Die SPD-Generalsekretärin und überzeugte Katholikin Andrea Nahles besuchte gestern den von der Deutschen Bischofskonferenz ausgerichteten "Eucharistischen Kongress" in Köln. Die SPD? - Arbeiterbewegung? - Internationale? -
Es rettet uns kein höh'res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun? Ach was - war gestern (
Nee - Vorgestern!). Vor gar nicht so langer Zeit gefielen sich SPD-Spitzenpolitiker wie Helmut Schmidt noch darin, mit Philosophen wie Karl Popper zu kokettieren. Und der war, wenn schon sonst nicht viel, so doch zumindest erfrischend religionsfern. Heute pilgern SPD-Spitzenpolitikerinnen zu "Eucharistischen Kongressen". Beim Bündnis 90/Die Grünen sitzen
Spitzenvertreterinnen gleich in der Synode der Evangelischen Kirche, Bundestags(vize)präsidenten der SPD fantasieren öffentlich was vom
Untergang des Staates ohne die Religion und der Bundespräsident ist praktischerweise gleich
ein Pfaffe. Das dümmliche Kokettieren mit Religion wird allmählich in einer beunruhigenden Breite gesellschaftsfähig. Und dümmlich ist es allenthalben. Die brave Gläubische Nahles z.B. gab dem Kölner Bistumsradio
domradio.de gleich auch ein braves
Interview. Dabei stellte sie auch fest:
"Jesus ist für mich jemand, der mir dann ein Kompass ist."
Mit diesem mutigen Bekenntnis steht Frau Nahles leider nicht mal alleine da, das Bild von Jesus als "Kompass", der Religion als "Kompass", wird von religionsumwölkten Geistern zum Kotzen oft bemüht (nur ein paar Beispiele: [
1][
2][
3]). Dabei ist Religion vielleicht so einiges. Was Religion, Jesus oder wer auch immer aber keinesfalls, nicht mal ein klitzekleines naives Bisschen ist, daß ist sowas wie ein "Kompass".
Denn in welche Richtung weist denn Jesus Frau Nahles? In der Bergpredigt sagt Jesus etwa mit Blick auf das, was jetzt "Altes Testament" heißt:
"Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich." (Mt 5, 17-19)
Trotzdem glaubt kein Christ, er müsse sich wie im Gesetz vorgeschrieben beschneiden lassen und dürfe kein Lamm in Sahnesoße essen. Das mit dem kleinsten Buchstaben des Gesetzes wird Jesus schon nicht so genau gemeint haben!
Außer natürlich, es geht um Schwule. Denn daß Jesus selbst kein Wort über Homosexualität verloren hat, kann nur heißen, daß das alttestamentarische Verbot desselben noch immer voll in Kraft ist. So sehen es zumindest die Christen, die Homosexualität ekelhaft finden. Die übrigen Christen sind eher der Meinung, Jesu Schweigen zu diesem Punkt bedeute Zustimmung. Ja, Jesus sagte gar:
"Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es." (Mt 19, 12)
Was kann das schon heißen, wenn nicht, daß Jesus kein Problem mit Schwulen hat?
Den christlichen Gegnern der Homosexualität geht es natürlich auch noch um den
Schutz der Familie. Dabei war Jesus selbst nicht gerade ein Familienmensch:
"Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig." (Mt 10, 35-37)
Da könnte man als Christ doch genauso gut für die Zerstörung der Familie kämpfen statt für ihren Schutz?
Weist uns Jesus zum Frieden an, wenn er sagt
"Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden." (Mt 5, 9)
oder doch nicht, wenn er sagt
"Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert." (Mt 10, 34)
Also spricht der Herr zu seinen Jüngern:
"Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch." (Lk 9, 50)
bzw. auch
"Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich" (Lk 11, 23)
Äh. Ähhhh...
Dafaq?
Und das ist gerade der Unterschied zum Kompass. Die Besonderheit eines Kompass' besteht darin, immer in dieselbe Richtung zu weisen, egal, in welche Richtung der Betrachter gerade blickt. Der religiöse "Kompass" dagegen, egal in welcher Form, weist zuverlässig in die Richtung, in die der Betrachter ohnehin gerade blickt. Und wenn eine Andrea Nahles behauptet, Jesus sei ihr "Kompass", dann weist ihr nur das eigene Bauchgefühl die Richtung. Allerdings werden die eigenen Befindlichkeiten enorm aufgewertet, wenn man statt "
Ich finde, daß..." besser "
Gott will, daß..." sagt...
Schade, zu Zeiten August Bebels, Karl Kautskys und Eduard Bernsteins hatte die SPD die Funktion von Religion schon mal deutlich klarer gesehen als zu Zeiten einer Andrea Nahles.