Mittwoch, 30. November 2011

Der lange Weg zur Wahrheit

Jahresende, Zeit der Rückblicke. Und so wie die Christbäume wieder viel zu früh dran sind, so habe ich auch schon auf die Jahresleistungen dieses Blogs zurückgeblickt. Und zunächst war ich auch sehr zufrieden. Dank freundlicher Verlinkungen, etwa durch Bildblog und den Postillon, hat sich die Leserzahl 2011 ganz wunderbar entwickelt. Gut, ich hatte vielleicht zwischendurch ein paar kleine Durststrecken im Bloggen, aber alles in allem war ich schon kurz davor, mich selbstzufrieden für den Rest des Jahres zurückzulehnen. Bis - ja, bis mein Blick auf die Zugriffsquellen für dieses Blog bei den Google-Suchanfragen hängen blieb. Nachdem ich den ersten Schock (Nach SOWAS suchen die Leute?) und den zweiten Schock (Und mit SOWAS werden sie auf mein Blog verwiesen?) überwunden hatte, blieb noch der dritte Schock: Auf SOWAS haben sie bei mir ja gar keine Antwort gefunden! Und das kann ein Qualitätsblog wie dieses, quasi der Cicero für Spätpubertierende, natürlich nicht auf sich sitzen lassen! Leser mit SOLCHEN Problemen allein zurückzulassen, das widerspricht der Ethik und dem Dienstleistungscharakter dieser Seiten! Und auch wenn es für die Betroffenen im Einzelfall zu spät kommen mag, so muß sich die Wahrheit über die Wahrheit-Redaktion zumindest als symbolische Geste unbedingt zum Jahresende noch all der kritischen offenen Fragen annehmen, die im Rauschen des Netzes wahrscheinlich ungehört geblieben sind.
Starten wir also noch den ersten Die Wahrheit über die Wahrheit-Adventskalender: Zur Wahrheit in 24 Schritten! Öffnen wir ab morgen jeden Tag ein Türchen mit einer neuen, sagen wir mal "unerwarteten" Google-Anfrage, die im Jahr 2011 einen Leser auf diese Seiten geführt hat. 24 erschütternde Fragen, 24 schockierende Antworten - für Sie aufs Gründlichste recherchiert und seriösest aufbereitet von Ihrer DWüdW-Redaktion!

Diese Vorweihnachtszeit wird wirklich mal besinnlich!

Mittwoch, 23. November 2011

Another way to die

Die Menschheit steht vor einer neuen Bedrohung.
Der Himmel fällt ihr auf den Kopf. Und zwar im 21. Jahrhundert in Form von abstürzenden Satelliten.
Im September war es der US-amerikanische Satellit UARS, der Furcht und Schrecken verbreitete. Die liebste Schlagzeile: "Italienische Behörden warnen vor Aufenthalt im Freien" (Spiegel Online). Aber auch andere berichteten brandaktuell (z.B. [1][2][3][4]), und das Katastrophenfachblatt Bild lief schon mal zur leichten Wir-müssen-alle-sterben-Form auf ("Er könnte auch Menschen treffen" "Große Sorge bei der Nasa: Ende des Monats könnte Weltraum-Schrott so groß wie ein Schulbus ungebremst auf die Erde stürzen und mit zerstörerischer Gewalt eine Stadt treffen.").
Im Oktober dann der nächste Todeskandidat, der deutsche Satellit ROSAT. Meine liebste Schlagzeile hier: "Riesentrümmer fallen auf die Erde" (Focus Online). Auch hier waren alle mit dabei beim Berichten (z.B. [1][2][3][4]), und Bild kam schon mal auf mittlere Katastrophenform und spendierte auch Ausrufezeichen ("Wieder werden Trümmer unkontrolliert zur Erde rasen!", "1,6-Tonnen-Geschoss kann morgen Deutschland treffen").
Ja, und jetzt, jetzt haben wir die russische Sonde Phobos-Grunt, die auf die Erde zu stürzen droht. Was ist nur los? Wieso schweben wir plötzlich in Gefahr, von scharfen, mit Hunderten von Stundenkilometern aus dem All auf uns herniedersausenden Metallteilen erschlagen und in Stücke geschnitten zu werden? Fallen plötzlich lauter Satelliten herunter? Beginnt gar die Apokalypse, wenn die Sterne vom Himmel herab fallen wie die Feigen vom Baum (Offb 6, 13)?
Bestimmt.
Wenn man sich auf dem Laufenden halten will, was so alles an Menschengemachtem aus dem All herniederkommt, dann kann man das z.B. auf den Seiten des Center for Orbital and Reentry Debris Studies der Aerospace Corporation tun. Und man sieht, daß ständig Schrott aus dem All abstürzt. Den größten Teil machen zurückfallende Raketenstufen aus, aber in diesem Jahr sind bereits auch sieben mehr oder weniger große Satelliten mehr oder weniger geplant heruntergekommen (Kosmos 2388, UARS, ROSAT, Rasad 1, WIRE, TacSat 2 und Molniya 3). Das ist die gleiche Anzahl wie 2010 (LDREX 2, CHAMP, ICESat, Genesat, LDREX, Dragonsat und Solar Cell), 2009 waren es fünf. Und so fort. Neu ist das Phänomen natürlich auch nicht gerade. Offenbar hat die Presse endlich ein neues schönes Katastrophenthema gefunden.
Dumm ist an diesem Thema nur, daß zwar in Deutschland jedes Jahr Tausende Menschen im Straßenverkehr ihr Leben lassen, seit Beginn der Raumfahrt aber noch nicht ein Mensch von einem herabstürzenden Satelliten getötet wurde. Da muß man, will man die Spannung nach den ebenfalls harmlosen Abstürzen von UARS und ROSAT halten, noch ein bisschen mehr am Rad drehen. Erwartungsgemäß war Bild da bei Phobos-Grunt ganz vorne:
"Stürzt die russische Gift-Sonde zur Erde?" Aber auch andere waren alarmiert, die taz überschrieb ihren Artikel mit "Radioaktives Kobalt an Bord", nur um im Text dann den Experten zu zitieren, daß eigentlich keine Gefahr besteht. Das Handelsblatt wußte gestern: "Sie hat rund elf Tonnen hochgiftigen Treibstoff sowie radioaktives Material an Bord." und n-tv fürchtet sich schon länger: "An Bord befinden sich giftiger Treibstoff und radioaktives Material."
Also alles ganz furchtbar, da helfen auch keine beruhigenden Expertenkommentare, radioaktives Material ist nun mal radioaktives Material. Daß es sich dabei nicht um irgendeine hochradioaktive Energieversorgung, sondern um eine winzige Probe zur Kalibration eines Instruments handelt (das Neutronen- und Gammastrahlenspektrometer NS-HEND, vermute ich) und in Hinblick auf Gefährlichkeit in einer Liga mit den radioaktiven Proben spielt, die im Schulunterricht zum Experimentieren verwendet werden, scheint da keine Rolle zu spielen.
Und was den Treibstoff angeht? Ja, der Antrieb von Phobos-Grunt besteht aus einer modifizierten Fregat-Stufe und wird mit den beiden wirklich ekligen Stoffen UDMH (1,1-Dimethylhydrazin, Giftig beim Einatmen und Verschlucken, ätzend, leicht entzündlich und krebserregend) und Distickstofftetroxid (Sehr giftig beim Einatmen, ätzend, brandfördernd) angetrieben. Nur werden die Tanks mit diesen Chemikalien es niemals unbeschadet bis zur Erde schaffen. Sie werden in großer Höhe auseinanderbrechen und der Inhalt wird verbrennen. Bis zum Erdboden wird es kaum etwas davon schaffen.
Bleibt also allein die Gefahr durch die herunterfallenden Metallteile. Aber ganz ehrlich, da ist die Gefahr größer, von einem Affen mit einer Kokosnuß erschlagen zu werden.

Freitag, 18. November 2011

Intelligentes Leben auf Europa

"Und, wie war ich?" "Ich dich auch!"
Manchmal sollte man besser nicht unüberlegt zu seinen Routineantworten greifen, wie es etwa der Focus Online heute in seinem Artikel zu Leben auf dem Jupitermond Europa tat:

Und wer wissen will, ob es beim Focus intelligente Journalisten gibt, der schlägt den Spiegel auf?


PS. Wer wissen will, warum man Leben auf Europa auf dem Mars suchen soll, findet übrigens etwas weniger konfuse Informationen hier. Sehr viel weniger konfuse Informationen zum Thema gibt es hier. Die sind dann aber auch gleich weniger spektakulär, denn im Gegensatz zur PR spielt in der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit die Frage nach außerirdischem Leben plötzlich gar keine Rolle...

Mittwoch, 16. November 2011

Let's do the time warp again!

Es ist mal wieder Zeit für eine neue Folge unserer kleinen Serie "Das Rad der Geschichte" [1][2][3][4]. Denn der Focus Online und Die Zeit enthüllen uns heute: Das Urkilogramm, jener Metallzylinder, der die Masse "1 kg" definiert, schrumpft! Über einen Zeitraum von 100 Jahren hat es etwa 50 Mikrogramm an Masse verloren! Wissenschaftler arbeiten aber an einer verbesserten Methode, die Einheit der Masse zu definieren.

Und am 17. Oktober 2010 berichtete das Deutschlandradio dasselbe.
Und am 25. Mai 2009 der SWR2.
Und am 30. Januar 2008 der Tagesspiegel.
Und am 13. September 2007 der Spiegel Online.
Und am 6. Dezember 2005 die WDR-Sendung Quarks & Co.
Und am 6. März 2003 die Zeit.
Und tatsächlich schon am 1. März 1999 Bild der Wissenschaft.

Das einzig Beruhigende bei der Sache ist, wenn es bei einer konstanten Verlustrate von 50 Mikrogramm pro Jahrhundert bleibt, dann sollte das Urkilogramm schon in zwei Milliarden Jahren komplett verschwunden sein. Bis dahin aber wird uns die Presse wohl leider regelmäßig auf dem Laufenden halten...

Nachtrag:
Ich sehe gerade, Der Standard verwurstet die Meldung auch. Und berichtete vom Kiloschwund selbst auch schon am 24. Januar 2011 und am 14. November 2007.

Anonymität für Dschughaschwilisten

Zuerst waren es nur vollmundige Ankündigungen von sozialen Netzwerken und überzeugende Forderungen von CSU-Experten:


Doch endlich wird in Sachen "Klarnamen" auch gehandelt! Facebook erwartete von Schriftsteller Salman Rushdie, daß dieser seinen Account unter seinem wahren Namen "Ahmed Rushdie" führe. Zwar ist Facebook wieder eingeknickt, doch andere Internetgiganten wollen den Trend zu mehr Offenheit im Netz weiterführen und kündigten schon entsprechende Maßnahmen an:
So wird Google Maps in Zukunft das "Willy-Brandt-Haus" nur noch als "Herbert Ernst Karl Frahm-Haus" führen. Wikipedia teilte mit, die Artikel "Josef Stalin" und "Joseph Conrad" würden in Kürze gelöscht werden. Übergangsweise solle aber auf die Begriffe "Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili" und "Józef Teodor Nałęcz Konrad Korzeniowski" weitergeleitet werden. Am schnellsten reagierte jedoch ein anderer: Das "Mahnmal für die namenlosen Opfer der Weltkriege" sei bereits aus Google Street View gelöscht worden.

Sonntag, 13. November 2011

Denkwürdige Momente des Zusammenlebens (I)


Sie: "Such' endlich mal nach einem anderen Internettelefonieanbieter! Dieser hier unterbricht die Verbindung jedes Mal nach drei Stunden."

Mittwoch, 9. November 2011

Long live the Aufblühvermeidungsabfluß!

Vor ein paar Jahren hatte ich einmal versehentlich eine im Auftrag des französischen Kulturministeriums verschickte E-mail bekommen, in der es um eine Befragung unter französischen Muttersprachlern in der Wissenschaft ging. Es sollte festgestellt (d.h. natürlich evaluiert) werden, wie es der frankofonen Seele unter dem zeitgenössischen Zwang ergeht, die Ergebnisse ihrer wissenschaftlicher Bemühungen international in englischer Sprache zu publizieren. Was hatte ich mich damals amüsiert! Angehörige eines Volkes, so sprachunbegabt, daß es auf internationalen Veranstaltungen immer mit den Chinesen um den ersten Platz im schlechtesten Englisch konkurriert, und die sich bereits (ernsthaft!) für "bilingue" halten, wenn sie "Hello" und "My - öhhhhh - name is..." sagen können, ja, diese Menschen leiden sicher sehr, wenn sie die Perlen ihrer civilisation française (auch bei diesem Begriff: ernst gemeint) in barbarischen fremden Zungen verbreiten müssen.
Aber jetzt lache ich nicht mehr. Denn am morgigen Donnerstag beginnt in Essen die Deutsch schafft Wissen - Konferenz, veranstaltet vom Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Institut für Deutsche Sprache. Und worum geht es da? "Wissenschaft ist ohne Sprache nicht denkbar." Ach was! Telefonieren auch nicht. Aber das meine ich ja auch nicht. "Im Sinne einer akademischen Mehrsprachigkeit gilt es, die heutige Bedeutung der deutschen Sprache in den Wissenschaften zu festigen." Genau, das meine ich. Nachdem die Deutschen den Wissenschaften erst die Worte Gedankenexperiment und Bremsstrahlung, dann Blitzkrieg und Führerprinzip geschenkt haben, wird es höchste Zeit, daß wir - im Sinne einer akademischen Mehrsprachigkeit - endlich wieder mehr Deutsch in die Welt der Forschung und Technologie tragen. Und dieses Blog - äh, Zwischennetzlogbuch?- scheut sich nicht, seinen Beitrag, quasi als inoffizielle Ergänzung zu besagter Konferenz, zu leisten! Daher wollen wir hier zum feierlichen Anlaß einmal im lupenreinen akademischen Deutsch erklären, was ein CCD eigentlich ist. Das soll natürlich heißen, ein LGB, ein Ladungsgekoppeltes Bauteil. Denn wie die deutsche Sprache in der Wissenschaft, so wird auch das LGB im allgemeinen Bewusstsein nicht genug gewürdigt.

Ein Charge Coupled Device Ladungsgekoppeltes Bauteil ist das wichtigste optoelektronische Bauteil. Es wandelt Licht in elektrische Ladung um und spielt damit u.a. die Rolle des "Films" in elektronischen Kameras aller Art. Dabei ist die erzeugte Ladungsmenge direkt proportional zur Lichtmenge, zumindest solange die full well capacity Vollbohrungskapazität nicht erreicht ist. Übersteigt die produzierte Ladungsmenge die Vollbohrungskapazität deutlich, dann kann es zum blooming Aufblühen kommen. Ladungen fließen von einem pixel Bildpunkt in benachbarte Bildpunkte. Dieser Effekt wird in modernen LGB durch eingebaute anti-blooming drains Aufblühvermeidungsabflüsse unterdrückt. Durch diese können Ladungsüberschüsse aus dem LGB abfließen. Die charge transfer efficiency Ladungstransfereffizienz wird durch buried channels vergrabene Rinnen erhöht. Diese konzentrieren die Ladungen unter der Oberfläche des LGB. Hier wird man aber zu einem Kompromiss gezwungen: Geringere Empfindlichkeit gegen Aufblühen geht einher mit einer geringeren Vollbohrungskapazität. Denn je tiefer der Aufblühvermeidungsabfluß, desto niedriger der Potentialwall zwischen Aufblühvermeidungsabfluß und vergrabener Rinne.

Holy shit, um wieviel poetischer ein akademisch trockener Text klingt, überträgt man ihn gewissenhaft in die Sprache eines Goethe und Schiller! Dig it!

Montag, 7. November 2011

Wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde

[Röm 6, 7] Gestern predigte Bischöfin Ilse Junkermann in Magdeburg anläßlich der Eröffnung der EKD-Synode. Und sie stellte fest:
"Der Mensch setzt sich an Gottes Stelle. Und dabei - übernimmt er sich. Er ist nicht Gott. Er ist nicht allmächtig. Und auch wenn wir Gutes und Großes wollen – wir zerstören damit auch immer zugleich."
Jo, mag sein. Wobei - da haben wir schon Gott erlaubt, sich an Gottes Stelle zu setzen, und dann ist der ganz genauso überfordert. Denn Allmacht und Gutes wollen hin oder her, im Zerstören steht er dem Menschen wahrlich in nichts nach...
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Wird mit Sicherheit fortgesetzt...

Freitag, 4. November 2011

Ein Irving der Evolution

Seit Babies unterwegs sind, steigt in unserer Wohnung die Bärchendichte immer und immer weiter an. Kleine süße Bärchen finden sich nahezu überall, auf Sabberlätzchen und Strampelanzügen, auf Handtüchern und Bettzeug. Gut, es sind nicht nur Bärchen, da gibt es auch niedliche Nashörner, Giraffen und Bohnen und Möhren, die Unterhosen tragen (Was um alles in der Welt werfen sich diese Babykramdesigner bei der Arbeit eigentlich ein?). Aber hauptsächlich sind es Bärchen. Dabei haben Bären unsere Vorvorfahren noch in ihren Höhlen verspeist. Und heute noch muß man beim Campen auf Spitzbergen ein Gewehr mitnehmen, sollte man nachts mal zum Pinkeln raus müssen, und nicht als Mitternachtssnack eines Eisbären enden wollen. Steckt hinter den ganzen kleinen Bärchen vielleicht der Versuch einer Verarbeitung? Quasi das Neutralisieren einer menschlichen Urangst durch Verniedlichung der Gefahr? Das wäre ja noch eine sympathische Erklärung für diese Bärchenleidenschaft. Aber dann mußte ich an Wurst denken. Harmlose Tiere stopft der Mensch in kleine Stückchen geschnitten in deren eigenen After. Gefährliche Raubtiere werden anders gedemütigt, ihr Abbild wird auf Babysabberlätzchen gedruckt. So kann dann das menschliche Neugeborene, eine Kreatur so schmächtig und hilflos, daß sie im Zweikampf nicht einmal gegen ein Meerschweinchen bestehen könnte, nach Herzenslust den Fressfeind seiner Ururahnen vollsabbern und vollspeicheln.
Was bin ich froh, ein Mensch zu sein! Würde ich einer anderen Spezies angehören, ich glaube, ich würde den Homo sapiens sapiens einfach nur zum Kotzen finden.