Donnerstag, 14. Februar 2013

Milchmädchen im All

Asteroiden mal wieder! Mit dem Objekt 2012 DA14 fliegt - schon wieder - einer sehr nahe an der Erde vorbei, und das ist ja immer für Meldungen gut. Aber inzwischen gibt es ja noch eine weitere beliebte Art von Asteroidenmeldungen, nämlich die vom Abbau von Rohstoffen aus Asteroiden. Dabei wird dann gerne der enorme wirtschaftliche Wert von Asteroiden angeführt, und zwar auf wirklich sehr beeindruckende Weise. Man nehme die meist nur grob schätzbare Gesamtmasse einer Asteroiden und seine geschätzte prozentuale Zusammensetzung an chemischen Elementen und rechne unter Annahme der aktuellen Weltmarktpreise den Wert aus. Astronomische Förderkosten im All werden in der Bilanz ebenso wenig berücksichtigt wie ein Preisverfall bei einem Überangebot.
Beim Objekt 2012 DA14 kommen nun ein naher Vorbeiflug und die Meldung über den materiellen Wert zusammen, z.B. in einem Artikel beim Focus Online:
"Fliegen am Freitag 195 Milliarden Dollar an der Erde vorbei?"
Nö. Aber erst mal die Eckdaten. Die Masse des Asteroiden 2012 DA14 ist nur so ungefähr schätzbar. Nehmen wir mal einen Durchmesser von 50 Metern an und eine typische Dichte von 3 g/ccm, dann kommt man auf Werte in der Nähe dessen, was auch in der Wikipedia steht, nämlich 190 000 Tonnen. Und wie hoch ist nun der Materialwert von 190 000 Tonnen Asteroidenmaterial?
"Wenn nur zehn Prozent seiner Masse aus wertvollen Rohstoffen wie Eisen und Nickel bestünden, seien diese nach derzeitigen Marktpreisen bereits 130 Milliarden Dollar wert, teilte das Unternehmen Deep Space Industries mit."
Von Investitionen in das Unternehmen Deep Space Industries würde ich ja abraten. Denn wenn wir den günstigsten Fall annehmen und davon ausgehen, daß der Asteroid 2012 DA14 zu 10% aus Nickel bestünde, dann wären das 19 000 Tonnen Nickel. Bei einem Weltmarkpreis von ca. 13 600 Euro pro Tonne wäre das ein Materialwert von 258,4 Millionen Euro bzw. 344,2 Millionen US-Dollar. Und nicht 130 Milliarden Dollar.
Noch toller wird die Rechnung, wenn es ans Wasser geht:
"Schätzungsweise fünf Prozent des Asteroiden seien nutzbares Wasser, das rund 65 Milliarden Dollar koste."
Ah, 5% (in Masse) Wasser kosten die Hälfte von dem, was 10% (in Masse) Eisen oder Nickel kosten? Focus Online-Redakteure müssen an eine echt hohe Wasserrechnung gewöhnt sein! Fünf Prozent, das sind 9 500 Tonnen Wasser. Bei den Berliner Wasserbetrieben kostet ein Kubikmeter (eine Tonne) Frischwasser zurzeit 2,027 € (ohne Steuern). Damit hat das Wasser des Asteroiden einen Wert von 19 257 €.
Übrigens greift auch Die Welt das Thema auf und hat zumindest eine andere Erklärung für den Wasserpreis. Demnach handelt es sich um den irgendwie geschätzten Wert des Treibstoffs, den man aus 9 500 Tonnen Wasser im Weltall herstellen könnte, wenn man seine Transportkosten von der Erde ins All in die Rechnung mit berücksichtigt - aber nicht die Transportkosten der Fabrik, die man zu dieser Treibstoffgewinnung erst einmal entwickeln und von der Erde erst einmal ins All bringen müßte...

Aber wenn wir heute schon das Milchmädchen in uns rauslassen, dann können wir ja noch mal ein bisschen Gegenrechnen! Bisher gab es nur eine einzige Weltraummission, die Material von einem Asteroiden zur Erde gebracht hat -  die japanische Mission Hayabusa. Die hatte ein Budget von ca. 250 Mio. US-$. Es ist nicht so ganz klar, wieviel Material sie zurückgebracht hat. Ich habe nur die Angabe von 1534 mikrometergroßen Körnchen gefunden. Schätzen wir mit einem typischen Körnchenradius von 10 Mikrometern und einer Dichte von 3,5 g/ccm die Menge ab, dann sind das etwa 22,5 Mikrogramm (!) Asteroidenmaterial. Das heißt, nach aktueller Weltmarktlage kostet die Förderung von einer Tonne Asteroidenmaterial 11 116 200 000 000 000 000 US-$. Oder, anders ausgedrückt, selbst wenn der Asteroid 2012 DA14 aus reinem Gold bestünde, dann müsste man den Gegenwert von 208 Milliarden gleich großen Goldasteroiden ausgeben, um ihn abzubauen.
Aber vielleicht sind ja all diese tollen Milchmädchenrechnungen einfach nur sinnlos?

16 Kommentare:

  1. Das mit den Kosten von dem Sternenstaub, den die Hayabusa-Mission zurückgebracht hat, ist aber unfair. Die hätten mit wahrscheinlich unwesentlich höheren Kosten auch viel mehr Zeugs mitbringen können. Vom Preis für die Förderung von einer Tonne Asteroidenmaterial kannst Du also getrost ein, zwei Nullen abziehen!

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    1. Naja, die Sonde war am Ende so schrottreif, es ist eher ein Wunder, daß sie überhaupt zurückkam... Aber meinetwegen, sind wir großzügig und streichen die letzten zwei Nullen! :)

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    2. Genau, und dann sind wir mit 111 162 000 000 000 000 USD pro Tonne fast schon in der Schnäppchenklasse. Da brauchen wir zur Finanzierung dann nur noch 2 Milliarden Goldasteroiden :)

      Die Süddeutsche teilt übrigens heute ebenfalls unter Berufung auf Wissenschaftler von Deep Space Industries mit, dass die im Asteroiden 2012 DA14 enthaltenen Metalle und sonstigen Rohstoffe 195 Milliarden Dollar wert seien.

      Die Frachtkosten für den Transport von Material von der Erde ins All werden mit 10 Millionen Dollar pro Tonne angegeben. Deine Zahlen sind also reine Mondzahlen, während hier Praktiker sprechen.
      Die Praktiker unterschlagen allerdings auch wieder die Kosten für Entwicklung, Installation und Wartung der zum "Ernten" von Asteroiden nötigen Technik.

      Am Ende findet sich da noch die interessante Aussage "der Experten" (ich nehme an von DSI), das All müsse schließlich eines Tages besiedelt werden. Logisch, sonst bliebe ja WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf ein reines Märchen, und das darf nun wirklich nicht sein!

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  2. Ach, so haben die gerechnet! Ist aber immer noch bizarr, schliesslich kommt man fuer 10 Mio. pro Tonne nicht besonders weit in den Weltraum, da fällt noch ein erheblicher Aufwand an, um das Zeug vom Asteroiden dahin zu bringen, wo man es brauchen könnte. Und was bitte sollte man mit, sagen wir mal, 19000 Tonnen Nickel irgendwo im Weltall? Bauen wir gleich ein komplettes Industriegebiet im All?

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    1. Hm, nach dieser Rechnung würde es 20 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 $ kosten, die Sonne ins Weltall zu bringen. Ein Glück, dass die schon da ist, sonst könnten wir uns die gar nicht leisten.

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    2. Wieder ordentlich was gespart!
      Von dem Geld können wir uns dann ja 30 000 000 000 000 000 000 000 000 Elbphilharmonien bauen. Oder ein paar weniger, dafür aber auf Asteroiden!

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    3. Selbstverständlich braucht auch der Weltallsiedler der Zukunft Kultur, da geht das mit den Elbphilharmonien schon in Ordnung. Bei größeren Stückzahlen werden die sicher auch billiger...

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    4. Abheben können sie ja dann von Berlin-Brandenburg International...

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    5. Und bestimmt kann noch jemand eine Transrapidstrecke dazwischen bauen. So passt eins zum andern.

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  3. Die WELT-Rechnung über den Wert des Wassers hinsichtlich der Menge Treibstoff, den man daraus herstellen könnte, ist sehr überzeugend.
    Andere Rechnung: aus 9.500 Tonnen Wasser könnte man 9.500.000 Liter Bier herstellen, und weil eine Wiesn-Maß am Oktoberfest 9,50 Euro kostet, ist das Wasser auf dem Asteroiden nach Adam Riese über 90 Millionen Euro wert.

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    1. Stimmt! Und die Transportkosten für den benötigten Würfel Bierhefe ins Weltall sollten auch überschaubar bleiben!

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    2. Dann muss man nur noch einen Schlauch von dort oben auf die Erde legen, um das Bier kostengünstig auf die Wiesn zu kriegen. Der Schlauch könnte aber im Innern des Stahlseils verbaut werden, an dem der natürlich auch zu bauende Weltraumaufzug hängt. Vom Ende des Aufzugs ließe sich sicher ein billiger Pendelverkehr zum Mond und den jeweils aktuellen Raumstationen, Asteroiden usw. einrichten.

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    3. Aber Erde, Mond, Asteroiden, die drehen und bewegen sich doch alle! Es dauert nicht lange, und das ganze Sonnensystem ist ein einziges Seilknäuel! Die Welt wird untergehen!

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    4. Wird sie doch sowieso. Apophis ist unterwegs, Nibiru ebenfalls, und die Mayas haben sicher auch schon wieder was am Kochen...

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  4. Na dann investiere ich doch lieber weiterhin in Schweinehaelften ...

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