Mittwoch, 21. Oktober 2015

Bin ich verschwult?

Ja, so schätzen ihre Leser Die Wahrheit über die Wahrheit: Ein Blog, so männlich, daß selbst Vin Diesel beim Lesen die Milch einschießt und so hetero, daß sich nicht einmal männliche Stechmücken an den Autor heranwagen*!
Da bewegt die Meldung vom heute erscheinenden Buch des Autors Akif "El Kapo" Pirinçci mit dem Titel "Die große Verschwulung" den Autor natürlich sehr. Gehört die männliche Leserschaft von DWüdW womöglich auch schon zu jenen von Pirinçci beschriebenen eierlosen Schwuchteln, die sich bereitwillig von muslimischen Invasoren das Land rauben lassen und von irgendwelchen ungebumsten Lesben sagen, was sie zu tun haben?
Da wollte das Zentralkomitee der Wahrheit über die Wahrheit sicher gehen und ließ die irren Wissenschaftler der DWüdW-Forschungsgruppe "GEsellschaftliche Immunisierung gegen LEsbisch-schwule Risikogruppen und PropagandaOrganisationen" (GeILeRPO) umgehend einen wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstest erarbeiten - einen Test, der es schnell und zuverlässig ermöglicht, den eigenen Verschwulungsgrad zu ermitteln. Stolz präsentiert DWüdW den Test der Forschungsgruppe GeILeRPO zur Buchneuerscheinung ihren Lesern!
Also los! Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt! Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung! Selbstverbesserung ist Masturbation! Nach dem Masturbieren also gleich die Fragen des Psychotests ehrlich beantworten, die erzielten Punktzahlen addieren, und schon wissen Sie bescheid!

DWüdW - Psychotest WIE VERSCHWULT BIN ICH?

Frage 1:
Haben Sie schon einmal zu einem Werk von Oscar Wilde gegriffen ohne von Ihrem Lehrer oder Ihrer Freundin dazu gezwungen worden zu sein?

A) Ja.                                                                   +5
B) Nein.                                                                 ±0
C) Osca Wild? Die Alte heißt Gina Wild!         -1

Frage 2:
Haben Sie schon einmal zu einem Werk von Akif Pirinçci gegriffen?

A) Nein. Ein Autor, der gegen Migranten hetzt, ist mir zu fremdenfeindlich.          ±0
B) Nein. Ein Autor, der gegen die Gleichberechtigung hetzt, ist mit zu frauenfeindlich.  ±0
C) Nein. Ein Autor, der Katzenbücher schreibt, ist mit zu schwul.               -1

Frage 3:
Wie oft wechseln Sie Ihre Socken?

A) Mehrmals täglich, damit sie farblich immer zu den Schuhen passen.    +5
B) Immer wenn es nötig ist, so alle paar Tage halt.                                     ±0
C) Ach, die muß man wechseln?                                                                 -1

Frage 4:
Ein Kollege und eiserner Junggeselle erzählt in den Kaffeepausen immer, wie gerne er Urlaub in Sitges macht. Dieses mal wollen sie es auch einmal ausprobieren und machen sich mit Frau und Kindern auf den Weg. Beim Zwischenstop in Barcelona sehen sie den Torre Agbar (Abb. links). Was denken sie spontan?

A) Sieht aus wie ein Schwanz, hö hö.                  ±0
B) Interessante Architektur!                                 +5
C) Was mein Kollege jetzt wohl gerade macht?  +6


Frage 5:
Sie schalten die Tagesschau ein und Judith Rakers begrüßt Sie mit den Worten "Guten Abend, meine Damen und Herren. Willkommen zu den Nachrichten." Was denken Sie?

A) Geil! Der würde ich es auch mal von hinten besorgen!                                 -1
B) Geil! Von der würde selbst ich es mir mal von hinten besorgen lassen!   -0.95
B) Geil! An ihrer Stelle würde ich es mir mal von Jens Riewa von hinten besorgen lassen! +5

Frage 6:
Vervollständigen Sie diesen Satz: "Wenn zwei Männer Sex miteinander haben, dann ist das…
A) …deren Sache."   ±0
B) … ganz interessant. Also, nicht daß das was für mich wäre, nein! Ich meine nur, so ganz grundsätzlich, im Prinzip halt…"  +5
C) …widerlich! Ich kann mir das gar nicht vorstellen! Wie die sich küssen! Und lecken! Oder sich gar was worein tun… Und dabei stöhnen sie auch noch! Oder beißen sich in die Brustwarzen! Oder so. Wirklich, sowas kann man sich gar nicht ausmalen! Sowas gehört ja wohl verboten! Allein schon zum Schutz der normalen, anständigen Menschen! Und wegen der Kinder, natürlich!"   +6

Frage 7:
Wissen Sie, wozu sich Crisco eignet?

A) Nein.                                       ±0
B) Ja, zum Kochen.                   +1
C) Ja.                                            +5 

Frage 8:
Welche der drei folgenden Abbildungen finden Sie sexuell am ansprechendsten?
A)  +5
B)  ±0
C)  -1

Auflösung:
-5 bis 0 Punkte: Alles im grünen Bereich! Sie sind so stockhetero, sollte Akif Pirinçci Sie ins KZ wünschen, dann höchstens, weil Sie ein sozialromantischer Ausländerfreund sind. Aber keine Sorge, Ausländerinnen bumsen zählt bei Pirinçci nicht unter "Ausländerfreundlichkeit"!

1 bis 36 Punkte: Sie sind massiv von Verschwulung bedroht! Jetzt heißt es ganz ruhig bleiben! Machen Sie sich zwei Dinge klar: Erstens, es ist nicht Ihre Schuld! Diese verrottete, rotgrün-versiffte Gesellschaft mit ihrer permanenten Homopropaganda ist an Ihrer gestörten, abartig-kranken Neigung Schuld! Als einzelner können Sie sich da quasi gar nicht gegen wehren! Und zweitens, Schwulsein ist heilbar! Kompetente Freikirchen oder Homöopathen können Ihnen helfen, wieder ein vollwertiger, normaler und lebenswerter Mensch zu werden. Oder natürlich DWüdW. Sie sollten unbedingt weiter DWüdW lesen, oder zumindest Bücher von Pirinçci (aber nicht diesen Schwuchtelscheiß mit den Katzen!). Um schwule Gedanken zu vermeiden sollten Sie sich in der Zeit dazwischen mit entspannenden Filmen für echte Männer (300, Top Gun), Musik (Rammstein, Rosenstolz) oder einem Saunabesuch von schwulem Gedankengut ablenken.

37 Punkte: Bei Ihnen ist alles zu spät. Was soll man jemandem wie Ihnen noch sagen, hm? Party on!


*Der Autor wurde noch nie von einer männlichen Mücke gestochen, ich schwöre!

Montag, 12. Oktober 2015

Kommunistische Konterrevolutionäre

Der Spanische Bürgerkrieg ist wieder angesagt. Wer uns den Einstieg ins 21. Jahrhundert erklären will, der verweist - so er denn seinen Durchblick und seine denkerische Kraft unter Beweis stellen will - auf den Spanischen Bürgerkrieg. Und der ist für Menschen mit Durchblick und denkerischer Kraft, wie ja alle Bürgerkriege, erstaunlich einfach.
Für besonders flache Geister wie Matthias Matussek im Weihrauchrausch war er einfach nur die "roten Terror-Jahre". Christoph Buch sieht in der FAZ die Parallelen zum Bürgerkrieg in der Ukraine:
"Das Schicksal der Ukraine erinnert an den Spanischen Bürgerkrieg, der rückblickend als Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg erscheint.
Washington, Paris und London ließen den Sonntagsreden von Freiheit und Demokratie keine Taten folgen, nur Stalin schickte Waffen und Militärberater, die er mit Goldreserven bezahlen ließ und die Spaniens junge Republik durch Säuberungen nach Moskauer Vorbild schwächten."
Immerhin, die westlichen Demokratien haben sich für ihn durch Untätigkeit mitschuldig gemacht. Schlimmer war aber natürlich Stalin.
Heute rotzt Georg Diez bei SpOn noch einen drauf, wenn er an Syrien denkt:
"Der syrische Bürgerkrieg ist für das 21. Jahrhundert, was der spanische Bürgerkrieg für das 20. Jahrhundert war: Ein Übungsterrain für Verrat, ein Trainingsfeld für trügerische Diplomatie, der Vorhof der Hölle für die Menschen.
Damals wurden die freiheitlichen Kräfte zwischen Faschisten und Kommunisten zerrieben, es war ein Stellvertreterkrieg zwischen Deutschland und Russland, die ihren Krieg später in die ganze Welt trugen."
Und hier kann man das dümmliche Geschwätz der Welterklärer wirklich nicht mehr aushalten. Denn Russland hat nicht "seinen Krieg mit Deutschland" und die Welt getragen, Deutschland hat seinen Krieg gegen die Welt in diese getragen. Und weiter nein, die "freiheitlichen Kräfte" - er meint wohl das bürgerlich-liberale Lager - wurde in Spanien mitnichten zwischen Faschisten und Kommunisten zerrieben, so wenig wie der Spanischen Bürgerkrieg ein simples Faschisten gegen Kommunisten oder Deutschland gegen Russland (was wohl Sowjetunion meint) war.

Nach dem Militärputsch gegen die Regierung der Spanischen Republik 1936 stellten zunächst die in der CNT, der Confederación Nacional del Trabajo, organisierten revolutionären Anarchisten und die Marxisten der POUM, der Partido Obrero de Unificación Marxista, das militärische Rückgrad der republikanischen Kräfte. Ihre Mitglieder bewaffneten sich und bildeten Milizen, die die Front gegen die Putschisten stabilisierten. In ihrem Machbereich, insbesondere in Katalonien, setzten sie ihrer politischen Überzeugung entsprechend auch sozialrevolutionäre Schritte in Gang.
Die Sowjetunion begann, die republikanischen Kräfte gegen die Faschisten zu unterstützen, und dabei kam es zu der für den oberflächlichen Betrachter überraschen Situation, daß die moskautreuen Kommunisten gegen die revolutionären Marxisten und Anarchisten in Spanien kämpften. Und das kam so:

Durch die Erfolge der Faschisten in Europa beunruhigt, kehrte die Sowjetunion von der Leitlinie, gegen bürgerliche und sozialdemokratische Kräfte zu kämpfen, ab, und befürwortete gemeinsame Fronten gegen die Faschisten. In Spanien setzte sie dieses Programm um, und hier kam wohl noch eine weitere, geostrategische Erwägung hinzu. Die Sowjetunion fühlte sich (zurecht, wie man im Nachhinein weiß) militärisch vom Deutschen Reich bedroht und suchte ein Bündnis mit Frankreich. 1935 schloss sie ein Beistandsabkommen mit Paris mit der Absicht, Verbündete hinter dem Feind zu haben (was nicht viel nutzte, wie man im Nachhinein weiß). Und in dieser Situation hatte Moskau die Sorge, daß eine Revolution in Spanien eine antifaschistische Allianz mit Westeuropa gefährden könnte. Denn eine Revolution im Nachbarland hätte auch in Frankreich und Westeuropa Wirkung entfaltet und es aus Angst vor dem Kommunismus womöglich dem Faschismus entgegen getrieben. Also setzte die Sowjetunion unter dem Motto "Revolution ja, aber ein andermals" alles daran, eine Revolution in Spanien zu unterdrücken und das bürgerlich-liberale Lager in den republikanischen Kräften zu stärken. Dabei stützte ich die Sowjetunion auf die PCE, die Partido Comunista de España, und damit auf Kommunisten, die keinesfalls Kommunismus wollten. Diese und die Internationalen Brigaden wurden durch militärische Unterstützung der Sowjetunion immer stärker und konnten die unabhängigen Marxisten und Anarchisten schließlich gewaltsam entmachten. Im Mai 1937 kam es in Barcelona, der Hauptstadt der republikanischen Kräfte, zu Straßenkämpfen zwischen den moskautreuen Kommunisten und bürgerlichen Parteien auf der einen und den revolutionären Marxisten und Anarchisten auf der anderen Seite. Die Revolutionäre verloren an Macht und kurz darauf wurde die POUM verboten und kommunistische Säuberungswellen gegen die revolutionären Kräfte der Republik und zur Stützung des bürgerlichen Lagers setzten ein.

Es waren also die Stalinisten, die all den kleinen Buchs und Diez' jener Tage ihr bourgeoises Leben in Barcelona oder Valencia gegen die Revolution der Arbeiterklasse verteidigten. Eine solch komplexe Verwicklung passt aber natürlich nicht in das einfache Erklärmuster eines Feuilletonisten, wenn es wieder mal Gut gegen Böse, Wir gegen Die geht. Außerdem hätte man, um all das wissen zu können, den ganzen Wikipedia-Artikel zum Spanischen Bürgerkrieg lesen müssen, und der ist ja wirklich ziemlich lang*. So darf man gespannt sein, bei welchen Konflikten mit Russland die Experten noch überall Parallelen zum Spanischen Bürgerkrieg entdecken werden. Denn der Spanische Bürgerkrieg, der ist ja angesagt im bürgerlichen Lager zur Erklärung des Weltgeschehens...


* Eine interessante Alternative zu Wikipedia ist auch George Orwell's Hommage to Catalonia. Orwell kämpfte als Freiwilliger in der Miliz der POUM und war bei all den erwähnten Ereignissen dabei, in diesem Buch beschreibt er sie aus persönlicher Sicht.

Samstag, 10. Oktober 2015

Volle Boote

Manche Dinge sind gar nicht so leicht maßstäblich in ein Diagramm einzutragen, da muß man schon mal ein bisschen reinzoomen...

Quellen:
Syrische Flüchtlinge in verschiedenen Ländern: UNHCR / Syria Regional Refugee Response (kumulative Zahlen bis in den Sommer 2015)
Einwohner: Wikipedia
Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftparität im Internationalen Dollar: Wikipedia

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Die Auflösung

Es ist ja schon ein Elend mit Russia Today. Hin und wieder wird man auf einen Beitrag aufmerksam und denkt "Hey, ist ja schon interessant". Und dann kann man sich sicher sein, kurz darauf bringen sie irgendwas von einer so erlesenen Blödheit, daß sie alles aufkeimende Interesse gleich wieder mit dem Arsch einreissen. Ein aktuelles Beispiel für Letzteres ist ein kurzer Artikel mit dem Titel
und dem spannend klingenden Inhalt:
"Auch die Qualität der US-Satellitenaufnahmen aus Syrien im Vergleich zur Ukraine lässt einen verwundert innehalten. Während von dem Luftwaffenstützpunkt in Latakia US-Satelliten hochaufgelöste, glasklare Bilder von russischen Kampffliegern liefern, konnten dieselben Satelliten in der Ukraine nur stark verpixelte und unscharfe Schwarzweißaufnahmen von der angeblichen russischen Invasion liefern."
Das ist natürlich von vorne herein völliger Quatsch, die Bildqualität der von westlichen Institutionen (NATO, Stratfor, etc.) veröffentlichten Satellitenbilder aus der Ukraine und aus Syrien ist genau dieselbe. Da gibt es nichts, was einen innehalten lassen könnte. Man muß sich nur einmal Details wie z.B. Lastwagen in Bildern aus den beiden Ländern ansehen, man erkennt immer in etwa dasselbe Maß an Strukturen. Der einzige offensichtliche Unterschied ist, daß die aktuellen Bilder aus Syrien schön farbig daher kommen, die aus der Ukraine aber in Schwarzweiß gehalten waren. Allerdings ist das kein Merkmal von Qualität, die intuitive Faustregel "farbig = neu und gut, schwarzweiß = alt und schlecht (oder Arthouse!)" gilt da nicht.
Mit Schwarzweiß-Aufnahmen (bzw. korrekt "panchromatischen Bildern") erreicht man eine deutlich höhere Auflösung als mit Farbaufnahmen (bzw. korrekt "Multispektralbildern"). Wenn man doch ein hochaufgelöstes Farbbild haben möchte, dann überträgt man die Farben aus niedrig aufgelösten Farbbildern auf ein hochaufgelöstes Schwarzweißbild. Für diese Farbübertragung gibt es eine ganze Reihe von z.T. Jahrzehnte alten Verfahren; wer im Detail wissen will wie etwa der Satellitenbetreiber DigitalGlobe das macht, oder zumindest ein paar Beispielbilder sehen möchte, der guckt hier. Letztlich liegt auch den hochaufgelösten Farbbildern immer ein hochaufgelöstes Schwarzweißbild zugrunde und das Einfärben ist nur eine erweiterte Bearbeitung zum Aufhübschen wo es aufs hübsch aussehen ankommt (z.B. bei Google Earth). Es ist aber kein eigentliches Qualitätsmerkmal des Bildmaterials.

Guckt man sich allerdings die von Russia Today ausgesuchten Beispielbilder aus Syrien näher an, dann findet man eine kleine Überraschung, die die nähere Analyse der Bilder dann doch ganz spaßig werden läßt (in dem bei DWüdW ja nicht unüblichen, erweiterten Sinne von "Spaß")! Also mal los!

Es geht um zwei Bilder von DigitalGlobe vom 23. September 2015, das Erste ist ein Ausschnitt vom Bassel Al-Assad-Flughafen bei Latakia an der syrischen Mittelmeerküste:
Das zweite Bild zeigt die Militärbasis Istamo, ebenfalls in der Nähe von Latakia:
Wenn man die beiden Bilder genau betrachtet, dann fällt auf: man sieht keine Schatten. Also, wirklich gar keine Schatten, nirgends. Offensichtlich ist der Himmel völlig wolkenlos, und trotzdem wirft kein Flugzeug, kein Haus, nichts einen Schatten. Und die einzige Möglichkeit, vom Himmel auf die Erde zu blicken und nirgends einen Schatten zu sehen, ist, direkt aus Richtung der Sonne zu blicken. Denn ein Schatten ist ja gerade ein Schatten, weil er von der Sonne aus verdeckt ist, und also auch für einen Beobachter vor der Sonne verdeckt. Der Satellit, der diese Aufnahmen gemacht hat, muß also von der Gegend um Latakia aus gesehen am 23. September am Himmel vor oder zumindest sehr nahe bei der Sonne gestanden haben. Und damit wird die Analyse der Bilder ziemlich einfach. Man muß nur alle sich z.Z. im Betrieb befindlichen Satelliten der Firma DigitalGlobe durchgehen und gucken (z.B. hier), welcher am 23. September 2015 dicht an der Sonne vorbei gelaufen ist. Die infrage kommenden Satelliten sind WorldView 1 bis 3 und GeoEye 1, und das Sonnenkriterium ist so stark, da kommt nur ein einziger in Frage, GeoEye 1. Der ist von Latakia aus gesehen ganz nahe an der Sonne vorbeigelaufen, und zwar um 8:19 (UT). Hier ist die Bahn in eine Himmelskarte eingetragen (Norden ist oben, Osten links, das Zenit in der Mitte, die Position der Sonne ist mit dem, nun ja, Sonnensymbol gekennzeichnet):
Und so sieht die Bahn von GeoEye 1 am Vormittag des 23. September über der Erdoberfläche aus:
Damit ist der Ursprung der beiden Bilder auch schon geklärt! Es handelt sich um zwei Ausschnitte eines Aufnahme, die vom Satelliten GeoEye 1 am 23. September 2015 um 8:19 (UT) gemacht wurde. Auch die ungefähre Position am Himmel während der Aufnahme ist klar, man muß nur nachsehen, wo die Sonne an diesem Tag um diese Uhrzeit und an diesem Ort stand. Das war bei einem Azimutwinkel von 152o (gemessen entlang des Horizonts von Norden über Osten, also hier in Richtung SSO) und einer Höhe von 51o über dem Horizont.

Damit wären wir eigentlich fertig. Wobei, vielleicht wollen wir ja doch noch die Auflösung der Bilder wissen, wo sie RT schon innehalten lässt? Und zugleich wäre dies ein guter Beispielfall, um die in vorherigen Posts schon benutzte Methode der Positionsbestimmung des Satelliten aus der geometrischen Bildverzerrung zu testen. Wo wir die Position am Himmel doch allein aus dem fehlenden Schatten kennen, da haben wir doch eine Referenz…
Also doch noch ein bisschen weiter:

Als Testfall eigent sich das zweite Bild, das von der Militärbasis Istamo. Denn dort erkennt man eine Menge Strukturen, die sich mit Aufnahmen aus Google Earth vergleichen lassen. Zuerst müssen wir also den genauen Ort der Aufnahme finden. Erledigt: 35o 28' 17" N, 35o 55' 9" O. Die letzten Google Earth-Bilder sind von 2014 und seitdem hat sich da einiges getan. Allerdings erkennt man deutlich die großen Gebäude wieder und wir können die Ecken von Gebäuden als feststehende Referenzpunkte verwenden. Das geht genauso wie schon früher beschrieben, daher nur knapp:
Ich habe 16 solcher im Satellitenbild und bei Google Earth identifizierbaren Punkte rausgesucht und ihre Koordinaten im Bild (in Pixeln relativ zu einer Ecke) ausgemessen. Bei Google Earth habe ich die Abstände zwischen all diesen Punkten (in Metern) und die Richtungen der Verbindungslinien relativ zur Nordrichtung ausgemessen. Jetzt können wir die Abstände zwischen den Referenzpunkten in Metern durch die jeweiligen Abstände im Bild in Pixeln teilen und wir erhalten den Abbildungsmaßstab in Metern pro Pixel (betrachten wir das mal etwas salopp als die Auflösung des Bildes). Diesen Abbildungsmaßstab können wir jetzt für die verschiedenen Verbindungslinien zwischen allen Referenzpunkten gegen ihren Winkel zur Nord-Süd-Richtung auftragen. Würden wir senkrecht von oben auf die Welt blicken, dann sollte der Abbildungsmaßstab in allen Richtungen gleich sein. Gucken wir allerdings schräg, dann ist er unterschiedlich: Entlang der Blickrichtung ist er verzerrt, denn  in dieser Richtung ist eine Linie vom Betrachter weggekippt. Senkrecht zur Blickrichtung bleibt dagegen alles gleich. Wir können also der Kurve der Abbildungsmaßstäbe gegen Richtung die Position des Beobachters am Himmel ableiten: Die Richtung des maximalen Abbildungsmaßstabes ist der Azimut des Beobachters, der minimale Abbildungsmaßstab die Auflösung des Instruments und aus dem Unterschied zwischen minimalen und maximalen Abbildungsmaßstab ergibt sie die Höhe des Beobachters, d.h. des Satelliten, über dem Horizont. Gucken wir uns diese Kurve für das Satellitenbild von Istamo an, dann sollten wir in etwa den Azimut und die Höhe der Sonne für den Satelliten finden, und eine minimale Bildauflösung in der Nähe des Wertes von GeoEye 1 (das ist laut Betreiber 41 cm pro Pixel beim Blick senkrecht nach unten).

So sieht die Kurve aus. Die schwarzen Punkte sind die Werte für die Verbindungslinien zwischen allen Referenzpunkten und die rote Linie ein angepasstes einfaches geometrisches Modell, um die optimalen Werte für Azimut, Höhe über dem Horizont und Abbildungsmaßstab zu finden.
Sieht voll Scheiße aus, gell? Es gibt schon eine Variation des Abbildungsmaßstabs mit dem Winkel zur Nord-Süd-Richtung, das Bild ist also nicht schon für geometrische Effekte korrigiert. Aber die Variation ist ziemlich klein und die Werte für die einzelnen Verbindungslinien streuen enorm. Außerdem ist der Abbildungsmaßstab sehr klein, im Minimum gerade einmal 16.7 cm pro Pixel! Auch die aus dieser Abbildung abgeleitete Position des Satelliten am Himmel ist Müll: Das Azimut ist bei 89o und die Höhe über dem Horizont 74o, weit weg von der Sonne. Irgendwas stimmt da überhaupt nicht!

Sehen wir erst einmal nach, welche Werte wir für den Abbildungsmaßstab erwarten sollten. Das können wir, wenn wir annehmen, daß der Satellit vor der Sonne stand. Wenn wir die Bahnhöhe von GeoEye 1 (im Mittel 678.5 km) benutzten und außerdem den Erdradius kennen (6371 km), dann können wir den Abstand zwischen Satellit und Istamo ausrechnen, dazu braucht's nur den Kosinussatz. Dieser Abstand ist 847.1 km. Laut des Datenblatts von DigitalGlobe hat GeoEye 1in 681 km Höhe senkrecht nach unten eine Auflösung von 41 cm pro Pixel. Also sollte die Auflösung in 847.1 km Entfernung auf 51 cm pro Bildpunkt abgenommen haben. Dies ist der minimale Abbildungsmaßstab, den wir - senkrecht zu der Blickrichtung - in der obigen Kurve hätten erwarten sollen. Der maximale Abstand ergibt sich daraus mit der Höhe des Beobachters über dem Horizont zu 66 cm pro Pixel.

Aber jetzt könnte einem etwas auffallen. Der oben bestimmte minimale Abbildungsmaßstab von 16.7 cm pro Pixel, der ist ziemlich genau ein Drittel des zu erwartenden Wertes! Und das Satellitenbild von Istamo (so wie ich es bei RT runtergelassen habe und hier verwende) hat in der horizontalen Richtung eine Abmessung von 3000 Pixel. Da liegt doch die Vermutung nahe, daß dieses Bild um einen Faktor 3 vergrößert wurde. Denn dann käme man gleich zu einem realistischen Wert für die Auflösung des Bildes. Aber was ist mit der vertikalen Bildrichtung? Wenn die auch um einen Faktor 3 vergrößert wäre, denn würde die Position des Satelliten am Himmel immer noch falsch bleiben. Die Bildgröße in vertikaler Richtung muß etwas stärker vergrößert worden sein, wenn des hinkommen soll. Probieren wir es doch einfach mal mit der Annahme eines Faktors 4 in der Vertikalen. So sieht das Ergebnis aus:
Das sieht schon deutlich besser aus! Der minimale und maximale Abbildungsmaßstab sind jetzt 51 und 66 cm pro Pixel, exakt was man erwarten sollte! Die Position des Satelliten ergibt sich jetzt bei einem Azimut von 149o und einer Höhe von 51o über dem Horizont und damit nur 1o am Himmel von der Sonne entfernt! Wenn wir die Position des Satelliten unter der Annahme einer Reskalierung des Satellitenbildes um einen Faktor 3 und 4 in horizontaler und vertikaler Richtung mit in die Himmelskarte eintragen, dann sieht das so aus:
Passt alles hervorragend zusammen!
Bleibt aber noch die Frage, weshalb es zu einer Vergrößerung um die Faktoren 3 und 4 gekommen sein soll. Für die Vergrößerung um einen Faktor 3 gibt es keinen guten Grund, dadurch wird das Bild nur größer, sonst nichts. Aber für den Unterschied in horizontaler und vertikaler Richtung von 3 zu 4 könnte es einen Grund geben - dies ist Umrechnungsfaktor vom 16:9 zum 4:3 Format. Das Originalbild von Istamo ist ein Ausschnitt aus einem größeren Satellitenbild im Format 16:9 gewesen, wobei die längere Bildseite eine Abmessung von um die 1000 Pixel gehabt haben muß. Wenn man von Standardformaten ausgeht, käme 1024 x 576 für den Originalausschnitt in Frage, mit einer Bildauflösung von 51 cm pro Pixel in horizontaler und 66 cm pro Pixel in vertikaler Richtung. Dieser Bildausschnitt wurde ins 4:3 Format umskaliert und auf 3000 x 2250 Pixel Größe aufgeblasen - warum auch immer. Der Ausschnitt in korrekter Perspektive und Auflösung muß so aussehen:
Wenn man die Details in dieser von 3000 x 2250 auf 1000 x 562 Pixel verkleinerten Aufnahme mit dem ersten, großen Bild vergleicht, dann sieht man, daß nichts an Auflösung verloren gegangen ist. Nun sieht allerdings die Schrift komisch aus. Offenbar wurde die Änderung des Seitenverhältnisses vor der Beschriftung durchgeführt.

Eine tatsächliche Bildauflösung von 51 und 66 cm pro Pixel in horizontaler und vertikaler Richtung - da bleibt zum Schluß nur noch die Frage nach der Auflösung in den Bildern aus der Ukraine. Die meisten Bilder erlauben keine genaue Vermessung, da nur kleine Ausschnitte irgendwo auf Feldern, ohne jeden identifizierbaren Bezugspunkt veröffentlicht wurden. Ein besseres Bild, das angebliche russische Truppen in der Ostukraine zeigen soll, hatten wir hier schon einmal vermessen, es war dieses:
Der ermittelte Abbildungsmaßstab war 1.8 m pro Pixel für das Übersichtsbild. Die Detailbilder sind, grob geschätzt, etwa 3.5-fach vergrößert. Also liegt die tatsächliche Auflösung dieses Bildes über den Daumen bei 51 cm pro Pixel. Wie ja schon ganz am Anfang gesagt, die Bildqualität ist in der Ukraine und in Syrien wirklich dieselbe. So plump wie RT das unterstellt sind die Lügen dann auch wieder nicht...

Freitag, 2. Oktober 2015

Alles so schön bunt hier!

Es wird mal wieder Zeit für ein kleines bisschen zweckbefreite Spielerei hier. Hatten wir ja auch schon länger nicht mehr. Der nichtige Anlass ist eine Diskussion über die farbigen Schlieren auf einem Ölfilm auf nasser Strasse. Die Erklärung dafür kennt man vielleicht noch aus der Schule - es ist die Interferenz. Das an der Grenzfläche von Luft zu Öl reflektierte Licht überlagert sich, sofern die Dicke des Ölfilms gering genug ist, mit dem von der Grenzfläche Öl-Wasser reflektiertem Licht in einer festen Phasenbeziehung. Addiert man die beiden reflektierten Wellen, dann verstärken oder schwächen sie sich gegenseitig, je nach Wellenlänge des Lichts, Dicke des Ölfilms und Einfallswinkel des Lichts. Kennt man die Brechungsindizes von Luft, Öl und Wasser, dann kann man auch ausrechnen, bei welchen Wellenlängen sich die beiden reflektierten Wellen maximal verstärken oder abschwächen. Ich hab das mal in einer kleinen Skizze zusammengefasst:

Durch das Verstärken und Abschwächen bei verschiedenen Wellenlängen kommt ein Farbeffekt zustande, der mit der Dicke des Ölfilms variiert und so Farbschlieren auf einem Ölfleck hervorbringt.
An dieser Stelle hören die Erklärungen von der Wikipedia bis zum Physikbuch normalerweise auf. Nur bleibt doch noch die Frage, welche Farben man denn nun genau sehen sollte bei einer bestimmten Dicke des Ölfilms, und ob das auch die Farben sind, die man tatsächlich sieht? Also, ziehen wir es durch! Bringen wir es zum Ende! Bestimmen wir die genaue Farbabfolge, die man auf einem Ölfilm auf nasser Strasse sehen sollte!

Dazu brachen wir drei Dinge. Erst einmal müssen wir wissen, welcher Anteil des einfallenden Lichts bei einer bestimmten Wellenlänge genau reflektiert wird. Dazu müssen wir die reflektierten Wellen mit der richtigen Phasenverschiebung addieren. Allerdings müssen wir auch wissen, welcher Anteil der Welle an einer Grenzfläche reflektiert wird, und welcher gebrochen wird und in die folgende Schicht weiterläuft. Kann man noch hinbekommen, braucht man die Wikipediaartikel zur Interferenz und den Fresnelschen Formeln zu… Genau genommen müssten wir allerdings nicht nur zwei Strahlen betrachten, denn die Aufspaltung zwischen reflektiertem Anteil und gebrochenen Anteil findet ja immer wieder statt. Etwa so:

Gut, in der Praxis erhalten wir sicher eine sehr gute Näherung, wenn wir nur die ersten zwei austretenden Strahlen betrachten. Die Amplitude der austretenden Welle wird mit jeder weiteren Reflexion und Brechung stark abnehmen und der wesentliche Beitrag kommt durch die Überlagerung des direkt reflektierten Anteils und des ersten wieder austretenden Anteils zustande. Trotzdem. Die Überlagerung von nur zwei Wellen, mal echt jetzt - das ist doch was für Pussies! Wer Interferenz mit zwei Strahlen macht, der ruft auch bei Papierstau nach dem Admin und hält Tofu für ein menschliches Nahrungsmittel! Wir berechnen den reflektierten Anteil des einfallenden Lichts aus der Überlagerung aller (im Prinzip unendlich vieler) Strahlen richtig und benutzen dazu die Transfermatrix-Methode. Darauf, wie die funktioniert, gehen wir hier aber nicht ein [1]. Was sonst noch nötig ist, das sind die wellenlängenabhängigen Brechungsindizes für Luft, Wasser und das Öl. Sowas kann man sich gut hier besorgen. Für das Öl nehmen wir mal die Werte für Benzol. Davon sollte zwar (hoffentlich) nicht allzu viel im Öl drin sein, mit seinem Brechungsindex von um die 1,5 ist es aber ziemlich typisch für Öliges und was Besseres habe ich nicht gefunden. Wird's schon tun. Jetzt können wir den reflektierten Anteil des Lichts für jede Wellenlänge des Lichts und für verschiedene Dicken des Öl- oder genauer, Benzolfilms, auf Wasser ausrechnen. Die Ergebnisse sind hier mal in einer Animation zusammengefasst:
Der Wellenlängenbereich auf der x-Achse entspricht in etwa dem Bereich des sichtbaren Lichts, der violette Teil des Spektrums ist am linken Ende der Achse, der Rote am rechten Ende. Auf der y-Achse ist der reflektierte Anteil des auf den Benzolfilm auftreffenden Lichts in Prozent aufgetragen. Der Lichteinfall ist hier (und der Einfachheit halber im ganzen Rest dieses Textes immer) senkrecht.
Man erkennt, wie sich mit ansteigender Dicke des Benzolfilms ein immer dichteres Interferenzmuster aus Minima und Maxima im reflektierten Licht aufbaut und wie es sich mit der Wellenlänge verändert. Es kommt übrigens nie, wie in vielen einfachen Beispielrechnungen üblich, zu einer völligen Auslöschung des reflektierten Lichts im Falle maximal destruktiver Interferenz. Das liegt daran, daß die Amplituden der einzelnen reflektierten Wellen unterschiedlich sind (sie sind durch die Unterschiede in den Brechungsindizes der verschiedenen Schichten festgelegt) und sie sich nie komplett gegenseitig aufheben können. So bleibt auch im Minimum immer etwa 2% des Lichts übrig.

So weit, so gut. Die Erste der drei Zutaten haben wir damit. Wir können für jede Wellenlänge und für jede Schichtdicke den Anteil des reflektierten Lichts ausrechnen. Aber die Farbe, die man beim Blick auf die Benzolschicht auf dem Wasser sieht, hängt nicht nur davon ab, welcher Anteil des einfallenden Lichts bei welcher Wellenlänge reflektiert wird. Sondern auch, wieviel Licht bei welcher Wellenlänge überhaupt auf die Oberfläche auftrifft. Mithin also von der Beleuchtung. Damit können wir es uns ruhig einfach machen. Es gibt viele standardisierte Beleuchtungen. Für solche Standardisierungen ist die Internationale Beleuchtungskommission CIE zuständig. Das klingt vielleicht erst einmal ein bisschen merkwürdig, aber wenn man sich überlegt, welche Bedeutung Farben und Beleuchtungen in allen Bereichen des menschlichen Lebens haben, dann ist es eigentlich nicht mehr verwunderlich, dass es auch jemanden gibt, der für sowas Industrienormen macht. Eine häufig verwendete (und letztlich hier besonders einfache zu handhabende) Standardbeleuchtung ist das Spektrum mit dem poetischen Namen D65. Das ist ein Beleuchtungsspektrum, das repräsentativ für das diffuse Tageslicht um die Mittagszeit in Mitteleuropa ist. Man kann es sich bei der CIE herunter laden, so sieht es aus:
Das nehmen wir, und fertig ist Teil zwei. Wenn wir dieses Beleuchtungsspektrum mit einer berechneten Reflexionskurve für eine gewünschte Schichtdicke multiplizieren, dann bekommen wir die tatsächlich bei jeder Wellenlänge von der Oberfläche ausgehende Lichtmenge heraus.

Jetzt fehlt noch der dritte und letzte Teil. Die Farbe, die wir beim Blick auf den Benzolfilm wahrnehmen, hängt nicht nur vom reflektierten Anteil des einfallenden Lichts und der Beleuchtung ab, sondern auch noch von der wellenlängenabhängigen Lichtempfindlichkeit des menschlichen Auges. Das klingt kompliziert, aber auch hier können wir einfach bei Standardisierungen bleiben. Denn die CIE normiert nicht nur Beleuchtungen, sondern auch die menschliche Wahrnehmung.
Die Netzhaut des Auges enthält drei verschiedene Arten von farbempfindlichen Sinneszellen mit maximalen Empfindlichkeiten bei verschiedenen Wellenlängen. Aus diesen drei Reizen wird die menschliche Farbwahrnehmung zusammengesetzt. Die normierten Empfindlichkeiten dieser drei Zellenarten in Abhängigkeit von der Wellenlänge gibt's auch auch den CIE-Seiten. Sie bilden den "CIE kolorimetrischen Standardbeobachter" von 1931 und sehen so aus:
Wenn wir jede dieser drei Empfindlichkeitskurven mit dem Ergebnis unserer vorherigen Schritte (der bei jeder Wellenlänge von der Oberfläche ausgehende Lichtmenge) multiplizieren und das Ergebnis über die Wellenlängenachse integrieren, dann bekommen wir drei Zahlen heraus, eine für jeden Typ von Farbwahrnehmungszellen in der Netzhaut. Diese drei Zahlen heissen "Tristimulus", die Stimulation der drei Sinneszellen, und sind die Farbe, die wir sehen. Machen wir die ganze Rechnung mal für eine Benzolschicht mit einer Dicke von 0.35 Mikrometern, dann ist das Ergebnis die drei Zahlen 442,6, 335,4 und 629.2.
Noch nicht sehr beeindruckend. Was uns für eine Interpretation fehlt, ist das psychologische Element bei der Sache. Welchen Farbeindruck habe ich denn, wenn meine farbempfindlichen Sehzellen Stimulationswerte von 442,6, 335,4 und 629,2 erleben? Praktischerweise ist auch das wieder in Industrienormen geregelt. So gibt es für verschiedene Farbräume Umrechnungsvorschriften, mit deren Hilfe man vom Tristimulus zu einer Farbe kommt. Wir können z.B. den Standard-RGB-Farbraum, sRGB, nehmen. Das ist der Farbraum, den Computermonitore gerne benutzten. In diesem Farbraum wird jede Farbe durch die Mischung von drei Grundfarben erzeugt, Rot, Grün und Blau (Jaaa, der Name "RGB" ist kein Zufall!). Die Intensität der jeder dieser drei Grundfarben in der Mischung wird durch eine 8-bit-Zahl beschrieben, d.h. einer Zahl im Wertebereich von 0 bis 255. Die Umrechungsvorschrift vom Tristimulus in die drei Intensitätswerte im sRGB-Frabraum können wir uns z.B. bei der Wikipedia besorgen. Für den Beispielfall der Benzolschicht mit 0,35 Mikrometern Dicke liefern die Tristimuluswerte die Intensitätswerte von 68, 40 und 69.
Gut, immer noch nicht so wahnsinnig beeindruckend. Aber jetzt können wir einfach dem Computer sagen, benutze den sRGB-Farbraum und setzte die Intensitätswerte des roten, grünen und blauen Farbkanals auf 68, 40 und 69. Dann taucht eine Farbe auf dem Bildschirm auf. Und unter allen Farben, die der Bildschirm (im sRGB-Farbraum) darstellen kann, ist dies dann die Farbe, die dem Farbeindruck beim Betrachten eines Benzolfilms von 0,35 Mikrometern Dicke auf Wasser unter typischer Tageslichtbeleuchtung am nächsten kommt. So:
Also ein dunkles Violett. Damit sind wir durch. Alles, was zu tun bleibt, ist die Farbe für alle möglichen Schichtdicken zu berechnen und in einen Farbbalken einzutragen. So sehen die Farbmuster eines Benzolfilms auf Wasser in Abhängigkeit von der Filmdicke aus:
Die Farben wirken alle recht dunkel. Das liegt daran, daß in der Berechnung nur Licht von oben einging und alles Licht, das ins Wasser hinein gelangt, auf Nimmerwiedersehen darin verschwindet. Es ist also das Ergebnis für einen perfekt schwarzen Hintergrund. Um die Farben deutlicher zu sehen, können  wir sie ein bisschen aufhellen. Auch wenn das eigentlich nicht so ganz koscher ist, wie sehen die Farben dann deutlicher:
Und diese Farben können wir jetzt mit den Farben auf einem schillernden Ölfleck vergleichen. Hier:
(via HyperPhysics)
Wenn wir annehmen, daß der Ölfilm am Rande des Flecks am dünnsten ist und zur Mitte hin dicker wird, dann können wir die Farbabfolge von außen nach innen mit der Farbfolge im Farbbalken von links nach rechts vergleichen: Erst kommt ein hellgrauer Farbton, der geht ins Beige über, dann Violett, das erst ins Dunkelblaue und dann in ein immer helleres Blau übergeht. Dann kommt so eine Art Senfton, der ins Violette und von da wieder ins Blaue geht. Dann kommt wieder Grün, Violett und wieder Grün und dann etwas Grau. Die berechneten Farbtöne und deren Abfolge passt schon ziemlich gut mit dem Aussehen des Flecks zusammen!

Na gut, eine so große Leistung ist es im Grunde nicht, die Farbabfolge richtig hin zu bekommen. Denn die ist eigentlich immer dieselbe. Ändern sie Brechungsindizes etwas, dann ändert sich die Intensität der Farben und die Zuordnung zur Dicke der Schicht. Die Farbtöne selbst und deren Reihenfolge wird aber  kaum verändert. Die Form der Interferenzmuster bleibt halt immer dieselbe, nur ihre Intensität und Lage  ändern sich. So bekommt man ganz ähnliche Ergebnisse, wenn man den Farbbalken für eine Seifenblase ausrechnet, oder genauer gesagt, für einen dünnen Wasserfilm. Beim Durchschauen gegen diffuses Tageslicht erhält man so ganz zarte Farben:
Im reflektierten Licht vor einem schwarzen Hintergrund sieht man sie deutlich, es gibt wieder den Farbverlauf wie beim Öl:
Oder nehmen wir mal eine dünne Siliciumnitridschicht auf Silicium. Die Farben beim Betrachten dieser Schicht sind in ihrer Abfolge wieder dieselben:
In diesem Fall sorgt der hohe Brechungsindex von Siliciumnitrid für kräftige Farben und einen schnellen Wechsel.
Das Beispiel einer Siliciumnitridschicht auf Silicium ist auch gar nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Man kann durchaus den Wunsch verspüren, Licht in Silicium hinein zu bekommen. Zum Beispiel, wenn das Silicium eine Solarzelle ist. Leider ist Silicium aber relativ stark reflektierend, und so würde ein nennenswerter Anteil des Lichts von der Oberfläche einer Solarzelle einfach wieder nutzlos reflektiert werden, und nicht in sie eindringen, wo fleissige kleine Wichtel dann Ökoelektronen aus dem Licht formen und in die Steckdosen werfen. Um die Leistung einer Solarzelle zu erhöhen, wird sie also mit einer Antireflexionsbeschichtung versehen. Die soll, wie der Name ja nahelegt, die Reflexion von Licht minimieren. Wenn man eine solche Schicht aufbringen will, dann sollte deren Brechungsindex zwischen dem der Luft und des Siliciums liegen, am Besten bei der Wurzel aus dem Brechungsindex von Silicium (sowas verrät einem z.B. die Wikipedia). Der ist ungefähr 4, also sollte man als Beschichtungsmaterial etwas mit einem Brechungsindex um die 2 suchen. Siliciumnitrid hat einen solchen Brechungsindex und ist außerdem noch relativ einfach aufzubringen. Daher eine solche Beschichtung. Die optimale Dicke einer solchen Schicht richtet sich nach der Wellenlänge, für die man die Reflexionsunterdrückung optimieren will. Ideal ist die diese Wellenlänge, geteilt durch 4 mal den Brechungsindex der Schicht (sagt auch Wikipedia). Eine gute Wahl wäre eine Optimierung für eine Wellenlänge von 550 bis 600 Nanometern, dort ist die Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche am stärksten. Daraus folgt eine Schichtdicke von 70 ins 75 Nanometern (d.h. 0.07 bis 0.075 Mikrometern). Guckt man im letzten Farbbalken nach, dann sieht man, daß eine solche Oberfläche tiefblau aussieht. Und damit ergibt sich auch, warum die gemeine Feld-, Wald- und Wiesensolarzelle aus Silicium so schön blau ist, obwohl sie doch aus grauem Silicium gemacht ist.

Will man nun wirklich einmal andere Farbverläufe sehen, dann muß man zu ganz anderen Materialien gehen. Metalle zum Beispiel. Sagen wir mal, Gold. Wir können uns auch mal den Farbbalken für eine dünne Goldschicht auf Glas ansehen. Bei der Draufsicht sieht das so aus:
Da Gold wie alle Metalle Licht sehr stark absorbiert, muß die Schicht sehr dünn sein, damit überhaupt noch was durch kommt. Der Wertebereich der x-Achse ist hier deutlich kleiner als in allen vorherigen Balken. Sehr schnell hat die Schicht nur noch die Goldfarbe. Bei sehr geringen Dicken aber ist die Farbe irgendwo im rötlich-braunen Bereich. Wir können noch mal nachsehen, wie das im Durchgucken im Gegenlicht aussieht:
Wenn die Schicht von außen einfach nur golden aussieht, ist sie von innen pechschwarz. Man blickt einfach nur auf ein Stück Gold, durchscheinen tut da nichts mehr. Solange aber noch was durchscheint, sieht das goldbeschichtete Glas von außen bräunlich aus, von innen aber grün.
Gold- oder anderweitig metallbeschichtete Gläser benutzt man nicht nur in Blogs, sondern auch in der wirklichen Welt, z.B. als thermisches Isolierglas, denn so beschichtete Scheiben sind für Infrorotstrahlung sehr undurchlässig. Und der rotbraune Farbton kommt einem vielleicht von irgendwelchen Hochhausglasfassaden bekannt vor. Der Palast der Republik hatte auch metallbeschichtete, rötlich-braune Fenster. Von innen tendieren Glasscheiben mit einer einfachen Goldbeschichtung aber zum Grünstich beim Rausgucken.

So, das reicht für heute mal. Von Ölflecken über Seifenblasen und Solarzellen zu Thermofenstern, mehr passt in einen Blogpost nicht mehr rein. Wer bis hierhin durchgehalten hat, darf sich zur Belohnung auf meine Kosten ein Gratis-Youtube-Video seiner Wahl anschauen. Wer nicht bis hierhin gekommen ist, sogar ein Kostenpflichtiges!


[1] Ja, das ist jetzt schon ein bisschen frech. Aber leider lässt sie sich nicht in drei Sätzen erklären. Eine rudimentäre Erklärung findet der interessierte Leser in der englischsprachigen Wikipedia. Wer es aber wirklich genau wissen will, der kommt, fürchte ich, nicht umhin, zu einem der einschlägigen Lehrbücher zum Thema zu greifen -  z.B. Knittel: Optics of Thin Films (pdf, siehe Kapitel 2.5).
Das Praktische an dieser Methode ist, daß sie es erlaubt, den reflektierten Anteil und den durchgehenden Anteil des Lichts für beliebige Einfallswinkel und für eine beliebige Anzahl von ebenen Schichten mit beliebigen Brechungsindizes und bei Bedarf auch mit Absorption von Licht in Schichten sehr einfach und schnell auszurechnen. Dazu folgt sie nicht den verschiedenen Strahlen, sondern nutzt geschickt die Randbedingungen aus, die die Maxwellgleichungen dem elektrischen Feld der Lichtwellen an den Grenzflächen aufzwingen. Wer Freude an eleganten mathematischen Lösungen für kompliziert aussehende Probleme hat (oder zumindest ein extravagantes Verständnis des Begriffs "Freude"), der wird daran eine Menge Spass haben!