangen, sagt der Ministerpräsident. Die Verantwortung dafür liegt bei russischen Soldaten. Und wo genau die Anführungszeichen dabei hingehören, wird vom hören nicht klar. Klar ist aber, welcher Eindruck beim Betrachter entsteht: Russische Soldaten haben eine ukrainische Militärbasis angegriffen und provozieren erfolgreich einen Krieg.

Man mag bis hierher vielleicht einwenden wollen, daß die Beispiele willkürlich ausgewählte Einzelfälle darstellen, die bei flüchtiger Betrachtung zu Mechanismen der Propaganda passen mögen. Daß der Vorwurf der Propaganda schon deshalb unsinnig sei, weil man mit diesem Begriff ein koordiniertes, durchgeplantes Vorgehen in Verbindung bringt. Und natürlich ist es abwegig anzunehmen, eine finstere Schattenregierung würde die Berichterstattung vom Focus-Liveticker bis zum Hintergundbild der Tagesschau durchchoreographieren. Doch das Perfide ist: Die Beeinflussung der Meinung erfolgt durch den flüchtigen Eindruck, nicht durch tiefe Exegese der Berichterstattung. Und sie funktioniert ohne zentrale Steuerung.
Viele Einflüsse lassen eine Eigendynamik der Berichterstattung entstehen: Natürlich ist es journalistisch logisch, die Demonstranten des Maidan anhand von Akteuren zu präsentieren, die das Publikum schon kennt und für die es sich eher interessieren wird als für irgendwelche (ihm) Unbekannten. Natürlich haben Liveticker kein Interesse an einer Beruhigung der Berichterstattung, leben sie doch von der Dramatik der Ereignisse. Da scheint es auf wirtschaftlichen Interessen legitim, auch mal eine nicht so ganz in den Zusammenhang passende Meldung in den Ticker zu nehmen, wenn es der Dramatik dienlich ist. Es kommt der Bequemlichkeit Publikums wie der Redakteure entgegen, in klar aufgeteilten Rollen von Gut und Böse zu denken. Und so manch ein Kommentator, der sein Handwerk noch im Kalten Krieg gelernt hat, kann endlich wieder seine eingeübten Reflexe des Antikommunismus aktivieren und Politik interpretieren, ohne sich neue Gedanken über die Weltordnung machen zu müssen.
Und aus all diesen Einzelfaktoren erwächst eine klar tendenziöse und in der Summe manipulative Berichterstattung, die den offiziellen nationalen Interessen entgegen kommt wie die Berichte über die gesundheitsfördernde Wirkung von Speck dem Speckproduzenten. Vom Vorwurf der Propaganda befreit diese Eigendynamik nicht. Sie erklärt jedoch, weshalb Journalisten den Vorwurf der Propaganda empört und wahrscheinlich mit bestem Gewissen zurückweisen. Sie haben tatsächlich nicht den Eindruck, staatlicher Propaganda zu dienen, sondern mit ihrer Berichterstattung einfach nur den eigenen Interessen zu folgen. Und da das in dieser Formulierung recht profan wirkt, spricht man lieber davon, "die Werte, die man für die richtigen hält, auch journalistisch zu verteidigen" [*]. So klingt es edler.

"Propaganda will never die out. Intelligent men must realize that propaganda is the modern instrument by which they can fight for productive ends and help to bring order out of chaos."
Edward Bernays: Propaganda (1928)

Dann wollen wir mal hoffen, daß die Propaganda in den Händen intelligenter Menschen liegt. In unser aller Interesse.

21 Kommentare:

  1. Genau. Die Ukrainer sind halt wahlweise lethargisch, naiv, korrupt oder faschistisch. Und willige Statisten in einem Spiel, das von finsteren westlichen Drahtziehern inszeniert wird - selbstverständlich vor allem für die deutsche Öffentlichkeit. Schön, dass jetzt alles wieder so einfach ist.

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  2. Ich kann dir bei deiner Medienkritik nur beipflichten. Ich empfinde es ebenfalls als störend, wenn für Schlagzeilen und News Ticker Nachrichten dermaßen zusammengekürzt werden, dass sie ein verfälschtes Bild wiedergeben. Oder der Nachrichtentext selbst Behauptungen ohne Quelle beinhaltet. Jedoch ist das Gang und Gäbe, was man ja auch bei wissenschaftlichen Neuigkeiten oft sieht. (hier ein kleiner Cartoon dazu: http://www.phdcomics.com/comics.php?n=1174).
    Aber ich kann deiner Einschätzung, dies alles wäre Propaganda nicht ganz folgen. Denn du beziehst dich ja meist auf die Schlagzeilen, räumst aber ein, dass im Text die Sachverhalte klargestellt werden. Wer sich die Meldung also durchliest, erliegt keiner Falschinformation. Du beschreibst ebenfalls, dass die Maidan-Bewegung, wie auch einige prominente Mitglieder, von der "westlichen" Politik künstlich überhöht werden und dass darüber berichtet wurde. Ich verstehe nicht, worin du die Propaganda siehst: dass diese Leute zu Leitfiguren gemacht wurden oder dass deshalb über sie berichtet wurde?
    Ich glaube jedenfalls, dass nach den von dir genannten Kriterien so gut wie alles als Propaganda durchgeht. Wenn ich mir z.B. deinen Blog-Eintrag nicht durchgelesen hätte, sondern nur die Überschrift zusammen mit den Zitaten und Bildern, könnte ich zu dem Schluss gelangen, du wolltest auf eine systematische, politisch gesteuerte Fehlinformation der Bürger hinweisen. Dass du das aber gerade nicht wolltest, schreibst du ja im letzten Absatz.
    Ich denke, wer sich über ein Thema informieren will, sollte nicht nur Schlagzeilen lesen. Wenn er dazu zu faul ist, ist er an seiner Unkenntnis selbst schuld.

    Beste Grüße
    Jan

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    1. Man sollte, denke ich, Propaganda nicht mit Falschinformation gleichsetzten. Wirklich gute Propaganda ist die, die nur wahre Dinge sagt. Allerdings so, daß der gewünschte Effekt beim Adressaten erreicht wird.

      Eine Möglichkeit ist, bestimmt, zum richtigen Verständnis notwendige Informationen irgendwo im inneren eines Textes quasi zu verstecken. Denn auch wenn es nicht mit der hehren Vorstellung vom gründlichen Informieren über wichtige Sachverhalte zusammenpasst, wir alle, ausnahmslos, nehmen den größten Teil der Informationen nur flüchtig auf. Und das kann man auch nicht zum Vorwurf machen, bei der enormen Menge an angebotenen Informationen reichen die geistigen Kapazitäten für eine gründliche Reflexion der Nachrichten gar nicht aus.
      Ich habe das beim Zusammensuchen der Meldungen für diesen Post selbst gemerkt. Ich hatte manche Texte vor Wochen zumindest so gründlich gelesen, daß ich mich heute noch an sie erinnere. Und als ich sie jetzt noch einmal rausgesucht und gelesen habe, war ich überrascht, wie anders ich manches bei der ersten Lektüre wahrgenommen hatte.
      Das es auch bei anderen so funktioniert, sieht man sehr schön an den Leserkommentaren zum Raketentest, etwa auf Focus Online. Bei vielen Lesern, die sich automatisch darauf verlassen, daß Meldungen im Krim-Ticker mit der Krim zu tun haben, kommt diese Meldung völlig falsch an. Auch wenn im Prinzip angedeutet wird, wie wenig sie mit der Krim zu tun hat.

      Was die Persönlichkeiten der Maidan-Bewegung angeht, so ist das Gesamtwerk die Propaganda. Man braucht zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung geeignete Personen und das über sie berichtet wird. Und beides konnte gut erreicht werden.

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  3. Ich habe nicht Falschinformation und Propaganda gleichgesetzt, sondern mich lediglich auf deine Beispiele bezogen, wie den Raketentest. Mir ist nur nicht klar, wie sich Propaganda (in dem Sinne wie du sie beschreibst) von gewöhnlichen Nachrichten unterscheidet. Das "Verstecken" von Informationen oder die Verknüpfung voneinander unabhängiger Ereignisse mag bei einigen Medien vorkommen, bei anderen wiederum nicht. Und sollten verschiedene Zeitung ähnliches/gleiches berichten, dann doch eher weil sie a) voneinander abschreiben, b) sich auf dieselben Quellen berufen oder c) sich an das gleiche Zielpublikum wenden. Eine Gleichschaltung oder ähnliches kann ich jedoch nicht erkennen. Und dass sich Politiker/Organisation zur Maidan-Bewegung bekennen, ist doch legitim. Ebenso, dass Nachrichten darüber berichten.

    Gruß Jan
    Könnte man nicht auf der Grundlage, auf der du argumentierst, nicht jede beliebige Berichterstattung als Propaganda bezeichnen.

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    1. Ja, die genaue Abgrenzung von Propaganda ist sicherlich schwierig und nicht endgültig möglich. Wenn man es mal mit der Wikipedia hält, dann ist Propaganda ein absichtlicher und systematischer Versuch, Sichtweisen zu formen. Und letztlich ist fast jede öffentliche Äusserung ein Versuch, Sichtweisen zu formen. Es ist aber nicht die nicht so sehr die Äußerung selbst, als die Absicht dahinter.
      Und ich denke eben nicht, daß immer nur eine Absicht hinter den Nachrichten steckt, sondern das viele verschiedene Absichten zu Versuchen der Meinungsformung in dieselbe Richtung führen. Es ist keine gezielte, zentral gesteuerte "Gleichschaltung", sondern eine komplizierte Eigendynamik, die eine Vielzahl von Medien in dieselbe Richtung wirken lässt. Und diese Eigendynamik wird von Seiten der Politik eindeutig befeuert, da es sich dabei um die von ihr gewünschte Richtung der Berichterstattung handelt.
      Die Frage ist also auch, wieviel direktes Eingreifen und Lenken man für den Begriff "Propaganda" verlangen will, und inwiefern es genügt, eine Entwicklung in die gewünschte Richtung nur in Gang zu setzen oder zu verstärken.

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  4. Auch ich möchte der angeführten Medienkritik beipflichten.
    Mein derzeitiger Eindruck: Im "Westen" fordern und drängen die Medien mit ihrer beinahe hetzenden Darstellungsweise die Politik "zu liefern", während im "Osten" verstärkt versucht wird, durch die Politik die eigenen Medien zu koordinieren und zu beeinflussen.

    Dazu passt auch:"Viele haben sich nie ganz freigestrampelt..."
    http://bit.ly/1monECY

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  5. Gratulation zur guten Aufarbeitung der bisherigen pro-westlichen Propagandaschlacht.

    Bzgl. der am 4. März von Russland getesteten Interkontinentalrakete hier noch ein weiteres Beispiel, wie das Zweite Deutsche Propagandafernsehen in Vertretung von ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek die Zuschauer "schockte" mit der Meldung über einen "Atomsprengkopf, den die Russen gezündet haben":

    https://www.youtube.com/watch?v=c5LbMDBwuI0

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  6. Nun, Scholl-Latour sagt richtiges dazu (Phoenix und Tagesspiegel) und auch der alte SPD-Mann, wie hieß er.. achja: Eppler hat was passendes dazu geschrieben.
    Aber sonst?
    - Jeeves

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  7. Wer hätte gedacht, dass ich mal ein Propagandamotiv, das ich nur aus der Schule aus dem Geschichtsbuch kenne, noch mal auf dem Titel der Frankfurter Allgemeinen sehe!

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  8. Halten wir fest: Das diktatorisch regierte Russland verletzt die Souveränität der Ukraine, aber die Berichterstattung darüber ist Propaganda. Die russische Armee marschiert in einen fremden Staat ein, aber wen das stört, der ist wahlweise „idealistische[r] EU-BEgeisterte[r]“, „Anhänger der korrupten Ex-Elite“ oder „stamme[r] Faschist“. Gut, dass das mal gesagt wird, ansonsten hätte ich womöglich noch der Propaganda geglaubt...

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    1. Moment, neinnein, das halten wir nicht fest! Ich nenne niemanden, der sich an einem "Einmarsch in einen fremden Staat" stört „idealistische[r] EU-BEgeisterte[r]“, „Anhänger der korrupten Ex-Elite“ oder „stamme[r] Faschist“, sondern die Aktivisten der Maidanbewegung. Und die gehört zu den Ursachen der Entwicklung, die zum "Einmarsch" führte, nicht zu den Folgen. Außerdem nenne ich nicht die Berichterstattung als solche Propaganda, sondern ihre spezielle Ausgestaltung. Und die Frage, ob Russland diktatorisch regiert wird oder nicht, sollte dabei von untergeordneter Rolle sein.

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    2. Wir halten stattdessen fest, dass nicht jede - sondern vielmehr kaum eine - Kritik an der Vorgehensweise "des Westens" oder auch nur der "westlichen" Berichterstattung gleichzeitig eine Verteidigung oder Rechtfertigung des Vorgehens Russlands bzw. Putins darstellt. Dieser Anwurf nämlich, kann nur von jemandem kommen, der auf die Propaganda zumindest hinsichtlich der Schwarz-Weiß-Malerei hereingefallen ist. Es geht den Kritikern nämlich vielmehr darum, eine differenzierte Sicht der Krise zu bewahren und idealiter zu verbreiten. Dafür müssen aber die Verkürzungen, die Verzerrungen, die Simplifizierungen, kurz muss die Propaganda als solche erkannt werden.

      jansalterego

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    3. Ach so, weil auf einem Platz in Kiew eine Gruppe von Menschen eine pro-europäische Politik und die Freilassung einer unter fragwürdigen Umständen inhaftierten Politikerin fordern, musste Russland in die Ukraine einmarschieren. Und ich Naivling dachte bisher immer, das nur der systematische Bruch von Menschen- und Völkerrechten einen Einmarsch (unter UN-Mandat) rechtfertigt.

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    4. @Anonym alias Jan bzw Jansalterego:
      Yep.
      Wieviele Alter Egos von Jan sind denn so unterwegs? :)

      @Anonym:
      Naja, das ist schon ein bisschen besser, aber immer noch nicht so ganz richtig.
      Natürlich ist niemand irgendwo einmarschiert, weil irgendwer irgendwo für irgendwas demonstriert hat. Hätte das hier irgendwer irgendwo behauptet, er müsste schon ziemlich dämlich sein, nicht wahr? Nein, Russland ist in die Ukraine einmarschiert, weil eine stark anti-russische Regierung die Macht in der Ukraine übernommen hat. Und das auch nicht auf so ganz glasklar demokratische Weise, aber lassen wir dieses die-einen-haben-aber-die-anderen-haben-aber-Spiel. Darin kann man sich wunderbar aufreiben, und selbst wenn man sich auf ein Ergebnis einigen könnte, so würde es doch nichts an den Tatsachen ändern.
      Übrigens mag ich dieses "in die Ukraine einmarschiert" nicht besonders. Es verletzt mein Sprachgefühl, denn es weckt falsche Assoziationen. Denn zum einen geht es nicht um die Ukraine als ganzes, sondern nur um den Teil der Krim. Und zum anderen ist es nicht so richtig ein "Einmarsch", denn sie waren ja schon vorher da. Auf der Krim stellten die Russen eine satte absolute Mehrheit und auch zehntausend Soldaten waren dort ganz regulär stationiert. Aber auch solche Sprachklaubereien bringen am Ende nicht viel.

      Was das Völkerrecht angeht, so will ich auch da nicht zu viel rumdiskutieren, denn es läuft auch hier auf ein die-einen/aber die anderen-Spiel hinaus. Aber grundsätzlich würde ich einem Kritiker Russlands empfehlen, nicht zu sehr auf dem Völkerrecht herumzureiten. Denn am Ende ist man genötigt, sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, daß internationales Recht für "freiheitlich-demokratische" Staaten weniger bindend ist als für autoritäre. Und das ist eine intellektuell nicht sehr anziehende Position.

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    5. @Thomas: Neinnein, mit dem Vorredner Jan weiter oben habe ich nix zu tun. U.a. deswegen nenne ich mich ja im Netz nicht einfach Jan. Ich glaube es flitzt auch nur ein so geschriebenes Alter Ego im Netz herum. Ist vielleicht doch zu verwirrend. Dann halt wieder ~xXxC4PT41N-4W350M3P4NT5xXx~ oder so... ;)

      Inhaltlich: Full ack.

      jansalterego

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    6. Ah, mit diesen ganzen "Anonym" kann man ja schon mal durcheinander kommen…! :)

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  9. Transatlantische Netzwerke + strukturell verankterte Propaganda + vorsätzliche Zensur

    Wenn Figuren wie Blome (Spiegel), Joffe (ZEIT), Frankenberger (FAZ), Kornelius (SZ), etc. von ihren atlantischen Netzwerken nicht reden, wenn sie Pentagon-Propaganda verbreiten, dann mag der Nachsichtige ihnen Propaganda aus Nachlässigkeit zubilligen - aber auch nur der.

    Wenn alle dasselbe sagen, dann handelt es sich um eine Lüge. Paradox, aber wahr. Das gilt immer in einer pluralistischen Gesellschaft. Wer in einer pluralistischen Gesellschaft über eine komplexe Frage so orchestriert berichtet, wie die deutsche Presse das tut, der tut das entweder auf direkte Anweisung des Vorgesetzten (und der Herr Redakteur oder Volontär hat dann den Artikel zu verschlimmbessern im Sinne des Chefredakteurs) - oder schlimmer - die Gleichschaltung ist tatsächlich bereits derart strukturell in dieser Gesellschaft verankert, dass es dessen gar nicht mehr bedarf.

    Dass aber Kommentare auf SPON drastisch zensiert werden (bei mir etwa 3 von 4 Kommentaren), dass in der SZ - in der ich seit Jahren als Leser kommentierte - gar mein Konto gelöscht wird, deutet auf nicht ausschließlich strukturelle Orchestrierung hin.

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  10. Auf den ersten Blick ein scheinbar einleuchtender Beitrag zum Thema 'Manipulation durch die Medien vor dem Hintergrund eigner Interessen' in diesem Falle des "Westens". Mit Beispielen und Bilder illustriert. Wobei inzwischen jeder Schüler der Mittelstufe weiß, dass in den Medien sicherlich nicht die Wahrheit verbreitet wird. Als Lektüre des weiteren empfohlen Habermas 'Erkenntnis und Intersse'. Soweit so gut... Auf den zweiten Blick beschleicht mich Ärger. Der Autor macht im Grunde genau das, was er "den Medien" vorwirft: Er nimmt eine Metaposition ein und sugeriert dem Leser, er weiß, was wirklich passiert: der Maidan repräsentiert nicht die Bevölkerung. Klitschko nimmt keiner ernst, Faschisten sind mit von der Partie etc. All diese Informationen kamen auch in den Berichten von ARD und ZDF vor. Insofern möchte ich hinzufügen: Die Wahrheit über die Wahrheit über die Wahrheit über die Wahrheit usw. War der Autor da? Welche Quellen benutzt er? Und kein Wort über den Völkerrechtsbruch, den Umgang mit Menschenrechten durch ein totalitäres Regime in Russland. Man kann dann Beitrag auch so lesen: Putin korrigiert einen Fehler (und holt die Krim zurück wo sie hingehört). Nun, es war sicherlich auch ein"Fehler" als das russische Kaiserreich Alaska für läppische 7 Mio Dollar an die USA verkaufte. Wäre korrekturbedürftig... Und als Sohn einer ostpreussischen Mutter finde ich es auch nicht richtig, dass die alte Familienheimat dem Putin gehört... Und wer ist eigentlich der "Westen"? Schröder hat Putin als "lupenreinen Demokraten" bezeichnet... Die "Wahrheit2 ist wohl doch ein bißchen komplexer. Kleiner Nachtrag: Eine mir bekannte Ukrainerin hat bestätigt, dass diese "Bewegung" keinesfalls nur au den Maidan beschränkt ist und eine kleine Anzahl prowestlicher Intellektueller betrifft. Der Autor wünscht sich zum Schluß, dass die Propaganda wenigstens in den Händen intelleigenter Menschen liegt. Nun, ich wünsche mir KEINE Propaganda, sondern differenzierte, transparente Betrachtungen...

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    1. Der Autor masst sich natürlich eben gerade nicht an alles zu wissen sondern er zeigt lediglich auf welche Prozesse/Effekte unter anderem zu der Situation führen können das viele Medienschaffende in die gleiche Richtung argumentieren ohne das eine graue Eminenz im Hintergrund sitzt und die Propagandastrippen zieht.

      Eine Propaganda-freie Berichterstattung ist so gut wie unmöglich es sei denn man schreibt lediglich wertungsfreie Berichte die absolut alle Details enthalten. Sobald man etwas weglässt könnte man sich wieder die Frage stellen warum dieses Detail weggelassen wird.
      Solche Berichte will aber vermutlich kaum jemand lesen (und das nicht nur wegen ihres gewaltigen Umfangs).

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  11. Es hat Spaß gemacht, diesen Artikel zu lesen - trifft er doch im Groben das, was ich selbst denke. Vielen Dank!
    Einige Kommentare anderer Leser lassen mich aber zusammenzucken. Scheinbar ist jenen die Schwere der Beeinflussung der Massenmedien in Deutschland nicht wirklich bewusst bzw. anscheinend unterschätzen sie die Lethargie, in welcher sich der durchschnittliche Bundesbürger bereits befindet. Es ist vielen eben nicht mehr möglich, sich selbst ein Bild zu machen - und das eben aufgrund der Vorbeeinflussung deutscher Massenmedien - die Öffentlich Rechtlichen vorne weg.

    Schon lange fällt mir alleine die Wortwahl auf, wie Nachrichten in ARD und ZDF aber auch Rundfunk und Zeitungen viele Artikel vorverurteilen und es dem Konsumenten schwer machen, Platz für ein eigenes Bild zu haben (Nicht DIE Bild). "Hetzend" ist zwar das falsche Wort, aber oftmals sind es schon irgendwie hetzerische Worthülsen, mit denen Berichte eine Wertung bekommen.

    Also nochmal - danke für die Zusammenfassung hier - gut gemacht!

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    1. Ja, die zweifelhafte Wortwahl ist mir auch aufgefallen und gar nicht hier eingegangen. Die Tagesschau etwa hatte irgendwann angefangen, die Regierung Janukowitsch als "Regime" zu bezeichnen, obwohl sie genau genommen die letzte Regierung in der Ukraine war, die durch Wahlen an die Macht kam. Die nicht durch Wahlen an die Regierung gekommenen Nachfolger aber waren immer nur "die Regierung"…

      Ansonsten noch danke für das Lob!

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