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Donnerstag, 12. August 2010

Wissenschaft auf dem Medienstrich

Als Wissenschaftler hat man es wohl nicht immer leicht. Da widmet man sich hingebungsvoll dem Gegenstand seiner Forschungen, und dann muß man sich anhören, daß die eigene Arbeit eigentlich niemanden interessiert, und daß sie schon gar nicht von Nutzen sei. Sprich, was man, steuerfinanziert, tut, ist überflüssig. Und sicherlich ist es jetzt schwierig, Menschen, deren wissenschaftliche Bildung ihnen durch Bild, Galileo und Focus vermittelt wurde, zu erklären, daß auch Themen wie prosodisches Diffusionsvermögen in südostasiatischen Sprachen oder Modellsysteme für Infektionskrankheiten und Krebs bei Zebrafischen durchaus interessante oder gar nützliche Arbeitsgebiete sind. Und wenn dann auch noch gewichtige Zeitungen (Welt!) gewichtige Sätze (von Steve Fuller) wie
"Universitäten erfüllen ihre natürliche ökonomische Funktion, wenn Wissenschaftler leicht verständlich reden und schreiben, akademischen Jargon entmystifizieren und Anwendungsmöglichkeiten in Wissensgebieten hervorheben, die nicht die Akademiker selbst anbelangen."
auf wehrloses Papier drucken, dann kann man schon verstehen, wenn Wissenschaftler gelegentlich mal einen Zeitungartikel über ihre Arbeit veröffentlicht sehen wollen. Immerhin muß man ja zeigen, daß das, was man so tut, leicht verständlich und nicht mystifiziert ist und außerdem nicht nur für Akademiker interessant, denn es geht ja ums Geld.
Naturgemäß aber sind die Chancen, einen populärwissenschaftlichen Artikel in die Medien zu kriegen, sehr ungleich unter den verschiedenen Wissenschaften verteilt. Die Psychologie mag es da noch vergleichsweise leicht haben. Ihr Forschungsgegenstand erweckt leicht das Interesse der Öffentlichkeit, und wenn man zum Beispiel schnell eine Studie über irgendwas mit Unterschieden zwischen Mann und Frau veröffentlicht, dann kann man sich sicher sein, damit durch die verschiedensten Zeitschriften zu wandern. Auch die Astronomie hat es noch relativ gut. Da gibt es viele offensichtlich interessante Themen, und wenn es einem gelingt, die eigene Arbeit irgendwie mit Monster-Schwarzen Löchern, außerirdischem Leben oder dem Weltende durch Asteroideneinschlag in Verbindung zu bringen, dann ist einem auch Aufmerksamkeit sicher (das gilt natürlich erst recht, wenn man "NASA-Wissenschaftler" ist). Aber was tun, wenn man nur ein einfacher kleiner Laborchemiker ist, oder seine Zeit mit dem Interpretieren altertümlicher Schriften verbringt? Kein Problem, auch da gibt es ein sicheres Rezept für mediale Aufmerksamkeit! Alles, was man braucht, sind die altbewährten Zutaten:
Zunächst mal muß eine Berühmtheit her. Celebrities gehen schließlich immer in den Zeitungen. Um sich nicht in Rechtstreitereien oder zu vielen Fakten zu verlieren, sollte man auf jeden Fall eine Person auswählen, die schon lange genug tot ist, um von rein historischem Interesse zu sein (zur Not gehen auch fiktive Personen, aber da ist der Vorrat nicht so groß). Und am besten kombiniert man diese Person dann natürlich mit Sex, Gewalt, Verbrechen, Tod. Gut, Sex ist schwierig bei schon ziemlich lange toten Personen. Manch einer schafft es zwar noch mit Fragen wie War Goethe schwul? oder War Tutanchamun ein Inzest-Kind? in die Zeitungen, aber einfacher und auch weniger offensichtlich voyeuristisch ist doch Gewalt, Verbrechen und Tod. Und gerade hier bietet sich natürlich das Ereignis, das die ausgewählte Berühmtheit erst zu einer toten Berühmtheit gemacht hat, selbst an! Der Rest ist jetzt wissenschaftliche Routinearbeit und verlangt keine besondere Originalität. Schnell ein Haar Beethovens in das Massenspektrometer gefummelt, oder die historischen Aufzeichnungen zum Tode Kleopatras mit den Symptomen eines Schlangenbisses verglichen, und schon hat man etwas in der Hand, mit dem einem der Weg in die Zeitungen und Zeitschriften offen steht! Und wir alle können dann Artikel zu Fragen lesen wie etwa:
Starb Kleopatra gar nicht am Biss einer Kobra?
Starb Beethoven an einer Bleivergiftung?
Oder doch nicht?
Starb König Herodes an einer Geschlechtskrankheit oder an Nierenversagen?
Wurde Alexander der Große mit verseuchtem Wasser vergiftet?
Starb Napoleon an einer Arsenvergiftung?
Oder starb er doch an Magenkrebs?
Und so weiter und so fort...
Also, geht doch! Die Eierköpfe können doch verständliche, relevante und interessante Forschung machen, wenn man sie nur ein bisschen drängt!

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