Montag, 25. Juli 2016

Sommer, ich piss' auf deinen Kadaver! (Teil2)

+++ Der offizielle nicht abgeschlossene DWüdW-Fortsetzungsroman zum Sommer 2016! +++

Aus der S-Bahn. Durch die Unterführung. Über den Parkplatz. Und als dann mein Blick aus den zusammengekniffenen Augen auf das glänzende Meer trifft und der erste Sand sich zwischen meine besockten Zehen und die Sandalen schiebt, da spüre ich, wie sie von mir abfällt, die Furcht vor dem Tod! Es ist der Moment, in dem einem klar wird, aus heiterem Himmel vom Blitz erschlagen zu werden kann auch als Gnade verstanden werden. Denn hat sich die Menschheit jemals etwas Widerhafteres und Grauenwärtigeres einfallen lassen, als ein Tag am Strand? Neutronenbombe und Modern Talking explizit mit eingeschlossen? Gehen wir ruhig erst einmal vom bestmöglichen aller Szenarien aus. Dann ist es noch nicht ganz so schlimm, im Ekelfaktor irgendwo zwischen Porree in Rahmsauce und einem Interview mit Akif Pirinçci:

Ein schneeweißer Sandstrand, an dem die winzigen Wellen, kaum mehr als ein Gekräusel des warmen, klaren Wassers, leise mit verspielten Schaumrändern zwischen den bunten Muscheln auslaufen. Einige hohe Palmen, die sich sacht in der Brise wiegen. Das Meer türkisblau, ein paar Felsen oder Korallen darin, so daß die Sonne Farbspiele in allen Schattierungen von blau und grün in Nass tupft. Kleine, üppig begrünte Inseln vor der Küste. Alles vollkommen menschenleer, unberührt, James Cook war der letzte, der seinen Fuß in den warmen, pudrigen Sand gesetzt hat. Nur in der Ferne zanken sich ein paar Möwen um ein Stück Seetang. Und dann fällt es irgendeinem Vollidioten ein, da rein zu latschen und sich nackt in die Scheißhitze zu knallen! Freiwillig setzt er sich einem elektromagnetischen Strahlungsfeld aus, das, würde es von einem Hochofen emittiert, selbst einen Arbeitschutzbeauftragten in Bangladesh den Schaum vor dem Mund treiben würde! Nach wenigen Minuten sieht er aus wie ein Schweinerollbraten, nur ohne Knödel. Es sollte einem schon zu denken geben, daß diese Scheiße sich nur ohne akute physischen Schäden überstehen lässt, wenn man sich vorher Fingerdick mit Sonnenmilch einschmiert. Sonnenmilch! Diese widerliche Pampe, die immer riecht, als hätte eine Heidschnucke in eine Dose Niveacreme gepisst! Nur von der Wärme ganz dünnflüssig geworden, so daß sie einem, kaum, daß man sich etwas von der weißen Glitsche auf die Hand ejakuliert hat, gleich zwischen den Fingern davon rinnt und sich auf der Hose verteilt. Damit es aussieht, als hätte man noch ganz woanders hin ejakuliert. Und wenn dann erst der Schweiß dazu kommt! Ein Gefühl auf der Haut… Eigentlich kenne ich nur eine Erfahrung, die eine vergleichbare sinnliche Sensation ausgelöst hat. Unser Küchenabfluß war verstopft, ich mußte ihn auseinander bauen und mit der Hand in all das nasse, schmierige, ranzige abgelagerte Küchenfett der letzten Jahre greifen…

Schon da möchte man ja nur noch kotzen. Aber wir sind ja gar nicht im bestmöglichen alles Szenarien. Wir sind an einem Stadtstrand. Auf der einen Seite Schienen und Schnellstraße, auf der anderen Wasser, dazwischen eine Halde voll feinkörnigem Dreck mit Arschlöchern drin. Ein Charme, als hätte man eine Kiesgrube bei Chorweiler ins unermessliche aufgeblasen. Überhaupt, dieser Sand! Der weckt Kindheitserinnerungen! Damals. Da standen vor der Pforte zum städtischen Krankenhaus zwei große Aschenbecher. Die standen nur vor dem Krankenhaus, in allen anderen öffentlichen Gebäuden hat man damals noch ganz selbstverständlich drinnen geraucht. Die Aschenbecher rechts und links des Eingangs sahen aus wie zwei mit den Spitzen ineinander geschobene Kegel, oben drin war feiner grauer Vogelsand. Darin steckten die Zigarettenkippen, ein paar Streichhölzer und fand sich alles, was sonst noch so im Vorübergehen eine Trajektorie hinein gefunden hatte. Kaugummi und die silbrigen Papiersteifen, in die sie eingewickelt waren. Kronenkorken. Ausgespienes. Manchmal auch der Rest eines Brötchens. Und genau so sieht der Sand an einem Großstadtstrand aus. Sich mit ranzigem Schweineschmalz einreiben und in Gluthitze in einem Aschenbecher wälzen, gilt als erstrebenswerte Freizeitgestaltung. Urophilie gilt als abartig. Versteh' mal einer die Menschen!

Um keinen falschen Eindruck zu vermitteln, ich liebe das Meer, ich liebe es sehr. Aber ich mag auch Brandy, und komme deshalb trotzdem nicht auf die Idee, mich den Samstag Nachmittag zum Vergnügen in ein Steineichenfass zu legen. Man könnte sich dem Meer auch auf zivilisierte Weise annähern. In einem Korbstuhl im Schatten einer Strandbar, ein Ventilator surrt, ein gut gekühlte Drink, der Blick wandert durch die Ferne… Wenn sich dann trotz der Affenhitze noch ein Freiwilliger findet, der den Grill anheizt, dann wäre man schon gaaanz nah dran, eine gar nicht mal so wahnsinnig schlechte Zeit zu haben…!

Aber ich darf nicht mal zur pissigen Strandbar am Stadtstrand verschwinden.
"Ich habe eine Strandmuschel mitgenommen, da kannst du drinnen sitzen und verbrennst nicht!", meint die Dame des Hauses.
Die Strandmuschel ist eine klasse Sache! Man nimmt sie aus der Tragetasche, wirft sie in die Luft, und noch bevor sie am Boden ankommt, haben sich die unter Spannung stehenden Streben selbst entfaltet und das Ding landet als vollständig aufgebautes Zelt!

Die Kleinen graben Löcher in den Sand, schütten Wasser rein und sind damit emotional völlig ausgefüllt.

Ihre Mutter haut sich, nachdem sie sich von oben bis unten mit schmierigem weißen Plastikflaschenejakulat eingerieben hat, entspannt seufzend in den Aschenbecher.

Ich sitze in der stickigen Strandmuschel und mache mir über eines keine Illusionen: Ein reversibler Prozess setzt eine verschwindende Entropieänderung voraus. Oder anders ausgedrückt: Wenn ich die Strandmuschel noch einmal in die Luft werfe, wird sich das Drecksding dabei nicht wieder auf Taschenformat zurückfalten. Ich krame die Gebrauchsanleitung hervor um herauszufinden, wie man das verdammte Biest wieder in die Scheiß Tasche reinkriegt. Als mein Blick auf die Schrift fällt, wird mir manches im Leben klarer…
(Wird fortgesetzt…)

Samstag, 23. Juli 2016

Sommer, ich piss' auf deinen Kadaver! (Teil 1)

+++ Der offizielle nicht abgeschlossene DWüdW-Fortsetzungsroman zum Sommer 2016! +++

Sommer ist Scheiße! Ja, ich weiß, ich riskiere allmählich meine Glaubwürdigkeit. Schließlich fand ich schon Weihnachten Scheiße. Und Ostern Scheiße. Und Herbst sowieso. Aber Sommer ist ganz besonders Scheiße! Das werden jetzt all jene nicht wahrhaben wollen, die irgendwo im Regen sitzen und rum jammern.
Wir haben hier aber Sommer, so richtig, 32 Grad, strahlender Sonnenschein mit ein paar winzigen, fluffigen weißen Wölkchen am kobaltblauen Himmel und das Meer fast vor der Haustür. Also alles da, was es braucht für diese ganze verficke Sommerscheiße!

"Heute nehmen wie die Kinder und fahren alle an den Strand!"

Tolle Idee der Dame des Hauses! Wir nehmen den Cayenne. Ein sanfter Druck aufs Pedal und 500 Pferde fallen in leichten Trab. Klimatisiert in Ledersitzen rauschen wir zur Küstenlinie, und das beste, das Biest hat einen CO2-Austoß, daß einem auf hundert Kilometern die Küstenlinie um 3 cm entgegen kommt!

Haha, war nur Spaß! Wir sitzen in der S-Bahn. Im S-Bahn-Tunnel unter der Innenstadt. Die S-Bahn ist gar nicht gut klimatisiert, dafür aber um so voller. Zum Glück haben wir noch zwei dieser Klappsitze im Türbereich abbekommen, die Kinder auf dem Schoß. Jeden Bahnhof drängen sich noch mehr Leute in den Zug, es ist furchtbar heiß, stickig und eng. Die junge Frau vor mir will dem Anschein nach zu urteilen auch zum Strand: Hotpants, Bikini-Oberteil, Strandtasche um, Sonnenbrille auf und Kopfhörer in den Ohren. Wenn ich auf dem Klappstuhl sitze und sie vor mir steht, habe ich ihre Hotpants genau auf Augenhöhe. Ich sitze in der Hitze in der überfüllten S-Bahn, mein Sohn windet sich auf meinem Schoß nervig hin und her und will endlich da sein, seine Mutter erzählt mir irgendwas von wegen Vorhänge waschen oder so, so genau höre ich da nicht hin, und währenddessen habe ich die Cameltoe dieser halbnackten jungen Frau keine 30 cm vor meine Nase. Da denkst du schon über dein Leben nach...
Oxytocin plus Testosteron ist das Radler unter den Hormonen: Eine Mischung, von der man kotzen möchte.

Endlich rollt der Zug aus dem Tunnel ins Tageslicht, statt der Betonwände des Tunnels sieht man die Betonwände der Vorstädte vor den Fenstern vorüberziehen und es liegt schon der Geruch von Meersalz in der Luft. Und der Wagen wird auch endlich leerer.

"Du hörst mir ja gar nicht zu!"
"Was?"
"Ich erzähle ich dir was und du hörst gar nicht zu! Wo bist bist du denn mit deinen Gedanken?"
"Bei den Füßen von Kamelen."
"Was?"
"Wenn man ein Eis in die Tür hält, kann die S-Bahn dann losfahren?"
"Interessierst du dich jetzt für Kamele?"
"Nur wenn kein Stiel drinsteckt."
"Was?"
"Was?"
"Was?"

Also eines ist klar, ich geh' sofort zur Strandbar…

(Wird fortgesetzt…)

Sonntag, 17. Juli 2016

Je suis fatigué

Kaum ist man mal ein paar Wochen weg zur Entziehung, schon verpasst man jede Menge Terror, Putschversuche, sogar das kleine süße Haustier soll einem weggenommen werden! Aber jetzt gibt's wieder ein bisschen DWüdW-Senf dazu!
In den 2000er Jahren musste ich ein paar Jahre beruflich in Paris verbringen. Du meine Güte, was habe ich in dieser Zeit gelernt, dieses widerwärtige Dreckloch zu hassen! Aber aus der Zeit sind mir zwei kleine Erlebnisse fest in Erinnerung geblieben.

Das erste Erlebnis war ganz kurz nach meiner Ankunft. Ich wohnte in einer Pension und suchte nach einer Wohnung. Und im Großraum Paris nach einer Wohnung suchen… Man kann es sich kaum vorstellen, aber verglichen mit der Situation in Paris ist der Wohnungsmarkt in München ein reines Schnäppchenparadis! Irgendwann stand ich in einer kleinbürgerlich-weißen Banlieue südwestlich der Ringautobahn, dem guten Teil der Vororte, auf dem Bürgersteig in einer langen Schlange von kleinbürgerlichen weißen Franzosen, um mir eine halbwegs bezahlbare Wohnung in einem Siebzigerjahre-Betonbau anzusehen. Während die Schlange auf dem Bürgersteig auf den Makler wartete, fuhr langsam ein Auto die Straße entlang, drinnen saßen zwei farbige junge Männer, die offenbar die Häuserreihen links und rechts nach irgendwas absuchten. Viele Blicke aus der Schlange verfolgten das Auto mit den Schwarzen misstrauisch. Als es weg war, meinte einer der Wartenden laut: "Ob die sich hier auch eine Wohnung ansehen wollen?" Die ganze Schlange begann laut aufzulachen.

Das zweite Erlebnis folge, nachdem ich irgendwann eine Wohnung in den bürgerlichen südwestlichen Banlieus gefunden hatte. Spät nachts wollte ich aus Paris mit dem Vorortzug wieder nach hause fahren.  Die Züge fuhren vom Bahnhof Montparnasse in Richtung des sehr gut bürgerlichen Versailles ab, allerdings fuhren dort noch in den 2000er Jahren Züge aus Nachkriegsproduktion mit offenen Toilettensystemen. Da die Züge mitunter lange auf dem Bahnhof bereitstehen und manch einer während der Wartezeit nicht mehr an sich halten kann und die Toilette aufsuchen muß, sammelte sich dort über die Woche die Scheiße auf den Gleisen im Bahnhof. In jener Nacht sah ich Männer mit Mundschutz und Schaufeln, die Samstag Nacht um halb zwei im Bahnhof die menschliche Scheiße wieder von den Gleisen schippte. Und alle diese Männer waren Farbige. Paris ist eine Stadt, in der nachts die Nigger die Scheiße der besser gestellten Weißen wegschaufeln.

Ich habe nie eine solch asoziale, verkommene und ganz unverblümt rassistische Gesellschaft erlebt wie in Paris. Das erklärt nicht, weshalb sich gerade in Frankreich immer wieder mörderische Gewalt Bahn bricht. Wirklich verwundern kann mich das aber auch nicht. Die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die angeblich von Mördern angegriffen würden, die sind längst nichts weiter als eine groteske Phrase.