Um schon mal einer falschen Erwartung vorzubeugen, hier geht es nicht um Kreationismus oder Intelligent Design im engeren Sinne, sondern um einen teleologischen Gottesbeweis. Aber letzlich laufen ja auch alle kreationistischen Theorien auf die teleologische Argumentation hinaus: bei Betrachtung der physischen Welt könne man Strukturen sehen (etwa Komplexität oder Zielgerichtetheit), deren Zustandekommen durch "Zufall", d.h. ohne Zutun eines übernatürlichen Willens, unmöglich, oder doch zumindest extrem unwahrscheinlich ist. Also könne man den Schluß ziehen, daß Gott als Träger dieses Willens existiert. "Betrachtung der Welt" kann dabei erschiedenes heißen, und die Mehrheit der Betrachtungen konkurieren gegen die Evolutionstheorie, oder gar wissenschaftliche Theorien überhaupt. Denn letztlich greifen ja naturwissenchaftliche Theorien tief ineinander, und wenn beispielsweise radiologische Altersbestimmungen angezweifelt werden, weil man als Kreationist einer bestimmten Geschmacksrichtung eine "junge Erde" bevorzugt, so wird damit u.U. eine physikalische Theorie angezweifelt, die in viele andere Bereiche des Lebens hinein wirkt. So wird der Kreationist, der die Theorie der Radioaktivität abzulehnen geneigt ist, dennoch nicht an einer medizinischen Behandlung zweifeln, die unter Verwendung radioaktiver Materialien zustande kommt.
Aber es geht auch deutlich intelligenter. So kann man sich zum einen vom zwingenden Schluß auf die Existenz Gottes verabschieden, und nur noch zu beweisen trachten, daß die Existenz Gottes wahrscheinlicher ist als seine Nichtexistenz. Oder noch schwächer, daß die Beobachtung der Welt für die Existenz Gottes spricht. Der Begriff "Gottesbeweis" sei also in einer recht milden Weise verstanden. Zum anderen kann man es vermeiden, sich auf eine direkte Konkurenz mit naturwissenschaftlichen Theorien einzulassen. Man darf also nicht mehr mit einzelnen Beobachtungen der materiellen Welt argumentieren, mit denen sich Evolutionsbiologie, Chemie, Physik, oder welche Naturwissenschaft auch immer beschäftigen, sondern muß die Argumentation auf eine Metaebene heben. Nicht mehr den Naturgesetzen unterworfene Erscheinungen sind es, von denen aus auf Gott geschlossen wird, sondern die Existenz von Naturgesetzen selber kann als Argument verwendet werden. So hat es beispielsweise Richard Swinburne gemacht, und seine Argumentation ist zusammengefaßt in dem Beitrag "
Swinburnes Deutung des teleologischen Gottesbeweises" von Edmund Runggaldier in F. Ricken (Hrsg.), 1991,
Klassische Gottesbeweise in der Sicht der gegenwärtigen Logik und Wissenschaftstheorie, Verlag W. Kohlhammer. Ich habe dieses Buch ja schon erwähnt.
Mittel der Wahl, die Wahrscheinlichkeit einer These wie die der Existenz Gottes zu untersuchen, ist natürlich
Bayes' Theorem. Und das ist immerhin mathematisch solide, hat einen guten Ruf, und sieht auch klug aus.
Zunächst will ich knapp wiederzugeben versuchen, wie dieser spezifische teleologische Gottesbeweis funktioniert. Auf all die vielen Einladungen, Einwände gegen die gemachten Annahmen zu erheben, will gar nicht eingehen. Allerdings will ich aber am Schluß der Ausführungen Argumente vorbringen, warum der Gottesbeweis, auch wenn man seine Prämissen akzeptiert, formal falsch ist. Und damit, weshalb keinesfalls beweisen ist, daß Gottes Existenz durch Beobachtungen der Welt wahrscheinlicher wird.
Zuerst aber noch eine kurze persönliche Bemerkung zum Vorhaben, die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes aus der Betrachtung der Welt abzuleiten. Ich finde es grundsätzlich bedenklich, die Wahrscheinlichkeiten für Gott an der Welt festzumachen. Denn eine Analyse der Hypothese "Gott existiert" mittels Bayes' Theorem beinhaltet immer die Möglichkeit, daß durch zusätzliche, neue Beobachtungen die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Hypothese wieder sinkt, zumindest falls man eine solche Analyse aufrichtig betreibt. Und dann muß man sich fragen, ob ein gläubiger Mensch in einem solchen Fall von seiner Religion ablassen würde. Oder anders gefragt, wären Menschen bereit, ihren Glauben oder Unglauben vom Fortschreiten der Untersuchungen der physischen Welt abhängig zu machen? Ich bezweifle dies sehr. Und damit erscheint mir der teleologische Gottesbeweis als reine Augenwischerei, der vermutlich nur Bedeutung beigemessen wird, solange die Wahrscheinlichkeiten für den Glauben sprechen. Eine hypothetische teleologische "Gotteswiderlegung", die bei dieser Art Argumentation zumindest theoretisch möglich wäre, würde dagegen vermutlich keine Akzeptanz finden. Schließlich können auch die schlimmsten Katastrophen wahre Gläubige nicht in der Vorstellung von einem allgütigen, allgerechten und allbarmherzigen Gott erschüttern, wie das
Patre Benedetto so schön gepredigt hat.
Aber nun zur Sache. Mit
h sei die Hypothese "Gott existiert" bezeichnet, mit
b der Hintergrund an sonstigem Wissen, und mit
e ein empirisches Argument, d.h. eine Evidenz, das auf sein Vermögen zur Stützung der Hypothese hin untersucht werden soll. Hier ist
e die Beobachtung, daß es eine Ordnung in der Welt gibt. Eine solche Ordnung ist das Vorhandensein von Naturgesetzen, die unabhängig vom Menschen als universell im Universum waltend angenommen werden und von Menschen lediglich entdeckt werden. Es wird ausdrücklich akzeptiert, daß auch der Mensch selber diesen Naturgesetzen unterworfen ist, also etwa der Evolution. Insofern kommt dieser Gottesbeweis nicht ins Gehege der Naturwissenschaften, vielmehr werden diese selber in den Dienst des Gottesbeweises gestellt. Bezeichnet die Funktion p() die Wahrscheinlichkeit, die ihrem Argument zugeordnet wird, dann können wir Bayes' Theorem formulieren:
p(
h|
e.b) = p(
e|
h.b) p(
h|
b) / p(
e|
b)
Mit dem einfachen Punkt " . " sei hier das logische "und" bezeichnet, und p(
x|
y) bezeichne die bedingte Wahrscheinlichkeit von
x, d.h. die Wahrscheinlichkeit, daß
x wahr ist, unter der Voraussetzung, daß
y wahr ist (Es ist wohl besser, hier von Aussagen und ihren Wahrheitswerten zu sprechen anstatt von Ereignissen und ihrem Eintreffen, wie das in der Wahrscheinlichkeitstheorie mitunter gemacht wird. Auf diese Weise vermeidet man Verwirrungen in Hinblick auf eventuelle zeitliche Abfolgen, über die durch das Theorem nichts ausgesagt wird. Aber man kann sich ja die Tatsache "Das Ereignis X ist eingetreten" übersetzt denken in: die Aussage "'Das Ereignis X ist eingetreten'" ist wahr"). Was genau alles im Hintergrund
b steckt, wird leider nicht weiter ausgeführt. Lediglich die Existenz des Universiums ist für
b aufgeführt. Das Ziel der Argumenation ist, zu zeigen, daß p(
h|
e.b) > p(
h|
b). Also das durch die Beobachtung einer Ordnung im Universium die Hypothese von der Existenz Gottes wahrscheinlicher wird als ohne diese Beobachtung. Es geht also um eine recht schwache Folgerung. Laut Theorem ist dies genau dann gegeben, wenn p(
e|
h.b) > p(
e|
b), also wenn die Ordnung im Universum unter der Hypothese der Existenz Gottes wahrscheinlicher ist als ohne diese Hypothese. Um argumentieren zu können, wird noch eine weitere Äquivalenz verwendet: p(
e|
h.b) > p(
e|
b) gilt genau dann, wenn p(
e|
h.b) > p(
e|¬
h.b). Um dies zu sehen, muß man Bayes' Theorem für die Hypothese
h und ihre Negation ¬
h aufstellen, und die für die komplementären Hypothesen
h und ¬
h gültige Beziehung p(
h|
b) + p(¬
h|
b) = 1 verwenden. Nun wird argumentiert, daß Ordnung im Universum wahrscheinlicher sei unter der Annahme, daß es Gott gibt, als unter der Annahme, daß es Gott nicht gibt. Dazu wird zum einen angeführt, daß es sehr verwunderlich und unwahrscheinlich sei, wenn es die weitreichenden Naturgesetze ohne einen guten Grund gäbe, und daß Gott eben einen solchen Grund bietet. Und zum anderen wird argumentiert, daß Gott, so es ihn gibt, sicherlich ein geordnetes Universum schaffen würde, da ein solches schöner wäre als ein ungeordnetes, und Gott Schönheit bevorzugen würde. Außerdem wünscht Gott, daß seine Geschöpfe im Universum Macht über die Natur gewinnen können, und dazu brauche es ebenfalls eine Ordnung, die man ausnutzen könne. Also sei p(
e|
h.b) >> p(
e|¬
h.b), und damit auch p(
h|
e.b) >> p(
h|
b), und man hätte ein Argument für Gottes Existenz. Ausdrücklich sei bemerkt, daß nicht gezeigt ist, das Gottes Existenz durch
e wahrscheinlicher wird als seine Nichtexistenz, also nicht p(
h|
e.b) > p(¬
h|
e.b).
Viele Annahmen laden hier zu Kritik ein, die in unterschiedliche Richtungen führen. So etwa die Annahme, es gäbe Naturgesetze unabhängig vom Menschen und zu allen Zeiten und Orten. Man könnte dies anzweifeln, auch wenn es zweifelos die grundlegende Arbeitshypothese aller Naturwissenschaften ist, allen voran der Astronomie. Auch könnte man es vermessen und anthropozentrisch finden, daß Gott bestimme Willen unterstellt werden. Und sicherlich ist diese Annahme auch etwas anderes als die Identifizierung Gottes mit dem höchsten Wesen, dem Ersten Grund und dergleichen, wie es in anderen Gottesbeweisen gemacht wird. Und auch die Verwendung von sehr subjektiven Begriffen wie Schönheit und Macht mag bedenklich sein. Und generell scheinen viele Wahrscheinlichkeitseinschätzungen recht subjektiv. Aber auch wenn man all dies akzeptiert, bleibt ein anderer Einwand.
Das gravierende Problem in dieser Argumentation ist der Hintergrund
b. Es wird nicht detailiert ausgeführt, was alles darin enthalten ist. Aber es ist nicht zulässig, irgendwelche Information zur Bewertung hinzuzuziehen, die nicht in der Hypothese oder im Hintergrund enthalten sind. Nun ist es in der Argumentation von Bedeutung, daß Gott aus verschiedenen Gründen ein geordnetes Universum bevorzugt. Diese Information, wenn man sie nicht zur Hypothese zählen will, muß dann in den Hintergrund, als Teil des Wissens über Gott. Dies ist alleine schon deshalb vernünftig, da es unsinnig erscheint, Wahrscheinlichkeiten für die Existenz von etwas abzuschätzen, über dessen Eigenschaften man keine Annahmen mancht. Noch weiteres Hintergundwissen wird für den Gottesbeweis benötigt, etwa die Allmacht Gottes. Diese Punkte werden in der Diskussion einfach unterschlagen.
Letztlich vernichtend für die Argumentation ist aber ein anderer Bestandteil des Hintergrunds. Dazu sollte man sich die Beobachtung
e ansehen. Ist die Tatsache, daß die Welt geordnet ist, d.h. daß es Naturgesetze gibt, eine akzeptable Beobachtung, um etwas über die Wahrscheinlichkeit unserer Hypothese auszusagen? Sieht man auf andere Anwendungen von Bayes' Theorem, so bekommt man Beispiele, was gute Beobachtungen sind: Wenn ich die Ziehung der Lottozahlen verfolge, würde ich auch andere Zahlen als die tatsächlich gezogenen sehen können. Wenn die Beobachtungen von Planetenpositionen am Himmel als Evidenz zur Analyse einer Gravitationstheorie heranziehen will, so würde die Beobachtungsapparatur auch erlauben, die Position der Planeten an einer anderen Stelle des Himmels als der tatsächlichen zu vermessen. Wenn jemand den Schwangerschaftstest in den Morgenurin hält, kann sie dann den rosa Streifen wie auch das Fehlen des rosa Streifens erkennen. Aber wie ist es mit Ordnung des Universums? Wäre es im Prinzip möglich zu beobachten, daß das Universum ohne Ordnung ist, ohne Naturgesetze? Wohl kaum, denn in einem solchen Fall würden wir gar nicht existieren, um uns diese Frage zu stellen. Wie immer man sich so einen solchen anarchistischen Zustand vorstellen mag, ohne stabile Moleküle, eine zuverlässige Gravitation, sprich alles was durch die als existent angenommenen Naturgesetze geboten wird, würde es keinen Menschen geben. Und wenn es aus Prinzip unmöglich ist, etwas anderes als die Ordnung zu beobachten, dann ist diese Beobachtung auch nicht geeignet, die Wahrscheinlichkeit einer Hypothese zu beurteilen. Statt dessen gehört das Wissen um die Ordnung in der Welt, wenn man es verwenden möchte, als Bestandteil in das Hintergrundwissens. Und zieht man diese Information aus
b heraus und schreibt sie explizit, so sieht man nun
p(
e|
h.b'.e) = 1
Diese eher anschauliche Argumentation kann man auch formal führen. Sicherlich ist im Hintergrund die Information enthalten, daß es mindestens ein von Gott verschiedenes Wesen gibt, daß die Welt beobachtet, nämlich z.B. ich, wenn ich den Beweis führe. "Beobachten" möge verstanden werden als die physische Welt wahrnehmen und Naturgesetze in ihr erkennen können. Wenn G(
x) also für "
x ist Gott" steht und B(
x) für "
x beobachtet die Welt", so gilt
∃
x[¬G(
x) . B(
x)] (1)
Außerdem wird noch die Annahme gemacht, daß die Existenz des Beobachtenden vom Vorhandensein von Naturgesetzen abhängt. Wenn N für das Vorhandensein von Naturgesetzen steht, so kann man das formalisieren zu (der Pfeil bezeichnet die logische Implikation)
¬N → ¬B(
x) (2)
Diese Annahme abzulehnen ist problematisch. Man käme wieder in Konflikt mit den Aussagen der Naturwissenschaften, wie z.B. der Evolutionstheorie. Und dies ist sicherlich nicht im Sinne der Beweisführung, die ja explizit über naturwissenschaftlichen Aussagen stehen will und daher die Naturgesetze als solche als Argument führt. Und selbst wenn man der Ansicht wäre, daß der menschliche Geist von den Naturgesetzen unabhängig ist, so sind für Betrachtungen der Welt, die zur Entdeckung von Naturgesetzen führen, noch immer Auge, Ohr und technische Gerätschaften notwendig. Und diese sind den Naturgesetzen doch wieder unterworfen. Daher ist diese Annahme hier gerechtfertigt.
Was die Ordnung in der Welt angeht, muß man nur annehmen, daß das Vorhandensein von Naturgesetzen eine solche Ordnung darstellt, unabhängig davon, ob es noch andere geben könnte. Also muß man nur fordern, daß wenn
e das Vorhandensein von Ordnung im Universum bezeichnet,
N →
e (3)
Damit ist bereits alles beisammen:
¬N → ¬B(
x)
B(
x) → N
N →
eB(
x) →
e∃
x(¬G(
x) . B(
x)) → ∃
x(B(
x))
Also (1) . (2) . (3) →
eDamit ist also
e nicht logisch unabhängig vom Hintergrund
b, der u.a. (1), (2) und (3) beinhaltet. Und damit gilt
p(
e|
b) = 1
also auch
p(
e|X.
b) = 1
für alle beliebigen Aussagen X, u.a. auch für X =
h, die Hypothese der Existenz Gottes. Und wenn man damit nun schlicht ins Bayes'sche Theorem geht, erhält man
p(
h|
e.b) = p(
e|
h.b) p(
h|
b) / p(
e|
b) = p(
h|
b)
Also bietet die Beobachtung
e, daß es Ordnung im Universum gibt, keinerlei neue Information zur Bewertung der Hypothese von der Existenz Gottes. Dies gilt zumindest immer dann, wenn der Mensch selber seine Existenz dieser Ordnung verdankt.
Und damit hat dieser teleologische Beweis keinerlei Aussagekraft über die Wahrscheinlicheit der Existenz Gottes.