von Thomas Steinschneider
Meine Damen, meine Herren, liebe Freunde,
wenn wir heute hier zusammenkommen, um eine herausragende Persönlichkeit unserer Gesellschaft zu ehren, so tun wir dies in bewegten Zeiten. Gerade eben mußte sich der politisch interessierte Bürger noch empören über die provinzielle Mitnahmementalität eines provinziellen Politikers, den eine Kanzlerin des geringsten Widerstandes in das Höchste Amt des Staates gehoben hatte. Letztes Jahr mußte er sich empören über einen selbstherrlichen Adelssproß, der schamlos eine wissenschaftliche Arbeit zusammengeklaut hatte und noch nicht mal Einsicht zeigte, als auch der letzte Analphabet den Betrug vor Augen haben konnte - sofern er denn wollte. Wie ungelegen kam dazwischen nun die Erkenntnis, daß eine Nazimörderbande mehr als ein Jahrzehnt lang ungestört durch Deutschland ziehen konnte, um nichtarische Mitbürger zu erschießen oder in die Luft zu sprengen! Muß sich der politisch interessierte deutsche Bürger auch hier noch empören, offene Briefe an die Kanzlerin unterzeichnen, nach Rücktritten schreien? Immerhin ging es ja nicht um die Würde eines Amtes oder den Respekt vor den Wissenschaften. Sondern nur um, nun ja - um ein paar türkische Gemüsehändler. Wie gut, daß zu dieser Gelegenheit ein besonderer Geist zur Stelle war, um dem deutschen Bürger zu erklären, warum keinerlei Grund zur Sorge besteht. Hierzu brauchte es einen Charakter von besonderer Stärke, einen Verstand von besonderer Schärfe. Es brauchte jemanden, der seine Überzeugungen nicht billig an die nächstbeste Interessengruppe verhökert. Sondern teuer. Und diese Persönlichkeit von Rang und Integrität, wie sie uns allen zum Vorbild dienen kann, ehren wir hier. Wir ehren Herrn Arnulf Baring.
Lassen sie mich zunächst noch einmal die preisgekrönte Aussage des Herrn Baring zitieren:
"Aber das ist doch keine große Katastrophe. Das ganze Gerede davon, es gäbe sozusagen eine ernsthafte rechtsradikale Bedrohung... Ich frage Sie: waren die Nazis rechts? Das halte ich für einen Grundirrtum, übrigens auch von Ihnen. Die Nazis waren nicht rechts, die Nazis waren eine Linkspartei!"Man sieht sofort die drei Prämissen, die hier aufgestellt worden sind:
- Die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds haben rechtsextreme Verbrechen begangen.
- Die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds sind schlecht.
- Alles, was schlecht ist, ist links.
Der gewöhnlich Amateurlogiker würde nun sofort sehen, daß hier ein Widerspruch folgt, nämlich daß rechtsextreme Verbrechen links sind, und daher mindestens eine der drei Prämissen verwerfen. Nicht so aber ein Denker vom Formate des diesjährigen Hegel-Preisträgers für die Mißachtung der Logik. Welche der drei Prämissen sollte er auch verwerfen? Die erste Prämisse ist allzu offensichtlich erfüllt, handelt es sich doch klar um Straftaten, die in Anknüpfung an den Nationalsozialismus Menschen andere ethnischer Herkunft als minderwertig behandeln. Und so moralisch verrottet - oder so mutig - um die zweite Prämisse in Zweifel zu ziehen, ist nicht einmal ein Herr Baring. Und die dritte Prämisse? Sie ist der einzig unzweifelhafte Kern eines Weltbilds von Baring'schem Zuschnitt. Doch ein Hegel-Preisträger findet einen Ausweg aus diesem Konflikt. Alles, was es dazu braucht, ist eine vierte Prämisse: Die Nazis waren eine Linkspartei! Denn dann ist der Nationalsozialistische Untergrund eine linke Organisation, und seine Mitglieder sind folglich Linksextremisten. So haben wir es zwar mit rechtsextremen Verbrechen zu tun, begangen aber von Linksextremisten. Und so stehen wir in der Tat nicht vor einer rechtsradikalen Bedrohung, nein, wir werden bedroht durch Linksextremisten! Und bekämpfen wir den Linksextremismus, dann bekämpfen wir auch rechtsextreme Verbrechen.
Der gewöhnliche Denker wäre hier beinahe einem Fehlschluß aufgesessen. Und wir verdanken es dem Genie eines Arnulf Baring, daß wir einem schweren Irrtum entgangen sind und die wahre Bedrohung erkannt haben. Und diese Großtat ist wahrlich preiswürdig. Danken wir also Herrn Baring für seine scharfe Analyse. Und feiern wir nun uns, ihn und mit ihm heute hier eine der großen Stunden der deutschen Demokratie!
Ach ja, das Buffet ist damit natürlich jetzt eröffnet.
Mit Verlaub
AntwortenLöschenGötz Aly dazu
Was wenig beweist, ausser vielleicht, dass dieser Preis demnächst angesichts des Andrangs von Bewerbern in mehreren Kategorien ausgegeben werden muss.
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