Freitag, 11. Mai 2012

Explosive Hexen

Heute gab's mal wieder einen interessanten kleinen Artikel bei Spiegel Online:
Autofahrer stirbt bei Unfall mit Gefahrguttransporter
Und so schrecklich ein tödlicher Unfall auch ist, so amüsant ist der Bericht - wie eigentlich immer, wenn der Qualitätsjournalismus irgendwas über Chemikalien schreiben muß. Dann erfindet man gerne mal neue chemische Substanzen ("Stickgas"). Mindestens aber muß eine real existierende Substanz explosiv sein. Bei Schwefelsäure hatten wir das schon mal. Heute sind es Hexene. Und da geht der Spaß auch schon los. Die Polizeidirektion Itzehoe teilte zum Gefahrguttransporter mit:
"Geladen hatte sein Fahrzeug 28 Tonnen Hexene."
Und bei SpOn wird daraus:
"Der Transporter war den Angaben zufolge mit 29.000 Litern Hexene, einem Bestandteil von Superkraftstoff, beladen."
Mal beiseite, daß bei einer Dichte von um die 0,66 g/cm3 28 Tonnen dieser Substanz so um die 42.000 Liter wären, und sie auch nicht gerade typisch für Superbenzin ist. Der Tankwagen war (zumindest im Deutschen) nicht mit Hexene beladen, sondern mit Hexenen. Das "e" in "28 Tonnen Hexenen" ist ein Plural-e (oder es stammt von einer fehlenden Übersetzung des englischen Namens ins Deutsche). Hexene sind eine ganze Gruppe von Chemikalien, Kohlenwasserstoffe mit sechs Kohlenstoffatomen und einer Doppelbindung zwischen Kohlenstoff. Ein Hexen, viele Hexene. Hätte man bei Wikipedia nachlesen können. Dann hätte man auch lernen können, daß Hexene zwar als leicht entzündlich und gesundheitsschädlich eingestuft sind - verwandt mit Benzin eben - , nicht aber als explosiv. Die Polizei Itzehoe teilt auch in ihren Pressemitteilungen zwei Mal ausdrücklich mit, daß eine brennbare Flüssigkeit ausgelaufen ist. Doch die Dramatik beim Spiegel verlangt wohl, daraus drei Mal eine explosive Flüssigkeit zu machen:
"Rund hundert Liter einer explosiven Chemikalie liefen aus." 
"Aus dem Lastwagen liefen etwa hundert Liter einer explosiven Chemikalie aus." 
"Zwischen Itzehoe und Heide wurde zeitweise die Bahnstrecke wegen möglicher Explosionsgefahr gesperrt, ein Ersatzverkehr mit Bussen wurde eingerichtet."
Laß' krachen, Spiegel!
Die Alleinschuld kann man dem Spiegel aber wohl nicht geben; er beruft sich auf dapd. Bei Meldungen, die sich auf dpa berufen (z.B. Die Welt, Berliner Zeitung und besonders schön das Hamburger Abendblatt) wird Hexen ganz unspektakulär zu flüssigem Paraffin, und es gab auch nur "Brand- und Explosionsgefahr". War da nicht auch mal was mit der Qualität bei dapd?

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